Spiele in Sotschi ohne Schwule?

epa03814493 Police detain activists of the LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) community dressed like police during a protest in Moscow, Russia, 06 August 2013. EPA/YURI KOCHETKOV
Der Westen fordert wegen Schwulen- Diskriminierung den Boykott von Sportveranstaltungen.

Am Samstag werden in Moskau die Leichtathletik-Weltmeisterschaften eröffnet. Es ist das erste internationale Sportereignis von Rang, das seit über 30 Jahren in der russischen Hauptstadt über die Bühne geht. 1980 richtete Moskau die Olympischen Sommerspiele aus. Der Westen boykottierte sie: Ende 1979 war die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert.

Jetzt ist das politische Umfeld ähnlich ungünstig. Aufrufe, der Leichtathletik-WM fernzubleiben, verfehlten zwar ihre Wirkung. Nun konzentrieren sich westliche Schwulenverbände auf Sperrfeuer für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi.

Outing verboten

Kreml und Sportministerium haben sich den Schlamassel zum Teil selbst eingebrockt. Zunächst hieß es, das neue Gesetz, das Propaganda von Homosexualität mit Bußgeldern und Arrest ahndet, werde in Sotschi während der Spiele ausgesetzt. Die Szene plant unter anderem eine Schwulen- und Lesbenparade zur Olympia-Eröffnung am 7. Februar. Vorvergangenen Donnerstag ruderte Sportminister Witali Mutko jedoch zurück. Niemand verbiete homosexuellen Sportlern die Einreise, öffentliches Outing und Werbung für „nicht traditionelle sexuelle Orientierung“ werde jedoch nicht gestattet.

Im Westen erhob sich daraufhin ein Sturm der Entrüstung. Vor allem schwule Sportler und Künstler solidarisierten sich mit russischen Gays, Lesben und Transgender. Homosexualität ist in Russland legal, niemandem droht dafür die physische Vernichtung in Gulags. Wohl aber gesellschaftliche Ächtung, wie Umfragen immer wieder zeigen. Auch, weil die Orthodoxe Kirche als eine der wichtigsten Machtstützen des Kremls der Gesellschaft zunehmend ihren Moralkodex aufzwingen darf.

Kinderrechte

Menschenrechtsbeauftragter Konstantin Dolgow rügte, mit der Kritik am Gesetz zum Verbot von Schwulenpropaganda würde der Westen Moskau „nicht existierende Verpflichtungen“ aufnötigen. Russland erfülle gewissenhaft die Bestimmungen internationaler Abkommen, die Diskriminierung, nach welchem Merkmal auch immer, verbieten. Anders als die USA sei Russland jedoch auch der Konvention über Kinderrechte beigetreten und damit die Verpflichtung eingegangen, Minderjährige vor potenziell schädlichen Informationen zu schützen. Darunter falle auch Schwulenpropaganda.

Realos aus dem liberalen Lager der Opposition und sogar Schwulenfunktionäre halten Boykott-Forderungen für kontraproduktiv. Sie würden die Falschen treffen: Sportler und deren Sponsoren aus der Privatwirtschaft, warnt Schwulen-Aktivist Nikolai Alexejew.

Der britische Schauspieler und Autor Stephen Fry hat dazu aufgerufen, Russland die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 zu entziehen. Der 55-Jährige begründete dies mit einem umstrittenen Gesetz gegen Homosexualität in Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte ein Gesetz erlassen, das Äußerung über Homosexualität im Beisein von Minderjährigen bestraft.

Die olympische Bewegung werde beschmutzt, falls die Spiele in Russland stattfinden dürften, schrieb Fry ("Oscar Wilde", "Blackadder") in einem offenen Brief auf seiner Internetseite. Premierminister David Cameron müsse sich dafür einsetzen, dass diese Russland entzogen würden.

In seinem Brief, der unter anderem auch an den IOC-Präsidenten Jacques Rogge adressiert ist, bezieht sich Fry eingangs auf die Verbrechen der Nazizeit, im Speziellen gegen die Juden. Damals habe die Durchführung der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin in verhängnisvoller Weise zur Stützung von Hitlers System beigetragen. Fry vergleicht die Naziverbrechen in weiterer Folge mit Repressalien und Übergriffen gegen Homosexuelle in Russland. Er schreibt: "Es ist einfach nicht genug zu sagen, dass homosexuelle Olympiateilnehmer im Olympischen Dorf sicher oder nicht sicher sein werden. Das IOC muss eine eindeutige Position einnehmen und sich mit aller Humanität, die es repräsentiert, einsetzen gegen das barbarische, faschistische Gesetz, das Putin durch die Duma gepeitscht hat".

"Verbot einfach notwendig"

Sport könne nicht in einer Blase außerhalb der Gesellschaft oder der Politik gesehen werden. Daher sieht Fry ein Verbot der Winterspiele von Sotschi als "einfach notwendig". "Veranstaltet sie in Utah, in Lillehammer oder wo auch immer. Es darf auf keinen Fall so aussehen, als hätte Putin die Zustimmung der zivilisierten Welt". schreibt der prominente Schauspieler weiters. "Er macht aus homosexuellen Menschen Sündenböcke, so wie Hitler es mit den Juden gemacht hat."

Abschließend erklärt Fry, selbst schwul und selbst jüdischer Herkunft, dass er bei jeder Nachricht von Gewalttätigkeiten gegen Homosexuelle in Russland, weinen müsse, "sehend, dass sich die Geschichte wiederholt."

INFO: Stephen Fry (@stephenfry) hat mehr als 6 Millionen Follower auf Twitter. Hier eine Auswahl seiner aktuellen Tweets:

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