Letzte Umfrage: 53 Prozent gegen unabhängiges Schottland

Großbritannien bald ohne Schottland?
Die Schotten an der Wahlurne: Nach 307 Jahren im Königreich stimmt das Land über seine Unabhängigkeit ab. Ergebnis ist völlig offen.

Should I stay or should I go?" Der Hit der englischen Punkrocker The Clash könnte heute nicht passender sein – seit 8 Uhr mitteleuropäischer Zeit sind die Schotten an die Wahlurnen gerufen, um über ihre Unabhängigkeit zu entscheiden. Mehr als vier Millionen Stimmberechtigte können für oder gegen eine Loslösung von Großbritannien votieren – und das Rennen ist bis zuletzt offen: In den letzten Umfragen vor dem großen Tag lagen die Gegner einer schottischen Unabhängigkeit erneut nur ganz knapp vor dem "Ja"-Lager. So würden 47 Prozent dafür und 53 Prozent dagegen stimmen, berichtet der britische Guardian.

Obama plädiert für Einheit

Letzte Umfrage: 53 Prozent gegen unabhängiges Schottland
A "Yes" placard sits on a hillside on the Isle of Lewis in the Outer Hebrides September 13, 2014. The referendum on Scottish independence will take place on September 18, when Scotland will vote whether or not to end the 307-year-old union with the rest of the United Kingdom. REUTERS/Cathal McNaughton (BRITAIN - Tags: POLITICS ELECTIONS ENVIRONMENT)
Es ist also alles offen, bis zuletzt buhlten beide Lager um die Unnetschlossenen: Der schottische Regierungschef Alex Salmond nannte die Unabhängigkeit "unsere Chance des Lebens". Der frühere britische Premierminister Gordon Brown appellierte hingegen an die Schotten, im Königreich zu bleiben. Auch US-Präsident Barack Obama plädierte via Twitter für die Einheit Großbritanniens.

"Ich hoffe, es bleibt stark, robust und vereint", schrieb Obama - unterzeichnet war der Eintrag mit der Abkürzung "bo", die immer dann verwendet wird, wenn die Äußerung vom US-Präsidenten selbst und nicht von seinem Presseteam stammt. Die US-Regierung hatte bereits in den vergangenen Tagen ihre Unterstützung für einen Verbleib Schottlands in Großbritannien erkennen lassen.

10 Fragen: Was wird aus Schottland?

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Menge skandiert "Yes, we can"

"Yes, we can" rief auch die Menge vor Unabhängigkeitsbefürworter Salmond – der schwor seine Anhänger am Mittwochabend mit dem von Obama entlehnte Slogan auf die Loslösung von England ein. "Das ist unsere Chance des Lebens und wir müssen sie mit beiden Händen ergreifen", rief er seinen Anhängern zu. Die Menge schwenkte schottische Flaggen: "Das ist der größte, mächtigste Moment, den jeder von uns je haben wird." Dennoch sicherte Salmond zu, das Ergebnis mit Würde zu tragen und zu akzeptieren, sollte es nicht zu seinen Gunsten ausgehen.

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Former British Prime Minister Gordon Brown speaks at a 'No' campaign rally in Glasgow, Scotland September 17, 2014. The referendum on Scottish independence will take place on September 18, when Scotland will vote whether or not to end the 307-year-old union with the rest of the United Kingdom. REUTERS/Dylan Martinez (BRITAIN - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Auch das "Nein"-Lager hatte am Mittwoch noch einmal eindringlich an die Schotten appelliert, im Königreich zu bleiben. So sagte der frühere britische Premierminister Gordon Brown (Foto) bei einer Veranstaltung in Glasgow: "Wir haben gemeinsam zwei Weltkriege ausgefochten." Es gebe keinen Friedhof in Europa, auf dem Schotten, Engländer, Waliser und Iren nicht Seite an Seite liegen würden. Im Kampf sei die Herkunft auch nicht entscheidend gewesen.

Die Wahlbüros schließen um 23.00 Uhr (MEZ). Es wird mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung gerechnet – das Ergebnis soll in den Nachtstunden vorliegen.

Ist Nessie ausgewandert?

In die ernsthaften politischen Diskurs mischt sich auch Unterhaltsames: Seit die Daily Mail vergangene Woche ein Foto druckte, das Nessie im Windermere-See in der nordenglischen Grafschaft Cumbria zeigen soll, wird hitzig über die politische Positionierung der sagenumwobenen Kreatur gestritten - man mutmßat sogar, sie sei nach England ausgewandert. Als ein weiteres Foto auftauchte, auf dem Nessie mit dem Schwanz ein "NO" formt, wertete der Daily Mirror dies als eindeutige Festlegung gegen die Abspaltung.

