USA in Syrien - eine Geschichte des Scheiterns

Türkische Panzer auf dem Weg an die Grenze, die jetzt zur Front geworden ist – die USA decken Ankara den Rücken.
Syrien: Mit der Abkehr von den Kurden und der Rückendeckung für die Türkei verprellen die USA ihren einzigen echten Alliierten

Die USA bekommen in der Syrien-Krise die Füße nicht und nicht auf den Boden. Es ist ein knapper Satz in Vizepräsident Joe Bidens Statement vom Mittwoch in Ankara, mit dem Washington nun dem einzig wirklichen Verbündeten in dem Konflikt einen Schlag in die Magengrube verpasst hat: Jener, im Befehlston als Drohung kommunizierter Sager, über den Rückzug kurdischer Milizen auf das östliche Ufer des Euphrat. Laut US-Außenminister John Kerry hat der bereits auch begonnen – so wie der Türkei versprochen. Nur wollen die kurdischen Verbände vor Ort davon nichts wissen.

Drei Monate hatte man auf die Eroberung der Stadt Manbij vom IS erst vor zwei Wochen hingearbeitet – unter erheblichem Blutzoll. Die YPG, die dominierende militärische Kraft in der Militärallianz der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) verlautete in einem Statement entsprechend, sich der amerikanischen Anordnung nicht beugen zu wollen. Viel eher bekundeten lokale Kommandanten auch der SDF, man bereite sich auf eine Offensive auf die Stadt Jarabulus vor, die türkische und mit ihnen verbündete Verbände am Mittwoch erobert hatten. Ein amerikanischer Freiwilliger bei den SDF sprach von „Verrat“ der USA an den Kurden. Ähnlich lauten diverse Kommentare seitens kurdischer Militärs, Politiker und auch Medien.

USA in Syrien - eine Geschichte des Scheiterns
Die Ironie an der Sache: Die SDF waren bisher der von Washington in höchsten Tönen gelobte vor allem aber einzige vertrauenswürdige Verbündete der USA in Syrien. Sie wurden logistisch wie personell mit Spezialkommandos und auch aus der Luft im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ unterstützt. Jetzt merken kurdische Feldkommandanten ironisch an, dass die amerikanischen Jets, die bisher die SDF-Offensiven unterstützt hatten, nun für die türkische Offensive am westlichen Euphrat-Ufer bomben. Und diese Offensive – soviel ist nach dem ersten Tag völlig klar – richtet sich vor allem gegen die kurdische Selbstverwaltung im Noden Syriens – und damit gegen die SDF.

Der IS hingegen, hat die Stadt Jarabulus anscheinend kampflos aufgegeben. Kurdische Medien sprechen sogar davon, die Stadt sei in Absprache mit der Türkei übergeben worden – als Hinweis dafür wird angeführt, dass es in der Stadt anscheinend keine Hausdurchsuchungen gab. Twittermeldungen aus dem IS-Umfeld bestätigten jedenfalls einen kampflosen Abzug schon vor Tagen.

Und so kam es infolge des raschen Rückzuges des IS auch bereits zu ersten Kämpfen zwischen der türkischen Allianz aus Armee und überwiegend konservativen syrischen Rebellengruppen der Freien Syrischen Armee (FSA) und den SDF – also an sich zwei US-Verbündeten. Noch am Mittwoch hatte aus dem US-Außenministerium geheißen, man arbeite intensivst daran, genau das zu verhindern.

Rote Linie und C-Waffen

Sollten den USA nun aber die Kurden als Verbündete wegbrechen, hätten sie praktisch keinen Hebel mehr in der Region. Die zunächst favorisierte FSA die seit jeher eher einem Haufen rivalisierender Gruppen glich als einer Armee, ist zu einer irrelevanten militärischen Formation geworden. Viele Gruppen schlossen sich dem El-Kaida-Ableger in Syrien Al-Nusra an, der sich zuletzt organisatorisch nicht aber ideologisch von El-Kaida lossagte und heute Jabat Fateh al-Sham heißt. Amerikanische Waffenlieferungen an verbündete Rebellen landeten in Regelmäßigkeit in späterer Folge bei Al-Nusra.

Eine groß angelegte Ausbildungsmission wiederum verlief im Nichts. Eine Einheit von 400 von den USA in der Türkei ausgebildeten und bewaffneten Kämpfern (Division 30) wurde gleich nach Überquerung der Grenze nach Syrien sofort aufgerieben. Die allermeisten ergaben sich und händigten ihre Waffen der Al-Nusra-Front aus. Abgesehen von punktuellen Waffenlieferungen existiert heute wohl nur noch eine US-trainierte Einheit in Syrien: Die Neue Syrische Armee (NSA), die im Südosten Syriens ein winziges Gebiet hält und gegen den IS verteidigt.

Die ganze Geschichte der USA im syrischen Bürgerkrieg gleicht einem vom Ratlosigkeit geprägten Schlingerkurs. Zu Beginn jener Demos, die sehr schnell blutig umschlugen war es der US-Botschafter in Syrien, der mit einem Besuch bei Protesten Hoffnungen schürte. Danach war es US-Präsident Barack Obamas „Rote Linie“ des Chemiewaffeneinsatzes, deren Überschreiten ohne die angedrohten Folgen (US-Luftschläge) blieb. Heute scheint die US-Politik den Ereignissen planlos nachzuhecheln. Und just am Mittwoch kam eine UN-Kommission zu dem Schluss, dass IS ebenso wie syrische Armee C-Waffen verwenden. Obwohl Syrien nach Übereinkunft mit Washington alle C-Waffen ausgehändigt haben müsste. Das was damals das Zugeständnis Damaskus‘, um die angedrohten Luftschläge abzuwenden.

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