686 Bewerber, aber nur ein Präsident

Präsident Ahmadinejad könnte nach russischem Vorbild versuchen, einen Nachfolger zu installieren.

Wer im Iran Präsident und damit Nachfolger von Mahmoud Ahmadinejad werden will, muss einen Antrag beim Wächterrat stellen. Für die für den 14. Juni geplante Wahl haben nicht weniger als 686 Personen einen Antrag bei dem als Verfassungsgericht agierenden Gremium gestellt - nur wenige werden jedoch den strengen Ansprüchen der sechs Mullahs und sechs Juristen genügen und zur Wahl zugelassen werden. 2009 blieben von über 400 Anwärtern nur vier wählbare Kandidaten übrig.

Da theoretisch jeder iranische Staatsbürger ab 18 Jahren Staatschef werden kann, zählte die Bewerberliste 19-jährige Jungen genauso wie 87-jährige Greise. Auch Frauen versuchen einen Platz auf dem Stimmzettel zu ergattern: Insgesamt knapp 30 haben ein Ansuchen auf eine Kandidatur gestellt. Wie wohl davon auszugehen ist, dass der Wächterrat sie aufgrund ihres Geschlechts nicht zur Wahl zulassen wird.

Offiziell werden die Kandidaten nach Kriterien wie Loyalität zur Islamischen Republik oder der notwendigen Erfahrungen ausgesiebt - bis spätestens zum 23. Mai, einen Tag vor Beginn des Wahlkampfs, wissen die Iraner dann, bei welchen Kandidaten sie ein Kreuz machen können.

Zwickmühle

Nach acht Jahren an der Macht hatte der scheidende Präsident Ahmadinejad angekündigt, sich 2013 zugunsten einer wissenschaftlichen Karriere aus der Politik zurückzuziehen. Nicht jedoch, ohne zuvor einen möglichen Nachfolger, seine Schwager und Vertrauten Rahim Mashaei, in Stellung zu bringen. Bereits zu Wochenbeginn hatte der Wächterrat Ahmadinejads Engagement für Mashaei mit einem möglichen gerichtlichen Nachspiel und Peitschenhieben als Strafe verurteilt.

Mashaei ist genau wie Protegé Ahmadinejad beim mächtigsten Mann des Landes, Ajatollah Khamenei, in Ungnade gefallen, könnte aber - ganz in bester Putin-Medwedew-Manier - als "Platzhalter" für eine mögliche Wieder-Kandidatur Ahmadinejads in vier Jahren fungieren. Ein solcher Plan bedingt jedoch, dass Mashaei vom Wächterrat überhaupt zugelassen wird. Um ein ähnliches Chaos wie vor vier Jahren zu verhindern, wird erwartet, dass das Gremium nur Kandidaten zulässt, die Khamenei "abgesegnet" hat.

Dorn im Auge

Denn, Mashaei ist dem Ajatollah, wie auch dem restlichen Teil der konservativ-klerikalen Eliten, ein Dorn im Auge. Mashaei behauptet, wie auch Ahmadinejad, in direktem Kontakt zum Mahdi, dem verborgenen Imam (einer Art Erlöser), zu stehen. Da nach traditioneller Glaubens-Auffassung der Klerus nur solange die Geschicke der Kirche lenkt, bis der Mahdi aus der Verborgenheit wieder in Erscheinung tritt, stellt ein solcher Kontakt eine große Gefahr für die obersten Kirchenwächter des Landes dar.

Als möglicher Gegenkandidat zum klerikalen Establishment werden Mashaei jedoch für den Fall einer Zulassung gute Chancen eingeräumt. Zuvor müsste sich Mashaei jedoch in der Wählergunst einige andere aussichtsreiche Kandidaten hinter sich lassen.

Ayatollah Hassan ROHANI: Der Ex-Atomchefunterhändler (2003-2005) hat "Besonnenheit und Hoffnung" als seinen Wahlslogan auserkoren. Als Präsident will er ein Ende der internationalen Isolation des Landes erreichen. Unter seiner Leitung hatte der Iran 2005 sein Urananreicherungsprogramm kurzfristig eingestellt.

Der 1948 in Sorcheh im Zentraliran geborene Kleriker war 29 Jahre lang Abgeordneter und Vizepräsident des Parlaments. 1989 wurde er zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats ernannt.

Nach der überraschenden Kandidatur Rafsanjanis könnte Rohani seine Bewerbung zurückziehen.

Ayatollah Ali Akbar HASHEMI-RASANJANI: Der 78-jährige Politveteran ist derzeit Chef des Schlichtungsrates und war zwischen 1989 und 1997 Präsident.

Ex-Außenminister Ali Akbar VELAYATI: Der außenpolitische Berater Khameneis will die Außenpolitik "neu gestalten" und die wirtschaftliche Lage im Iran verbessern.

Der 67-Jährige hatte im Vorfeld seiner Registrierung Kritik an Ahmadinejads Atompolitik geübt und den Atomstreit als "lösbar" bezeichnet.

Mohammad Bagher GHALIBAF: Der Teheraner Bürgermeister gehört ebenfalls zu den Vertrauten Khameneis und gilt als ehemaliger Polizeichef als Hardliner im Atomstreit. Der 51-jährige Kritiker von Ahmadinejad plant im Falle seiner Wahl eine Koalition mit Velayati.

