"Sie lassen uns mit dem Feind weiterleben"

"Sie lassen uns mit dem Feind weiterleben"
In den Dörfern des Andenstaates begegnet man dem Friedensabkommen nach 50 Jahren Bürgerkrieg mit Hoffnung, aber auch Skepsis.

Abgabe der Waffen, Auflösung der FARC-Guerilla, Entschädigung der Opfer: Ein Friedensabkommen, in jahrelangen Gesprächen auf Kuba ausgehandelt, soll ein halbes Jahrhundert Bürgerkrieg beenden. Im September soll es unterzeichnet werden.

Das klingt in den Ohren vieler Kolumbianer wie ein Traum. Und gerade deshalb zweifelt man gerade in den entlegenen ländlichen Regionen, ob dieser Traum auch tatsächlich wahr werden kann. "Dort, in Kuba, machen sie irgendwelche Dinge und uns lassen sie mit dem Feind weiterleben", meint ein Bauer in der Provinz Sucre, im Norden des Landes, zu einem Reporter der spanischen Tageszeitung El Mundo. Dieser Feind, der hat für die Zivilbevölkerung in Kolumbiens Bergdörfern viele Gesichter – und die FARC-Guerilla, die jetzt in das Friedensabkommen eingewilligt hat, ist nur einer davon. Ihre Kämpfer haben zugesagt, freiwillig ihre Waffen abzugeben und sich in ausgewählten Regionen im ganzen Land anzusiedeln. Doch viele, die erlebt haben, wie die FARC gewaltsam junge Männer als Kämpfer rekrutiert, oder Lebensmittel für sich beschlagnahmt hat, zweifeln, dass sich die Miliz überall auch tatsächlich friedlich verhalten wird. Niemand wisse, ob sie nicht nur alte Waffen abgeben und bei Bedarf wieder Gewalt anwenden würde, erfahren Reporter in den Dörfern.

Rechte Paramilitärs

An der Bedrohung durch andere bewaffnete Gruppen ändert das Friedensabkommen wenig. So ist die andere linke Guerilla ELN nicht in das Friedensabkommen eingebunden worden. Sie könnte die durch die Entwaffnung der FARC entstehende Lücke füllen, und sich so in neuen Regionen ausbreiten.

Viel größer aber ist die Gefahr durch rechte Paramilitärs. Einst von Kolumbiens Großgrundbesitzern zum Schutz vor der linken Guerilla aufgestellt und finanziert, kontrollieren sie mehrere Regionen im Land mit Gewalt.

"Sie lassen uns mit dem Feind weiterleben"
Wie die FARC arbeiten sie zu ihrer Finanzierung eng mit kolumbianischen Drogenbanden zusammen. Die Gewinne aus Kokainanbau und Handel finanzieren bis heute sämtliche bewaffneten Gruppen, ob es sich nun um die FARC handelt, die Paramilitärs, die eigenen bewaffneten Einheiten der Drogenkartelle oder schlicht kriminelle Gruppen. Eines der lukrativsten Geschäfte für diese ist die Entführung von Menschen und das Erpressen hoher Lösegelder von deren Verwandten.

Die politische Elite des Landes lebt in den Städten, in denen die Gewalt schon vor Jahren zurückgegangen ist. In der Hauptstadt Bogota oder sogar in der ehemaligen Drogenmetropole Medellin lebt man heute weitgehend sicher. Schon deshalb, meinen viele Bewohner ländlicher Regionen, kümmere sich die Politik nicht um ihre tatsächlichen Probleme mit der alltäglichen Gewalt. Gegenüber El Mundo bringt es ein 75-jähriger Bauer in Sucre, der seinen Hof im Bürgerkrieg verloren hat, ganz schlicht auf den Punkt: "Ich will hier nur in Frieden leben und dass sie uns endlich in Frieden lassen."

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