Rücktritt einer humanistischen Mahnerin

Christiane Taubira tritt als Justizministerin zurück
Frankreichs Justizministerin Taubira kritisierte Sicherheitskurs und demissionierte.

Frankreichs sozialistische Regierung hat ihre wichtigste Bannerträgerin in Sachen linker Ethik verloren: Justizministerin Christiane Taubira trat Mittwoch zurück, weil sie sich gegen den sicherheitspolitischen Kurs der Staatsführung um Präsident Francois Hollande und Premierminister Manuel Valls stemmte. Sie wurde von einem in Polizei-Fragen versierten und vergleichsweise unauffälligen Weggefährten von Hollande ersetzt.

Die 63 jährige Taubira war schon zuvor wegen den von ihr mit Passion und unfehlbarer Fachkenntnis geführten Reformen zu einem Hassobjekt für einige konservative und rechte Kräfte geworden: so setzte sie die Homo-Ehe durch, die inzwischen aus dem französischen Alltag nicht mehr wegzudenken ist (2014 gab es 10.000 und 2015 folgten 8000 gleichgeschlechtliche Ehe-Schließungen. Auch der konservative Oppositionsführer Nicolas Sarkozy hat angekündigt, er werde, im Falle seine Sieges, an diesem Gesetz nicht mehr rütteln). Und Taubira sorgte auch für die Einführung des Strafvollzugs auf freiem Fuß als Alternative zum Gefängnis – parallel zu einer verbesserten Betreuung für Verbrechensopfer.

Als Äffin geschmäht

Das brachte ihr den Vorwurf der „Laxheit“ im Umgang mit Kriminellen ein, wobei sogar behauptet wurde, sie hätte einen „straffälligen Sohn“, den sie „protegieren würde“ – eine reine Erfindung. Schlimmer: die dunkel-häutige Taubira, die aus der französischen Übersee-Provinz Guyana stammt, wurde von Gegnern der Homo-Ehe und einzelnen rechten Lokalpolitikern auf Plakaten und auf Facebook als Äffin dargestellt.

In der Regierung bewahrte sie sich ihre kritische Eigenständigkeit. Ihr missfiel, dass der der Ausnahmezustand (mit Sondervollmachten für die Polizei), der nach den Pariser Anschlägen vom November 2015 für drei Monate verhängt wurde, nun neuerlich verlängert wird. Allerdings trug sie wahrscheinlich dazu bei, dass Premierminister Valls, der einen scharfen Ordnungskurs vertritt, diesbezüglich zumindest verbal etwas einlenkte.

Erst hatte der der stramme Regierungschef erklärt, er wolle den Ausnahmezustand so lange aufrecht erhalten, bis die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ überwunden sei. Jetzt konzedierte Valls doch, die Verhängung des Ausnahmezustands müsse „zeitlich begrenzt bleiben“.

Es war aber vor allem die geplante Aberkennung der Staatsbürgerschaft für verurteilte Terroristen und ihre Helfer, die ursprünglich nur Franzosen mit Doppelstaatsbürgerschaft betreffen sollte, die Taubira in den Rücktritt trieb. Sie betrachtete, wie zahlreiche andere, und nicht nur linke Politiker sowie Menschenrechts-Organisationen, dies als verheerenden Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip bei der Behandlung der Bürger der französischen Republik.

Auch da dürfte Taubira noch in ihrem Abgang einen Erfolg errungen haben: Valls und Hollande waren zuletzt davon abgerückt, diese Maßnahme nur auf Franzosen anzuwenden, die noch über eine zweite Staatsbürgerschaft verfügen (womit vielfach Franko-Maghrebiner und Franko-Afrikaner ins Visier gekommen wären). Die jetzt von der Regierung vertretene diesbezügliche Gesetzesversion sieht die Möglichkeit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft für alle Franzosen vor – um „jede Stigmatisierung zu vermeiden“, wie Valls nun betonte. De facto dürfte das eher auf den Verlust von politisch-zivilen Rechten (etwa dem Wahlrecht) hinauslaufen.

"Ich bleibe mir treu"

Zu ihrer Verabschiedung erklärte Taubira: „Ich bleibe mir selber und meinem Kampf treu. Die Gefahr des Terrorismus ist groß und vielfältig, aber wir haben gelernt, ihr zu widerstehen und den Terroristen zuzusetzen. Wir sollten dem Terror auch keinen politischen oder symbolischen Sieg gewähren. Die Fundamente unserer Republik sind robust und widerstandsfähig“.

Bei ihrem Abgangsauftritt im französischen Parlament zollten ihr die Abgeordneten sämtlicher Linksparteien mit lang anhaltendem Applaus besondere Anerkennung. Auch Präsident Hollande bedachte seine bisherigen Justizministerin beim Ministerrat im Elysee-Palast vor der versammelten Regierung mit starkem Lob, ließ aber wissen, dass die bevorstehenden „schwierigen Herausforderungen“ Einmütigkeit in den Reihen der Regierung erfordern würden.

Der Verlust von Taubira bedeutet freilich eine weitere, empfindliche Schwächung der sozialistischen Staatsführung, zumal die Justizministerin einen beträchtlichen Teil jener links-alternativen Kräfte vertrat, die ansonsten von Hollande und Valls zunehmend enttäuscht sind.

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