In Schottland wird dies aber nicht so humorvoll gesehen: Die nebligen Fotos und entsprechend windigen Interpretationen seien ein "verzweifelter Versuch der nationalen Zeitungen, die Unabhängigkeitsbefürworter zu diskreditieren", schimpfte der selbsternannte "Loch-Ness-Monsterjäger" Steve Feltham. Nessie sei neben dem Whisky und dem Hochland das schottische Wahrzeichen schlechthin. "Es ist ein ganz spezielles schottisches Mysterium, es hat keine Verbindung zu England", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Wenn überhaupt, dann würde das Ungeheuer Unabhängigkeit für Loch Ness fordern. "Das ist die einzige Welt, die Nessie kennt."

Der Wahltag in Bildern

Es ist die wichtigste politische Entscheidung auf den britischen Inseln seit Langem – und wenn man den letzten Umfragen glaubt, könnte sie mehr als knapp werden. Gegner und Befürworter der Unabhängigkeit lagen bis zum heutigen Tag des Referendums Kopf an Kopf. Für Angus Robertson, Fraktionschef der regierenden Nationalisten und eine der gewichtigsten politischen Stimmen der Unabhängigkeitsbewegung, ist ein freies Schottland ohne Bevormundung durch London auf jeden Fall die einzige zukunftsträchtige Perspektive. Warum, erklärte er dem KURIER in Edinburgh.

KURIER: Viele Unternehmer drohen mit der Abwanderung, falls Schottland unabhängig wird. Wie groß ist die Gefahr einer wirtschaftlichen Krise?

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Konrad Kramar Interview
Angus Robertson:Die "Nein"-Bewegung hat bis zuletzt nur mit Angstmache und Drohungen um Stimmen geworben. Aber das ist die wichtigste Entscheidung für Schottland seit 300 Jahren. Ist dagegen die Unzufriedenheit einzelner Unternehmer nicht kleinlich? Außerdem haben dieselben Firmen schon vor 35 Jahren, beim letzten Referendum, mit Abwanderung gedroht.

Aber ist ein Verbleib bei Großbritannien wirtschaftlich nicht die bessere Alternative als der Alleingang?

Wir haben die größten Ölvorkommen Europas, und trotzdem lebt ein Fünftel unserer Kinder in Armut. Wenn uns also London jetzt droht, dass einem unabhängigen Schottland eine düstere wirtschaftliche Zukunft droht, dann ist das wohl ein Witz.

War nicht ursprünglich nur eine vollständige Autonomie Schottlands ihr Ziel? Warum jetzt ein eigener Staat?

Wir haben genau diese Autonomie London vor Jahren vorgeschlagen. Wir wollten das als dritte Möglichkeit auf dem Stimmzettel. Doch die Regierung Cameron wollte davon nichts wissen. Dass sie uns jetzt fünf vor zwölf mit Autonomie-Angeboten ködern wollen, ist jämmerlich. Außerdem ist das Angebot weit von der Autonomie entfernt. Das enthält gerade einmal die Hoheit über 20 Prozent der Steuern.

Warum wollen Sie eigentlich unbedingt das britische Pfund behalten?

England ist unser wichtigster Handelspartner und wir sind für sie der Zweitwichtigste. Es daher einfach sinnvoll, eine gemeinsame Währung zu haben. Das muss man doch gerade als Österreicher mit dem großen Nachbarn Deutschland gut verstehen. London droht uns jetzt, dass wir das Pfund nicht behalten dürfen. Zugleich aber sagen maßgebliche Politiker hinter vorgehaltener Hand, dass das natürlich möglich ist. Ist das nicht ein Armutszeugnis?

Was unterscheidet Schottland eigentlich von England?

England steht viel weiter rechts als wir, wir denken viel sozialer. Auch mit der Europafeindlichkeit Londons haben wir nichts gemeinsam. Wir sehen uns als Teil Europas und sind und bleiben ein Einwanderungsland.

Wie sollen Beziehungen zu England in Zukunft aussehen?

Wir wollen gute Nachbarn bleiben. Das soll aber eine Freundschaft sein, die auf den politischen Realitäten des 21. Jahrhunderts basiert und nicht auf denen eines Imperiums aus dem 19. Jahrhunderts. Auch wenn wir uns politisch mehr an Skandinavien orientieren, leben wir mit den Engländern auch weiter gemeinsam auf einer Insel. Das heißt, wir können uns nicht einfach abkoppeln. Wir werden also nicht nach Grönland abdriften.

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