Präsident Erdogan will mehr Macht für sein Amt

Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatschef
Nur ein Präsidialsystem sei eine "Garantie für Stabilität und Sicherheit".

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will möglichst bald ein Referendum über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems abhalten lassen. Einen Tag nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte Erdogan am Freitag in Istanbul, nur ein Präsidialsystem sei eine "Garantie für Stabilität und Sicherheit".

Die entsprechende Verfassungsänderung müsse die neue AKP-Regierung "so schnell wie möglich zur Bestätigung unserem Volk vorlegen". Die Einführung eines Präsidialsystems ist Erdogans wichtigstes Ziel. Davutoglu hatte am Donnerstag seinen Rückzug als Ministerpräsident und Chef der Regierungspartei AKP angekündigt. Erdogan-Anhänger hatten Davutoglu vorgeworfen, die Einführung eines Präsidialsystems nicht entschieden genug vorangetrieben zu haben. Für ein Referendum über eine Verfassungsänderung ist eine 60-Prozent-Mehrheit im Parlament nötig, zu der der AKP derzeit 13 Sitze fehlen.

Absage an EU bei Reform von Antiterrorgesetzen

Erdogan erteilte der EU eine Absage bei deren Forderung nach einer Reform der türkischen Antiterrorgesetze. Er könne dies auch nicht als Vorbedingung für die Erteilung der Visafreiheit für türkische Bürger bei Einreise in die EU-Staaten akzeptieren. "Wir gehen unseren Weg, ihr geht Euren", sagte er bei einer live im Fernsehen übertragenen Ansprache.

Änderungen an den Antiterrorgesetzen gehören zu den 72 Kriterien, die von der Türkei für die Visafreiheit abgehakt werden müssen. Die EU-Kommission hatte vor wenigen Tagen erklärt, in einigen Bereichen müsse die Türkei noch die Bedingungen erfüllen. Die Antiterrorgesetze gehören dazu. Die türkische Justiz war unter den Gesetzen zur Terrorbekämpfung in den vergangenen Monaten unter anderem gegen eine Gruppe von Akademikern vorgegangen, die einen Protestaufruf gegen die Kurdenpolitik Ankaras veröffentlicht hatten.

Nach nur zwanzig Monaten wirft der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hin. Der 57-Jährige war erst im August 2014 zum Regierungs- und Parteichef der AKP als Nachfolger von Recep Tayyip Erdogan ernannt worden, der damals die Ämter aufgab, weil er zum Präsidenten gewählt wurde. Türkische Kommentatoren sind sich weitgehend einig, dass Davutoglu einen Machtkampf mit Erdogan verloren hat.

Jahrelang war Davutoglu der Chefberater Erdogans, als dieser noch Ministerpräsident und Vorsitzender der islamisch-konservativen AKP war. Er ist Professor der Politologie und gilt als Architekt der türkischen Ostorientierung. In seinem in der Türkei viel beachteten Buch mit dem Titel "Strategische Tiefe" betonte er, die Türkei müsse sich verstärkt den Nachbarstaaten zuwenden. Den wegen ihrer geografischen Lage sei die Türkei "kein eindimensionales Land" und orientiere sich an "mehrdimensionalen Identitäten", heißt es in dem Werk.

Er wurde im Mai 2009 zum Außenminister der AKP-Regierung berufen. Seine Anhänger nannten Davutoglu schmeichelhaft auch "Kissinger der Türkei".

Neuer Regierungschef seit 2014

Als einziger Kandidat wurde Davutoglu am 28. August 2014 auf einem Sonderparteitag in Ankara mit 100 Prozent der gültigen Delegiertenstimmen zum neuen Regierungschef gewählt. Nach einer Neuwahl im Oktober 2015, bei der sich die AKP die absolute Mehrheit wieder zurückholte, sprach er in einer vom Fernsehen übertragenen Rede davon, dass es die Mission der Regierung sei, eine "neue Türkei" aufzubauen, "die den jetzigen Zivilisationsgrad noch übertrifft".

Für die EU war Davutoglu in der Flüchtlingskrise der Verhandlungspartner auf der türkischen Seite. Er gilt als einer der Hauptarchitekten des Flüchtlingsdeals. Doch genützt hat es alles nichts. Lange Zeit als "Parteisoldat" und enger Weggefährte Erdogans wahrgenommen, galt Davutoglu zuletzt als sein Widersacher auf dem Weg zu einem Umbau der Türkei zur Präsidialrepublik. Erdogans Pläne für eine Verfassungsänderung zur Stärkung der Macht des Präsidenten unterstützte er nur zurückhaltend.

In den vergangenen Wochen war Davutoglu immer wieder auf Distanz zum autoritären Kurs Erdogans gegangen. Deshalb habe Erdogan ihn nun abserviert, kommentierten türkische Journalisten am Donnerstag. Davutoglu aber ließ keinerlei Feindschaft bei seiner Rede am Donnerstag zwischen ihm und den Staatspräsidenten erkennen. Im Gegenteil: "Ich bleibe dem Staatspräsidenten bis zu meinem letzten Atemzug treu, niemand wird aus meinem Munde ein kritisches Wort über den Staatspräsidenten hören. Die Würde des Staatspräsidenten ist meine Würde", sagte er.

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