Russische Kriegsschiffe kreuzen vor Australien

Der Raketenkreuzer „Warjag“ nahm Kurs auf Australien
Vor dem G20-Gipfel zeigt Putin Präsenz. In der Ukraine ist die Waffenruhe vor dem Kollaps.

Müssen wir uns Sorgen machen?“, fragen sich derzeit australische Fernseh-Moderatoren. Grund ist eine Machtdemonstration Russlands: Moskau hat vier Kriegsschiffe seiner Pazifikflotte vor die Küste Australiens verlegt. Die Royal Australian Navy beobachte die Lage, teilte das Verteidigungsministerium in Canberra mit.

Russische Kriegsschiffe kreuzen vor Australien
Police patrol the Brisbane River alongside the G20 Leaders' Summit venue in Brisbane, November 13, 2014. Leaders of the top 20 industrialized nations will gather in Brisbane for their annual meeting. REUTERS/Jason Reed (AUSTRALIA - Tags: POLITICS BUSINESS)
An diesem Samstag (15. November) beginnt das Treffen der 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) in der Küstenstadt. Auch KremlchefWladimir Putin wird bei dem zweitägigen Gipfel erwartet. Australische Zeitungen widmeten den Schiffen ganze Seiten und zeigten Fotos von Putin in verschiedenen Uniformen.

Die russischen Schiffe kreuzten außerhalb des australischen Hoheitsgebiets. „Die Bewegung dieser Schiffe steht völlig im Einklang mit den Vorschriften der internationalen Gesetze, wonach sich Militärschiffe in internationalen Gewässern frei bewegen können“, teilte das australische Ministerium mit. Es sei nicht das erste Mal, dass Russland bei Gipfeltreffen mit seiner Marine präsent sei. Russland hatte angesichts der schwersten Krise mit dem Westen seit Ende des Kalten Krieges zuletzt auch Langstreckenbomber weit über seine Grenzen hinaus geschickt, um militärische Stärke zu demonstrieren. Die Schiffe – darunter der Raketenkreuzer „Warjag“ und das große U-Boot-Abwehrboot „Marschall Schaposchnikow“ – waren von Wladiwostok im äußersten Russland bereits im Oktober gestartet.

Missstimmung

Kommentatoren werteten die Anwesenheit der Kriegsschiffe als Moskaus „Gruß“ an den Gastgeber Brisbane. Der australische Regierungschef Tony Abbott wollte wegen Russlands Politik im Ukraine-Konflikt Putin vom G20-Gipfel ausladen. Die Zeitung Courier Mail argwöhnte, dass der Russe verärgert sei über Abbott.

Abbott hatte von Putin beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) am Dienstag eine Entschuldigung gefordert für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 im Juli im Kriegsgebiet Ostukraine. Russland weist jede Beteiligung zurück und verlangt, die Ergebnisse der internationalen Untersuchung der Tragödie abzuwarten. Bei dem Absturz starben 298 Menschen, darunter Dutzende Australier.

Ukraine: Das Schlimmste zu befürchten

Das schlechte Verhältnis zum Westen ist das Resultat der Ukraine-Krise. Dort stehen die Zeichen erneut auf Sturm: Die knapp zwei Monate alte Waffenruhe im Osten droht nach Einschätzung sowohl der UNO als auch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammenzubrechen. Gleichzeitig verstärken sich Vorwürfe an die Adresse Moskaus, es beliefere die Separatisten in der Ostukraine mit schweren Waffen und schicke Soldaten zur Unterstützung. Die USA überlegen, weitere russische Politiker auf die Sanktionsliste zu setzen.

Russland wiederum fordert das Ende der Sanktionen: Für eine Normalisierung der Beziehung müsse der Westen die Strafmaßnahmen aufheben, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew am Donnerstag.

Doch für das US-Außenministerium sind das keine stichhaltigen Argumente: Die USA beziehen sich auf NATO-Berichte über massive Truppenbewegungen Russlands. Kolonnen mit russischen Panzern, Artillerie, Luftabwehrsystemen und Kampftruppen bewegten sich in der ostukrainischen Unruheregion, sagte NATO-Oberbefehlshaber Philip Breedlove in Sofia. Moskau schüre den Konflikt weiter. Russland wies die Vorwürfe scharf zurück. Die Anschuldigungen seien "nichts als heiße Luft", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. "Das alles basiert nicht auf Fakten." Die Separatisten widersprachen ebenfalls Berichten über militärische Unterstützung aus Russland. Bei den Konvois, die unter anderem von OSZE-Beobachtern gesehen wurden, handle es sich um Kolonnen der Aufständischen und nicht um russische Truppen, sagte Separatistenführer Boris Litwinow in Donezk.

