Netanyahus Allianz hängt am seidenen Faden

Die Frist zur Regierungsbildung läuft heute, Mittwoch, ab: Netanyahu schmiedete mit Hochdruck an einer neuen Allianz.
Heute läuft "Bibis" Frist ab. Seine Koalition steht – ist aber nur mit einer Stimme abgesichert.

Keine 48 Stunden vor Auslaufen der gesetzlichen Verhandlungsfrist schwanden für Israels Premier Benjamin "Bibi" Netanyahu die Chancen, seinen klaren Sieg an der Urne in eine klare Regierungsmehrheit umzusetzen. Dafür sorgte der überraschende Rücktritt seines bisherigen Außenministers Avigdor Lieberman am Montag: "Wir stehen für Grundsätze und sind gegen politische Bestechung." Danach bleiben der neuen Koalition Netanyahus gerade noch 61 von 120 Abgeordneten. Was wie ein erneuter Polterauftritt des rechten Hardliners Lieberman aussieht, könnte sich auch diesmal langfristig als wohlbedachter Schritt erweisen.

Sogar in Liebermans Partei Zuhause-Israel fragten sich hohe Funktionäre, ob das Changieren "zwischen Opposition und Koalition in die Depression" führe? Anonym versteht sich. Kritik wird vom großen Vorsitzenden Lieberman im Parteivorstand streng und schnell geahndet. Wer seinen lockeren Umgang mit Millionenspenden und zypriotischen Bankkonten kritisierte, wurde über Nacht zur Nullnummer.

Hanan Krystal, Israels erfahrenster Parteienexperte, sah sofort die verborgene Chance: "In der Opposition rechts von der Regierung mit einem ausgesprochen säkularen Programm kann er in Neuwahlen wie ein rechter Phoenix aus der Asche dieser Regierung steigen."

Nicht das einzige Problem Netanyahus: Die ebenfalls rechte Partei Jüdisches-Haus hat noch nicht das neue Abkommen unterschrieben. Sie will das Puzzle um die Ministerposten jetzt neu aufmischen. Was Proteste der Partner nach sich ziehen muss, die bereits unterschrieben haben. Wobei keine Zeit für ausgiebige Verhandlungen bleibt. Die Frist zur Regierungsbildung läuft für Netanyahu Mittwochabend aus. Und Jizchak Herzog vom sozialdemokratischen Zionistischen Lager hätte durchaus Chancen, von links kommend ebenfalls eine 61-Stimmen-Koalition aufzustellen. Bliebe für Netanyahu noch die Öffnung zur Mitte. Aber sowohl Herzog wie der liberale Yair Lapid bekräftigten noch am Montag ihre Weigerung, einer neuen Großen Koalition Netanyahus beizutreten.

Kaum Chance auf Reformen

Mit nur einer Stimme Mehrheit hätte der designierte Finanzminister und neue Hoffnungsträger Israels, Mosche Kachlon, auch kaum eine Chance, seine versprochenen Reformen durchzusetzen. Jeder einzelne Abgeordnete kann jede einzelne Gesetzesinitiative scheitern lassen. Auch er könnte sich da in einer Mitte-Links-Koalition besser untergebracht sehen.

Wenigstens eine positive Folge gibt es aber: Liebermans rechte Vorwürfe gegen Netanyahu zeichnen diesen international als "Taube": Er sei für die Zwei-Staaten-Lösung. Er zaudere beim Bau von Siedlungen. Er verhindere harsche Gesetze à la Putin gegen die Opposition. Er finanziert die Palästinensische Autonomie. So können die Vorwürfe auch als letzter Freundschaftsdienst verstanden werden.

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