Die umstrittenen Holocaust-Aussagen Ahamdinejads bezeichnete Ghalibaf als "kontraproduktiv". Die "Kampagne für Menschenrechte im Iran" hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, ein sofortiges Reiseverbot für Ghalibaf zu erlassen, da sich dieser schweren Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht habe.

Saeed JALILI: Der ehemalige Bürochef Khameneis ist derzeit Chef des Nationalen Sicherheitsrates und Atomchefunterhändler. Der 47-jährige Diplomat verfolgt im Atomstreit eine unnachgiebige Position.

Der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien ist es am Mittwoch weiter nicht gelungen, den Iran davon zu überzeugen, Inspektionen in seinen Atomanlagen zuzulassen, um den Verdacht einer militärischen Dimension seines umstrittenen Atomprogramms auszuräumen. Bei den parallel in Wien und Istanbul laufenden Gesprächen wurde damit wieder kein Durchbruch erzielt.

Angesichts der kommenden Präsidentschaftswahlen am 14. Juni im Iran waren die allgemeinen Erwartungen hinsichtlich möglicher Fortschritte bei den Atomgesprächen gering."Wir haben heute intensive Diskussionen geführt aber keine Einigung über ein strukturiertes Dokument erzielt, über das wir jetzt schon eineinhalb Jahren verhandelt haben", sagte IAEA-Vizegeneraldirektor Herman Nackaerts nach einem achtstündigen Treffen mit der iranischen Delegation.

Dialog-Bereitschaft

Der iranische Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, sagte gegenüber der APA, der Iran habe "wieder einmal seine Bereitschaft gezeigt, mit der IAEA zu kooperieren." Vorschläge für Modalitäten zu einer Übereinkunft seien unterbreitet und die Vorarbeit hierfür geleistet worden. Bei der nächsten Verhandlungsrunde sollten diese Vorschläge dann besprochen und in einem Papier zusammengefasst werden, so Soltanieh.

Das Argument, dass vor den iranischen Präsidentschaftswahlen kein Durchbruch zu erwarten sei, wollte Soltanieh nicht gelten lassen. Die Atomverhandlungen hätten mit der Wahl am 14. Juni nichts zu tun, denn im Iran herrsche über die Linie hinsichtlich des Nuklearprogramms ein überparteilicher Konsens, betonte der Diplomat

"Unsere Bereitschaft zum Dialog ist ungebrochen", unterstrich Nackaerts. Allerdings müsse man sich eingestehen, dass "unsere besten Anstrengungen bisher nicht erfolgreich waren". Seitens der Verhandlungsdelegationen wurde kein Datum für weitere Verhandlungen genannt.

Taktik-Vorwürfe

Die USA, die Teheran beschuldigen, gegenüber der IAEA und den Weltmächten eine Verzögerungstaktik zu betreiben, erklärten, sie erwarteten, dass sich die IAEA an den UN-Sicherheitsrat wende und ihn dazu dränge, zusätzlich zu den bestehenden Sanktionen weitere Maßnahmen zu ergreifen. US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman sagte, seitens der IAEA müsse ein Punkt gesetzt werden, wo man sage: "Es geht so nicht weiter". Das könne im Juni oder September der Fall sein.

US-Finanzstaatssekretär David Cohen sagte am Mittwoch vor dem Außenausschuss des Senats, vom 1. Juli an werde der Verkauf von Gold an die iranische Regierung sowie an iranische Privatpersonen verboten, um zu verhindern, dass es zur Stützung der bereits stark eingebrochenen Währung benutzt wird.

Ortswechsel

Mittwoch Abend trafen sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der iranische Chefverhandler Saeed Jalili in Istanbul zu einem Abendessen, nachdem es auch bei dieser Verhandlungsrunde keinen Durchbruch gegeben hatte. Ashton, die die Gruppe 5+1 bzw. E3+3 (USA. Russland, China, Großbritannien, Frankreich plus Deutschland) vertritt, und Jalili, der bei den iranischen Präsidentschaftwahlen kandidiert, hatten auch bei den Gesprächen in Istanbul wie schon zuvor im April in Almaty keine greifbaren Fortschritte erzielt. Ashton und Jalili sprachen von einer "nützlichen Diskussion", nannten aber keinen Termin für eine weiterer Gesprächsrunde.

Bei den Verhandlungen in der kasachischen Metropole Almaty hatten die 5+1 Teheran vorgeschlagen, die umstrittensten nuklearen Aktivitäten zu stoppen. Als Gegenleistung sollten einige wirtschaftliche Sanktionen gelockert werden. Der Iran hatte das Angebot jedoch als unzureichend zurückgewiesen und seine Forderung bekräftigt, dass sein Recht auf Urananreicherung anerkannt werden müsse.

Israel und die USA haben mit möglichen Militärschlägen gegen den Iran gedroht, sollten die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Atomstreits keinen Erfolg zeigen. Teheran beteuert dagegen, dass seine nuklearen Aktivitäten ausschließlich zivilen Zwecken dienten. (apa)

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