Silvio denkt nicht an Rückzug

Frisch verurteilt, will Berlusconi nicht mehr als Premier kandidieren. Der Politik völlig den Rücken kehren wird er aber nicht.

Einen verbalen Rundumschlag teilte ein sichtlich verärgerter Silvio Berlusconi am Samstag aus: Gegen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die seine politische Glaubwürdigkeit ruiniert hätten, gegen die italienische Justiz sowieso, aber auch gegen den parteilosen Premier Mario Monti, dessen Expertenkabinett Italien in die Rezession gestürzt habe. Gegen Monti und seinen Sparkurs gingen gestern in Rom bis zu 150.000 Menschen auf die Straße. Möglicherweise werde man dieser Regierung das Vertrauen entziehen, donnerte Berlusconi.

Jemand, der der Politik Lebewohl sagen will, sieht anders aus. Erst am Mittwoch hatte sich der 76-Jährige darauf festgelegt, bei der Parlamentswahl im Frühjahr 2013 nicht mehr als Spitzenkandidat seines zerfallenden Partei-enbündnisses „Volk der Freiheit“ an- und stattdessen in die zweite Reihe zurückzutreten. Ein Ausstieg war das aber nicht. Den Verzicht auf die Spitzenkandidatur bestätigte er am Samstag zwar, betonte aber gleichzeitig, weiterhin in der Politik mitzumischen.

Berlusconis scheinbar nur teilweiser Rückzug hat einen konkreten Grund, den er bei seinem Auftritt auch deutlich machte. „Ich fühle mich verpflichtet, weiterhin in der Politik zu bleiben“, erklärte der Cavaliere, „um die Justiz zu reformieren, damit anderen Bürgern nicht das geschieht, was ich erlebt habe“.

 

Berufung

Von Italiens Justiz fühlt sich der Ex-Premier seit Jahren zu Unrecht drangsaliert. Am Freitag hatte er in dieser endlosen Auseinandersetzung eine schwere Niederlage erlitten. Zu fast vier Jahren Gefängnis hatte ihn ein Mailänder Gericht verurteilt (mehr dazu hier): Wegen „systematischen Steuerbetrugs von außergewöhnlichem Umfang.“ Berlusconi soll in den 90er-Jahren persönlich und führend in eine Reihe fingierter Verkäufe im Rahmen seines Medienimperiums Mediaset verwickelt gewesen sein. Es geht um Hunderte Millionen Euro.

Berlusconis Anwälte kündigten umgehend an, in Berufung zu gehen. Bis zum 9. November soll ein Antrag vorgelegt werden. Unsicher ist auch, ob das Urteil in dem Berufungsverfahren überhaupt rechtskräftig werden kann. Die Mediaset-Straftaten verjähren schon 2014. Von seiner Gefängnisstrafe müsste der Ex-Premier ohnehin nur ein Jahr absitzen. Konsequenz eines Gesetzes, das er selbst als Antwort auf die chronisch überfüllten italienischen Gefängnisse durchgesetzt hatte.

Ein Verbleib in der Politik könnte dazu führen, dass Berlusconi seine Immunität zurückgewinnt. Diese plus seine angebliche Unabkömmlichkeit als Regierungschef hatten ihn vor der Strafverfolgung ge-schützt. Inzwischen aber rückt ihm die von allen Seiten näher. Auch im Prozess um sein Verhältnis mit der Marokkanerin Ruby droht ihm Haft.

Steckbrief des "Cavaliere"

Silvio denkt nicht an Rückzug

Silvio Berlusconi hat sich als Medienunternehmer, Ministerpräsident und Lebemann einen Namen gemacht. Ein Steckbrief:

- Geburtstag: 29. September 1936
- Geburtsort: Mailand
- Vater: Bankangestellter Luigi Berlusconi (1908-1989)
- Mutter: Rosa Bossi (1911-2008)
- Studium: 1961 Jura-Examen mit Bestnote der Universität Mailand
- Größe: 1,64 Meter - Familienstand: getrennt lebend, seit 2009 in Scheidung
- Kinder: drei Töchter und zwei Söhne aus zwei Ehen
- Spitzname: "Cavaliere" (Ritter, Kavalier)
- Partei: 1994 Gründung der Forza Italia, 2008 neue Partei Popolo della Liberta (Volk der Freiheit)
- Regierungschef: von Mai 1994 bis Jänner 1995, dann von 2001 bis 2006, erneut zum Ministerpräsidenten gewählt am 8. Mai 2008
- Besitz: rund 150 Firmen, darunter der Fußballverein AC Mailand
- Vermögen: geschätzt auf mehr als sechs Milliarden Euro
- Selbsteinschätzung: "Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa und nicht in der Welt."

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