Die Waffenruhe gebe es "mehr und mehr nur noch auf dem Papier", sagte OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier am Mittwoch in Brüssel. Die Separatisten haben nach Einschätzung der OSZE zuletzt deutliche Geländegewinne erzielt. Die prowestliche Zentralregierung in Kiew teilte mit, sie bereite sich auf eine neue Offensive der moskautreuen Separatisten vor. Dazu hätten die Aufständischen in den vergangenen Tagen Verstärkung aus Russland erhalten, behauptete Verteidigungsminister Stepan Poltorak.

Dass der Waffenstillstand zwischen den Separatisten in der Ostukraine und der ukrainischen Regierung den Konflikt einfrieren würde, war die Optimistischste aller Hoffnungen. Es sieht nicht danach aus, als würde sie erfüllt werden. Seit einer Woche toben an mehreren Stellen entlang der Frontlinie zwischen den Konfliktparteien wieder schwere Gefechte. Vor allem der Flughafen von Donezk ist umkämpft. In Kiew spricht man von massiver Verstärkung aus Russland, die die Separatisten erhalten hätten. Gesichtet wurde eine Fahrzeugkolonne (43 Fahrzeuge ohne militärische Kennzeichnung) mit schweren Waffen auch von Beobachtern der OSZE. Die NATO bestätigt solche Berichte. Es handle sich um Beute-Stücke, sagen die Separatisten.

In der Region aber und auch in der gesamten Ost- und Südukraine herrscht die Befürchtung, dass der Konflikt nicht nur hochkochen, sondern sich noch mehr ausweiten könnte. Auf dem Tisch liegen drei Szenarien.

1. eine russische Offensive Angesichts der Aufrüstung und Unterstützung der Separatisten durch Russland (wie es westliche Quellen oder auch Kiew sehen) oder durch Beute-Stücke und Freiwillige (wie es die Separatisten darstellen) sprechen nun selbst Quellen im russischen Lager von einer möglichen Großoffensive nach Westen, um die Landbrücke auf die chronisch unterversorgte Krim zu schlagen oder sogar bis nach Odessa. Ein solcher Schlag wäre laut Militärs wohl aber nur durch Luftunterstützung möglich – und damit nur durch offene Hilfe Russlands.

2. ein ukrainischer Vorstoß Vor allem seitens der ukrainischen Führung war wiederholt beteuert worden, man werde die Krim zurückholen. Realistisch betrachtet (ausgehend vom Zustand der ukrainischen Armee) ist das nicht mehr als politisches Paukenspiel – außer die Versorgungslage lässt die Stimmung auf der Krim radikal kippen. Zumindest die anfängliche Euphorie über den Anschluss an Russland scheint jedenfalls verflogen. Und in der Ostukraine: Nach den Erfahrungen der Sommer-Offensive (die massive Unterstützung über die Grenze hinweg zur Folge hatte) käme ein neuerlicher Vorstoß wohl Harakiri gleich.

3. "Frozen Conflict" Eine Rückkehr zu der Waffenstillstandsvereinbarung vom 5. September scheint unrealistisch. Ein neues Abkommen ist derzeit nicht in Reichweite.

Gemunkelt wird außerdem, wie sich die westlichen Staaten gegenüber Russland verhalten oder verhalten würden. In einem Interview mit dem Spiegel deutet Ex-US-Außenminister Henry Kissinger an, dass vor allem die USA in Sachen Ukraine Russland nicht verärgern sollten und wollten, weil man Moskau für eine Einigung im Atomstreit mit dem Iran und in Nahost brauche. Der österreichische Ex-Spitzendiplomat Albert Rohan glaubt das nicht. Moskau, so sagt er gegenüber dem KURIER, habe zum einen ein reges Interesse daran, dass sich der Klub der Atommächte nicht ausweite; zum zweiten mache Russland durch die Verhandlungen mit dem Iran gute Geschäfte im Nuklearsektor. Wie weit Putin letztlich bei seinem Versuch, die Ukraine wieder in die Einflusszone Russlands zu ziehen, gehen werde, wisse niemand, so Rohan. Auch das finale Ziel seiner Pläne kenne man nicht, so der Ex-Diplomat.

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