Steueroasen: Wohin das große Geld wandert

Nicht nur Schwarzgeld von Superreichen wird geparkt. Auch in der EU sparen sich Konzerne legal Milliarden.

Man denkt an Männer mit dunklen Sonnenbrillen und schwarzen Koffern voll Geld, an Briefkastenfirmen mit Adressen auf den schönsten Inseln in der Karibik oder Südsee. An Jachten, Villen, Ferraris und Cocktail-Schlürfen unter Palmen. Allein das Wort Steueroase reicht dafür schon. Abseits des Klischees geht es um nüchterne Geschäfte, meist abgewickelt weit weg vom Palmenidyll.

Unglaubliche 7,6 Billionen Dollar haben Einzelpersonen nach Schätzung des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Gabriel Zucman derzeit in Steueroasen geparkt. Ihren Heimatländern gingen dadurch rund 190 Milliarden Dollar verloren, wird Zucman in der jüngsten Oxfam-Studie über die globale Ungleichverteilung des Wohlstands zitiert.

Viel Gehirnschmalz

Klar, Schwarzgeld, ist oft ein Thema, aber nicht immer. "Man muss zwischen der klassischen Steueroase und legaler Steuerplanung unterscheiden", erklärt Sabine Kirchmayr, Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien. "Die klassische Steueroase hilft dem Steuerunehrlichen aus einem Hochsteuerland, Steuern zu hinterziehen – und gibt auch keinerlei Informationen weiter." So gesehen waren bis vor Kurzem auch die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Österreich dank ihres Bankgeheimnisses Steueroasen. "Auch Österreich hat sehr gut mit dem deutschem Schwarzgeld verdient", sagt Kirchmayr. Auf Druck der OECD, allen voran den USA, und auch der EU ist das Bankgeheimnis gefallen. Erst gegenüber Ausländern und ab heuer auch für Inländer.

Steueroasen: Wohin das große Geld wandert
Meist geht es bei der Wahl einer Steueroase nur um einen legalen Weg seine – sehr hohen – Gewinne mit dem niedrigsten Steuersatz, der zu finden ist, zu besteuern. Für entsprechende Konstruktionen haben die Fachleute in den besten Steueroasen viel Gehirnschmalz verwendet. Mit Know-how und Rundum-Service der besten Banker, Anwälte und Wirtschaftstreuhänder verdienen die findigsten Finanzplätze viel Geld mit jenen, die sich dieses Wissen gern auch viel kosten lassen. Ist es doch immer noch ein Bruchteil dessen, was sie sonst an den Fiskus , wo auch immer, abliefern müssten.

Die Profiteure sind international tätige Konzerne, die Teile ihrer Gewinne über Tochtergesellschaften verschieben können. Fachleute nennen das "Aushöhlung von Besteuerungsgrundlagen und Gewinnverlagerung" (Base Erosion and Profit Shifting – kurz BEPS). Klein- und Mittelbetriebe, die nur in einem Land tätig und steuerpflichtig sind, haben das Nachsehen – und einen Wettbewerbsnachteil.

Riegel vorschieben

Steueroasen: Wohin das große Geld wandert
Nach Schätzung der OECD fehlen den Staatskassen weltweit 100 bis 240 Milliarden Dollar, weil Konzerne mit allerlei legalen Tricks ihre Steuerzahlungen minimieren. Beim Treffen der G-20, der führenden Industrie- und Schwellenstaaten, wurde im November ein Plan beschlossen, um gemeinsam gegen legale Steuerumgehung vorzugehen. Zu den Maßnahmen zählt etwa ein besserer Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden der Länder. Multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen Daten wie Einkünfte und Steuerzahlungen, Zahl der Beschäftigten, ausgewiesenes Kapital, einbehaltene Gewinne und Vermögenswerte melden. Ziel ist, dass Steuern tatsächlich dort gezahlt werden, wo das Unternehmen tätig ist, investiert und wo Gewinne gemacht werden.

EU zieht diese Woche nach

Zumindest einen Teil der 15 Vorschläge will nun auch die EU-Kommission umsetzen. Zwei entsprechende Richtlinien-Entwürfe sollen in der kommenden Woche präsentiert werden, berichtet das Handelsblatt. Es wird spannend, wie manche Länder – allen voran Malta, Zypern, Irland und auch Litauen – reagieren werden. Denn sie stemmten sich gleich nach dem G-20-Beschluss gegen strikte Regeln in der EU.

In der EU tobt längst ein erbitterter Steuerwettbewerb. Für jeden ersichtlich wurde das durch das Auffliegen der Sonderdeals zwischen Starbucks in den Niederlanden und Fiat in Luxemburg. Die mit der dortigen Finanz vereinbarte künstliche Verringerung ihrer Steuerlast hat die EU-Kommission als illegal verurteilt. Starbucks und Fiat müssen je rund 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen – und zwar ausgerechnet an die Finanzbehörden der beiden Länder, die getrickst haben. Auch Google hat sich jetzt mit London geeinigt, umgerechnet 172 Mio. Euro an Steuern nachzuzahlen. Dem Konzern war vorgeworfen worden, die meisten in Europa erzielten Gewinne über Irland auf die Bermudas transferiert zu haben.

EU-Verfahren laufen derzeit noch gegen den Online-Händler Amazon in Luxemburg und Apple in Irland. Beiden droht eine saftige Steuernachzahlung, bei Apple könnten laut Spiegel 19 Milliarden Euro fällig werden.

"Eines der Herzstücke der von OECD und G-20 verpönten Steuerplanung von Apple, Starbucks, Google, und wie sie alle heißen, sind Lizenzgesellschaften", erklärt Kirchmayr. "Im Gegensatz zu Fabriken lassen sich Lizenzen, also das Entgelt für Rechte, leicht in ein anderes Land verschieben, wo wenig Steuer fällig wird. Luxemburg hat damit angefangen und wurde heftig kritisiert, jetzt macht es fast die Hälfte der EU-Staaten mit Patentboxen."

Forschung & Entwicklung fördern

Die günstigsten effektiven Steuersätze bieten Malta (0 Prozent), Zypern und Liechtenstein (2,5), die Benelux-Staaten (5 bis 6,8), Nidwalden in der Schweiz (8,8) und Ungarn (9,5). In Österreich gilt der Körperschaftsteuersatz von 25 %. Aufgrund der neuen Regeln hat in der EU der Umbau auf "gute" Patentboxen begonnen: Künftig dürfen nur Lizenzen begünstigt werden, die im Land von den Forschungseinrichtungen des Unternehmens entwickelt wurden.

Steueroasen: Wohin das große Geld wandert
Der Steuerwettbewerb wird neue kreative Lösungen bringen, ist Kirchmayr, viele Jahre Wirtschaftstreuhänderin bei KMPG, Ernst & Young und LeitnerLeitner, überzeugt. "Ein einheitliches Steuersystem ist in der EU nicht absehbar und wird es global schon gar nicht geben. Es bleiben immer Schlupflöcher offen."

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