Schwerer Schlag für EU-Gegner

Uups, so mühsam wird der Brexit: Boris Johnson nimmt sich selbst aus dem Rennen um den Posten des Premiers.
Nach Boris Johnsons Rückzug fehlt klarer Favorit. Chaos in beiden Parteien.

Der Plan war simpel und erfolgversprechend. Mit dem Sieg der EU-Gegner beim Referendum in der Vorwoche schien Boris Johnsons Weg an die Parteispitze der Konservativen und damit ins Amt des britischen Regierungschefs vorgezeichnet: Auf den Posten, den David Cameron nach der Niederlage der EU-Befürworter schon in den nächsten Wochen verlassen wird. Johnson, der seit Jahren als Nachfolger Camerons gehandelt wird, galt als Favorit und stärkste Waffe der Konservativen für die seit dem "Nein" zur EU allgemein erwarteten Neuwahlen.

Die oppositionelle Labour-Partei zerfleischt sich gerade im Streit um ihren Chef Jeremy Corbyn selbst. Nichts einfacher also, als die ohnehin im Raum stehenden Neuwahlen im Herbst, voranzutreiben, und mit dem auch bei Arbeitern beliebten Johnson einen sicheren Sieg einzufahren. Die Vormachtstellung der konservativen Tories sollte so auf weitere Jahre gesichert werden.

Attacken gegen Boris

Doch der Plan, von politischen Strategen im Umfeld der Tories , in den vergangenen Tagen intensiv kolportiert, verlor an diesem Donnerstag seine Zentralfigur. Boris Johnson nahm sich in einer überraschenden Kehrtwende aus dem Spiel. Er werde, erklärte er nach einer Rede voll von Eigenlob, sich nicht um das Amt des Partei - und damit Regierungschefs bewerben. Die EU-Gegner verlieren ihre populäre Führungsfigur. Umso schwerer wird es werden, die voraussichtlich zähen und langwierigen Verhandlungen mit der EU im Anschluss als Erfolg zu verkaufen.

Dem Abgang voraus gegangen war die Kandidatur eines anderen führenden Tories: Justizminister Michael Gove. Der überzeugte EU-Gegner hat sich als erstes Mitglied der Regierung Cameron in der EU-Debatte offen gegen den Premier gestellt, dessen enger Verbündeter er lange war. Gove wurde überraschend wichtigster Mitstreiter Boris Johnsons bei der Kampagne der EU-Gegner.

Ein Pakt, den der Justizminister mit seiner Kandidatur am Donnerstag aufkündigte – und das mit einem Paukenschlag. Das Land brauche eine "kühnen Bruch mit der Vergangenheit" präsentierte sich der EU-Gegner als entschlossener Reformer, um im selben Atemzug seinen bisherigen Partner brutal zu attackieren. Eigentlich, so der als uncharismatischer Sachpolitiker geltende Gove, habe er die Kandidatur Johnsons unterstützen wollen, "doch dieser habe nicht die nötigen Führungsqualitäten".

"Brexit bleibt Brexit"

Gegen Gove ins Rennen geht eine eigentlich überzeugte EU-Befürworterin, Innenministerin Theresa May. Die enge Vertraute des Premiers kündigte auch am Donnerstag ihre Kandidatur an und machte deutlich, dass sie an dem im Referendum entschiedenen Austritt aus der EU festhalten werde: "Brexit bleibt Brexit". Neuwahlen noch im Herbst, über die seit dem EU-Referendum von allen britischen Medien öffentlich spekuliert wird, schloss May vorerst aus.

Parteistreit beenden

Insgesamt sind fünf Kandidaten im Rennen um die Cameron-Nachfolge. Ein klarer Favorit ist nicht absehbar. Da der neue Chef von den Parteibasis gewählt wird, ist ein Ergebnis nicht vor Anfang September zu erwarten. Der erste große Auftritt des neuen Partei- und Regierungschefs ist dann der Parteitag Anfang Oktober.

Genau zur selben Zeit tritt auch der Labour-Chef bei seinem Parteitag auf. Dass das noch Jeremy Corbyn sein wird, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Zwar will der umstrittene Vertreter des linken Parteiflügels seinen Posten partout nicht räumen, doch rund um ihn ist es ziemlich einsam geworden. Nachdem sein Führungsteam fast zur Gänze zurückgetreten ist und sich kaum Ersatz für die Dutzenden Abgänge finden lässt, gilt Corbyn in der Parteiführung als isoliert. Er selbst aber setzt auf die Parteibasis, die ihn erst im Vorjahr in einer Revolte gegen die Parteispitze zum Chef gemacht hat. Inzwischen aber tauchen bereits erste Gegenkandidaten auf, etwa die Gewerkschafterin Angela Eagle. Ihr wichtigstes Versprechen: Die Partei wieder zu einen.

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