Die Helden und Gewinner

Sie prägten das außenpolitische Jahr - die außergewöhnlichsten Menschen 2014.

Man muss kein altgedienter Staatsmann sein, um politische Spuren zu ziehen. Ausgerechnet zwei Teenager haben heuer bewiesen, dass mit Unerschrockenheit, Entschlossenheit und dem Willen, die Welt ein Stückchen zu verbessern, sehr viel zu bewegen ist: Friedensnobelpreisträgerin Malala und der für demokratische Grundrechte in Hongkong kämpfende 18-jährige Joshua Wong zählen zu den Aufsehen erregendsten politischen Köpfen des Jahres 2014. In unserer KURIER-Wertung nehmen die beiden Jugendlichen deshalb die obersten Ränge ein.

Die Helden und Gewinner
Unverändert im Ranking der positiven Gestalter der Welt ist auch heuer Papst Franziskus. Zu den Gewinnern 2014 reiht der KURIER den neuen EU-Kommissionschef Juncker und den jungen italienischen Premier Renzi. Sie setzten sich auf ihrem Weg nach oben durch, ließen aber auch schon anklingen, wie notwendige Reformen tatsächlich umgesetzt werden könnten.

Die Menschen des Jahres 2014: Welche Persönlichkeiten das ablaufende Jahr noch geprägt haben, lesen Sie hier.

Mit ihren 17 Jahren ist Malala Yousafzai die jüngste Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten. Die Freude der pakistanischen Schülerin über die Auszeichnung aber wurde bald getrübt.

Kaum eine Woche nach der Preisverleihung Anfang Dezember in Oslo stürmten radikal-islamische Taliban in Malalas Heimat Pakistan eine Schule und richteten unter den Kindern und Jugendlichen ein Massaker an. Über 140 Menschen mussten sterben. Und Malala, die vor zwei Jahren selbst ein Attentat der Taliban auf sie nur knapp überlebt hatte, sprach traurig in die Kameras: "Ich fühle mich, als ob mein Herz gebrochen wäre. Ich verurteile diese grauenhaften und feigen Taten."

Nach Pakistan können die 17-Jährige und ihre Eltern, die derzeit im britischen Birmingham leben, vorerst nicht zurück. Die Schülerin findet sich weiter auf der Todesliste der Taliban.

Denn die Schülerin steht für alles, was die radikalen Islamisten mit brutalster Gewalt bekämpfen: Entschlossenheit, Mut und vor allem Engagement für das Recht auf Bildung für alle Kinder. Schon als Elfjährige hat das Mädchen für die BBC einen Blog verfasst, wie es sich unter dem Terrorregime der Taliban lebt.

Weltweit populär

Ihre Popularität erzürnte die Gotteskrieger so sehr, dass sie Malala eines Tages im Schulbus abwarteten und ihr in den Kopf schossen. Sie überlebte – und beschloss nach ihrer Genesung, sich nicht den Mund verbieten zu lassen und umso entschlossener für ihre Sache zu kämpfen.

Gewandt und professionell bewegt sie sich mittlerweile auf der internationalen politischen Bühne. Ihre Popularität nutzt sie, um unentwegt darauf aufmerksam zu machen, dass alle Kinder, und ganz besonders alle Mädchen, das Recht haben sollen, eine Schule besuchen zu dürfen.

Irgendwann wolle sie in ihre Heimat Pakistan zurückkehren, sagte Malala. Und die Ziele der Teenagers sind nicht gerade klein: "Ich will Premierministerin von Pakistan werden." Dank der Verve, mit der Malala bisher kämpfte, ist ihr auch das zuzutrauen.

Eigentlich platziert das renommierte Time Magazine lieber prominente Köpfe auf seiner Titelseite, wenn es um die Wahl zur Persönlichkeit des Jahres geht. Diesmal hatte man sich für Jerry Brown, Leiter einer Klinik in Liberia, entschieden. Doch nicht den Mediziner alleine hatte die Redaktion gewählt, sondern all die Hunderten Helfer, die mit ihm gekämpft hatten – gegen eine Krankheit, die Afrika seit Langem kennt, sie aber noch nie auf so schreckliche Weise erlebt hat: Ebola.

Im Frühjahr 2014 war die Seuche in Westafrika ausgebrochen, doch die UN-Weltgesundheitsbehörde WHO war zu verstrickt in ihre eigene Bürokratie, um konsequent zu reagieren. Andere aber handelten. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schickten ihre Leute mitten in die Katastrophenzone, oft unzureichend geschützt. Manche bezahlten den Einsatz mit dem Leben, doch zuletzt haben sich all die Opfer gelohnt. Die Ebola-Epidemie erscheint zu Jahresende weitgehend eingedämmt.

