Staatsbesuch: Heikler Run auf den Iran

Bundespräsident Fischer wird von Irans Industrieminister Nematzadeh empfangen. Dahinter Margit Fischer und die Österreich-Delegation.
Für die Delegation, die im Schlepptau Heinz Fischers nach Teheran reist, reicht ein Flugzeug nicht.

Beim letzten Besuch einer offiziellen österreichischen Delegation im Iran im Frühjahr 2014, belegten Außenminister Sebastian Kurz und seine Mitreisenden gerade einmal ein paar Sitzreihen in der Iran Air. Aus Vorsorge vor Retorsionsmaßnahmen westlicher Partner wurden Linienmaschinen des Mullah-Regimes noch vor einem Jahr in Wien von der OMV nicht für den Rückflug betankt und so ein Tankstopp in Istanbul erzwungen.

Das 30 Jahre alte Fluggerät machte den knapp fünfstündigen Flug endgültig zur Abenteuerreise: Iran-Air-Jets werden vom Westen seit Verhängung der Sanktionen 2004 nicht mehr serviciert, sondern notdürftig via Pakistan in Schuss gehalten.

Montagfrüh reichte ein Airbus 320 der AUA (Flugnummer OS 1000) nicht, um alle Teilnehmer des jüngsten Iran-Trips nach Teheran zu verfrachten. Bundespräsident Heinz Fischer führt eine hochrangige Politiker-, Wirtschafts-, Kultur- und Wissenschaftsdelegation in die Islamische Republik an.

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220 Manager an Bord

Mit dabei auch VP-Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und die beiden Spitzenbanker Claus Raidl (Nationalbank) und Rudolf Scholten (Kontrollbank). Nach dem im Juli abgeschlossenen Atom-Deal steht eine Zeitenwende im Iran an – zumindest die wirtschaftliche ist schon deutlich absehbar. 220 Manager von 140 Firmen begeben sich auf „Marktsondierungsreise“.

Allen voran dabei: der neue OMV-Chef Rainer Seele und Manager der Paradeunternehmen Andritz, AVL List, Diamond Aircraft, Doppelmayr Seilbahnen, Elin, Lenzing, VA Intertrading und Vamed.

Nach Verhängung der Sanktionen schrumpfte das heimische Exportvolumen in den Iran auf überschaubare 232 Millionen Euro. Kurzfristig erwarten die Experten der Wirtschaftskammer eine Verdopplung, mittel- und langfristig einen Ausbau über die Milliardengrenze hinaus.
Gefragt ist in einem Land, dessen fast 80 Millionen Einwohner zu zwei Dritteln unter 28 Jahre alt sind, nach fast zwölf Jahren des offiziell fast lückenlosen Eisernen Wirtschaftsvorhangs fast alles: Von Investitionen in die Öl- und Gasindustrie und Infrastruktur bis zu Innovationen in der Medizintechnik und im Pharmabereich.

Österreich genießt einen ausgezeichneten Ruf in Teheran“, sagt Werner Fasslabend, Ex-VP-Minister und Präsident der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft, „wegen der hohen Qualität der Produkte und der historisch guten Beziehungen“. Österreich hat auch in der Zeit der strikten Sanktionen „ein paar Türen offengelassen und Kontakte auf niedrigerem Niveau gepflegt“, resümiert Heinz Fischer.

Standbild statt App

Das „Österreichische Kulturinstitut“ in Teheran wurde als einer der wenigen westlichen Vorboten auch ab 2004 nicht geschlossen und blieb Anlaufstelle für Intellektuelle und Jugendliche. Der Iran bleibt aber auch nach dem Atom-Deal eine höchst zwiespältiger Staat. Die Todesstrafe ist gängige Praxis; Menschenrechte sind ein Fremdwort. Die Staatsspitzen unterhalten seit Kurzem eigene Accounts auf Facebook und Twitter, um Offenheit zu demonstrieren. Im Land selbst sind soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter verboten. Es herrscht strenge Internetzensur weit darüber hinaus: Statt der gewohnten Apps erscheinen vielfach Standbilder mit paradiesischen Vögeln und bunten Gärten.

Heinz Fischer trifft am Dienstag bei seinen ersten offiziellen Gesprächen mit Präsident Hassan Rohani, Außenminister Mohammad Javad Zarif und Ayatollah Ali Khamenei auch auf eine sehr heterogene politische Klasse, die offen in Fraktionskämpfe verstrickt ist. Österreichs in der Region hoch anerkannter Botschafter, Friedrich Stift, musste sich erst im Vorfeld der jüngsten Staatsvisite mit deren Ausläufern herumschlagen.

EU-„Außenministerin“ Catherine Ashton nutzte im Vorjahr die Residenz des österreichischen Botschafters zu einer Begegnung mit Menschenrechts-Aktivistinnen.

Sturm im Wasserglas

Auch zum Selbstschutz machten die Aktivistinnen Fotos von der Aussprache und spielten sie an die Öffentlichkeit. Das Regime schickte in den Tagen danach eine Hundertschaft Demonstranten vor die österreichische Vertretung. Botschafter Stift wurde zur Übergabe einer Protestnote ins Außenamt zitiert. Ashtons eigentlicher Gastgeber, Außenminister Zarif, musste zudem dem Parlament wegen des Treffens Rede und Antwort stehen. Der Geheimdienst-Chef hatte öffentlich kundgetan, Zarif vor dem Treffen der Frauen gewarnt zu haben. Es blieb ein Sturm im Wasserglas: Zarif schickte einen Stellvertreter zu dem von seinen Gegnern inszenierten Tribunal.

Erster Besuch seit 2004

Mit dem Atomdeal haben Zarif und die gemäßigten Kräfte das Fenster für einen Neustart mit dem Westen aufgemacht. Die Österreicher sind nicht die Ersten mit einer Wirtschaftsdelegation im Lande. Der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel war kurz nach Unterzeichnung des Nuklearabkommens da.

Heinz Fischer ist das erste westliche Staatsoberhaupt, das dem Iran nun seine Aufwartung macht. Der letzte westliche Staatspräsident, der knapp vor Verhängung der Sanktionen 2004 Teheran anflog, war ebenfalls ein Österreicher – Heinz Fischers Vorgänger Thomas Klestil.

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