Ein Amphitheater inklusive

Ramallah
Rawabi, die erste auf dem Reißbrett entworfene palästinensische Stadt, öffnet heuer.

In Washington sitzen wieder Israelis und Palästinenser und verhandeln. Doch der Frieden hat schon begonnen. Auf zwei Hügeln bei Ramallah – zu erwerben zum Stückpreis ab 60.000 Euro. Klingt übertrieben? Der Preis auf keinen Fall. Nur das mit dem Frieden hängt davon ab, wer gefragt wird.

Rawabi heißt der Ort im Westjordanland. „Doppelhügel“. Wo vor drei Jahren noch karges Gestrüpp wuchs, stehen jetzt breit in hoch-stöckigen Terrassen angelegte Rohbauten. Hier entsteht für 40.000 Einwohner eine neue palästinensische Stadt – die erste, die auf einem Reißbrett entworfen wurde. Ende des Jahres sollen die ersten 700 Familien einziehen.

„Wir träumen schon davon. Von hier oben sieht man bis Tel Aviv im Westen und Jordanien im Osten“, schwärmt Rania, eine palästinensische Lehrerin aus Ramallah mit flottem Kopftuch und hautengen Jeans. Ihr Mann Walid bearbeitet sein Smartphone. Bequem kauert er auf einem der eleganten Sessel im Verkaufscenter vor einem 3-D-Bild des Rawabi-Plans. Walid arbeitet als Arzt in einer Ost-Jerusalemer Klinik. „Das Geld für die Raten muss vom Konto meiner Frau in Ramallah überwiesen werden. Nur von palästinensischen Banken aus, so fordert es die palästinensische Regierung“, stöhnt Walid, dessen Gehalt auf eine israelische Bank überwiesen wird. So bleiben Käufer aus dem Ausland unter Kontrolle. „Als sei Ost-Jerusalem Ausland!“

Ein Amphitheater inklusive
Ramallah

Bashar Al-Massri, der Initiator des Projekts, zieht die Schultern hoch: „Die palästinensische Regierung bemüht sich“, meint der drahtige 48-Jährige, „sie hat aber einfach keine Erfahrung mit Großprojekten von diesem Umfang.“ Über seine internationale Investmentfirma Massar stemmte er fast eine Milliarde Euro für Rawabi. Vor allem mit privaten Anlegern aus Katar. „Noch viel schwieriger sind die bürokratischen Hindernisse der Militärverwaltung Israels“, meint Massri.

Offiziell zeigen sich israelische Stellen wohlwollend: „Floriert die Wirtschaft, bleibt es ruhig“, heißt es. An die 100 Millionen Euro fließen über Rawabi auch an israelische Firmen, erklärt Al-Massri. „Doch nur an solche, die nicht in den Siedlungen produzieren.“

Auch deshalb musste Rawabi fast fünf Jahre auf die Lizenz der israelischen Behörden für eine Zufahrt zur Stadt warten. Und diese muss nach einem Jahr wieder erneuert werden. Al-Massri lächelt nachsichtig: „Es gibt auch palästinensischen Widerstand. Denen sieht Rawabi zu sehr nach amerikanischer Unkultur aus.“

Amphitheater, Theater und Stadion gehören mit zur Planung und stehen schon im Rohbau. Von Kliniken und Schulen ganz zu schweigen. Yuppies wollen überall das Gleiche. Ob in Paris, Tokio, Moskau oder eben in Ramallah.

Ein Amphitheater inklusive

Keine roten Dächer

„Viele waren zu Beginn schockiert, weil sich unsere Baufahrzeuge in den Boden wühlten, wie beim Bau einer israelischen Siedlung“, lacht Al-Massri erneut, der mehrfach die jüdische Großsiedlung Modiin weiter westlich aufsuchte. „Vor allem aus deren Fehlern haben wir gelernt“, lacht er. Seinen Architekten schärfte er ein: „Keine roten Dächer.“

Rote Ziegel sind das Erkennungszeichen der israelischen Siedlungen – wie auf Sichtweite zu Rawabi am Hang gegenüber, im jüdisch bewohnten Ateret. Knapp 100 Siedler-Familien leben unter den roten Dächern oder auch in Fertigbauwohnungen. David Cohen gehörte zu den Gründern vor 31 Jahren. Mit dem palästinensischen Großprojekt so nahe bei Ateret kann er sich nicht anfreunden: „In Rawabi bauen die einen Terrorstaat auf Sichtweite zu Tel Aviv“, schimpft der graubärtige Mittfünfziger.

Schulbus

Avishai Misrachi vom Gemeinderat dämpft den Ton: „Eigentlich ist es gut, wenn die auch bauen. Doch da entsteht was ohne jede israelische Kontrolle.“ Er sieht die neue Straße für Palästinenser als Gefährdung. Da müsse auch der Schulbus mit seinen Kindern vorbei. Ein Hinterhalt, befürchtet er, wie geschaffen für bewaffnete Terroristen. „Und die Regierung will dafür israelisches Land an die Palästinenser geben.“ Er meint etwa drei Hektar öffentlichen Bodens an der neuen Kreuzung.

Das Dilemma des kleinen Ateret zeigt sich deutlich in den grünen Bergterrassen. Sonst umringen israelische Siedlungen palästinensische Städte. Hier wächst ein palästinensischer Riese heran, der israelische Siedlungen zu Zwergen macht. „Nur 40 Kilometer bis Tel Aviv. 20 Kilometer bis Nablus. 10 bis Ramallah. 70 bis Amman“, zählt Misrachi auf, „ein strategischer Punkt, der uns in alle Richtungen absperrt.“

Rania hingegen genießt vom Balkon des Verkaufscenters die Aussicht auf Israels Küstenebene. „Wenn aus Washington doch mal Frieden kommt, wird Shopping in Tel Aviv wieder einfach“, freut sich die palästinensische junge Frau. Walid wiederum träumt vom Strand, der seit den Intifada-Unruhen vor zehn Jahren für Palästinenser unerreichbar wurde.

Schnäppchen

Es dauert tatsächlich kaum 40 Minuten nach Tel Aviv-Jaffo. Elias, ein arabischer Nachbar, grinst, als er vom Besuch in Rawabi hört: Sein Neffe habe dort eine Wohnung gekauft– „als Wochenendbleibe“. Für arabische Staatsbürger Israels sind die Preise von Rawabi ein Schnäppchen. „Für Frieden werden wir einen höheren Preis zu zahlen haben“, glaubt Elias, „viele Siedler werden dann aus dem Westjordanland nach Israel zurückkommen. Dann kaufen sie ihre neuen Häuser, wo sie billig sind – also in unseren Vierteln.“

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