Schritt für Schritt hat sich der Christlichsoziale Jean-Claude Juncker (59) an die Spitze der EU-Kommission hochgearbeitet. Der frühere Premier Luxemburgs setzte sich im Mai als Spitzenkandidat bei den Europawahlen gegen seinen sozialdemokratischen Konkurrenten Martin Schulz durch. Dann bekam der EU-Veteran, seit 30 Jahren auf der Brüsseler Bühne, die Unterstützung der meisten Staats- und Regierungschefs und des Europaparlaments. Doch nur wenige Tage nach Amtsantritt erschütterten Enthüllungen über Steuerpraktiken in Luxemburg die neue Kommission. Juncker musste sich einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen, das er aber mühelos überstand.

Der Jesuit ist nicht nur der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri, er brachte auch einen neuen Stil in den Vatikan. Seine Bescheidenheit, sein fröhliches Auftreten und seine Klarheit, wenn es um ethische Grundfragen wie jene der Menschenrechte geht, weckten bei vielen Menschen lange vergessene Sympathien für die Kirche. Der Papst reist gern und meidet dabei auch heikle Kontakte, wie etwa zur Palästinenserführung, nicht. Er nützt Auftritte vor politischen Institutionen wie dem EU-Parlament auch, um diese an ihre moralischen Verpflichtungen zu erinnern. Bei der Reform seiner Kirche kommt der 78-Jährige zwar langsamer voran als erhofft, aber er hält konsequent Kurs.

Er ist der erste Politiker aus den "neuen" EU-Staaten, der es in ein EU-Spitzenamt geschafft hat – und das mit eher bescheidenen Englischkenntnissen. Für den ehemaligen polnischen Premier Donald Tusk (57) wurde mit dem Wechsel auch der Traum wahr, ungeschlagen von der politischen Bühne seines Landes abzutreten. Der Kaschube mit dem guten Draht zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel ist ein überzeugter Europäer, aber auch ein Pragmatiker. Vor 25 Jahren gehörte Tusk zu jenen, die in Polen nach dem Ende des Kommunismus die EU-Mitgliedschaft vorantrieben. Die neue Aufgabe als EU-Ratspräsident zeigt auch: Polen ist vollends in Europa angekommen.

In seinen ersten Monaten als Regierungschef hat Matteo Renzi (39) viel bewegt, stieß aber auch auf teils heftige Widerstände. Für seine Arbeitsmarktreform bekam Renzi – im Februar durch einen von ihm ausgelösten parteiinternen Putsch an die Macht gekommen – international viel Lob. Angetreten ist Renzi als "Verschrotter" der alten politischen Garde. Seitdem hat der energiegeladene Jurist zahlreiche Reformen angestoßen, bei der Europawahl einen klaren Sieg geholt und Federica Mogherini als neue EU-Außenbeauftragte durchgesetzt. Oft kämpft Renzi mit Gegenwind der Gewerkschaften, die wenigsten seiner Pläne sind bereits ganz umgesetzt.

Wenige Monate nach seinem Wahlsieg reiste Indiens Premier Narendra Modi (64) in die USA. Im Central Park in New York sprach er bei einem Festival zu 60.000 Amerikanern. Das war nicht immer so: Bis zu seinem Wahlsieg im Mai durfte Modi nicht einmal in die USA einreisen. Ihm war das Visum verweigert worden, weil 2002 im indischen Bundesstaat Gujarat bei Unruhen mindestens eintausend Menschen – hauptsächlich Muslime – getötet wurden, während Modi dort Regierungschef war. Als Indiens neuer Premier schlägt der Hindu-Nationalist gemäßigtere Töne an. Er konzentriert sich darauf, die schwächelnde Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Joshua Wong ist eines der bekanntesten Gesichter der Demokratiebewegung in Hongkong. Der 18-Jährige wurde neun Monate nach der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China geboren. Er steht für die neue Generation, die Pekings kommunistische Führer mit der Forderung nach freien Wahlen herausfordert. Seit mehr als drei Jahren ist der junge Aktivist politisch engagiert. Erste Erfolge feierte seine 2011 gegründete Gruppe "Scholarism", als sie mit Massenprotesten Pekings Pläne für eine "patriotische Erziehung" in Hongkongs öffentlichen Schulen zu Fall brachte. Der umtriebige Schüler wird bis nach Peking noch viel von sich hören lassen.

Kommentare