Präsident Lukaschenko spielt ein doppeltes Spiel

Gewappnet? Lukaschenko fürchtet Umsturz im eigenen Land
Weißrusslands Diktator steht im kriegerischen Konflikt der Nachbarstaaten zwischen den Fronten.

Aleksander Lukaschenko, der Präsident Weißrusslands, kann sich im Nachbarland Ukraine als Erntehelfer feiern lassen. Die gewaltigen Mähdrescher können dort nun über die gewaltigen, fruchtbaren Felder rollen. Der Export von Treibstoff, der für die jetzige Erntezeit so entscheidend ist, soll nun doch nicht reduziert werden, erklärte Minsk hoch offiziell.

Dabei hatte der weißrussische Hauptexporteur Belorusneft BNK noch Anfang August angekündigt, die Ausfuhren in die Ukraine um 20 bis 30 Prozent zu senken. Dies wäre im Sinne Russlands, von wo der nötige Rohstoff, Erdöl, geliefert wird. Der Kreml hätte Weißrussland gern an seiner Seite, um Druck auf die Ukraine auszuüben, in deren Osten prorussische Separatisten gegen Kiews Armee kämpfen.

Doch ein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko soll den diktatorisch herrschenden Lukaschenko umgestimmt haben. Die Ukraine bezieht die Hälfte ihres Brennstoffbedarfs aus dem Nachbarland. Offiziell hatte Weißrussland die geplante Lieferdrosselung mit einem geplanten Umbau der Raffinerieanlagen begründet.

Es ist ein typisches Lavieren Weißrusslands zwischen den Ansprüchen des Kreml und der Notwendigkeit einer guten Nachbarschaftspflege mit der ebenfalls ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine. So soll Lukaschenko erfreut gewesen sein, dass die Verhandlungen der OSZE-Ukraine-Kontakt-Gruppe in Minsk stattgefunden haben. Hier konnte sich der von Menschenrechtsorganisationen geschmähte Politiker als Moderator präsentieren, ohne selbst an den Gesprächen teilzunehmen.

Offiziell steht Minsk auf der Seite Moskaus. Im Mai sind Weißrussland und Kasachstan der von Russland initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten, in die ursprünglich auch die Ukraine eingeladen war. Eben diese Zollunion beschert Weißrussland nun unerwartete Geschäfte: Experten erwarten, dass bis zu 20 Prozent der westlichen Waren, die Russland nicht ins Land lässt, in Weißrussland umgepackt und dann – wegen der fehlenden Zollgrenzen – erst recht in Russlands Geschäften landen. Ein nettes Zubrot für die weißrussische Wirtschaft.

Doch eines ist klar: Weder Lukaschenko noch dem kasachischen Staatspräsidenten Nasarbajew ist am derzeitigen Szenario in der Ostukraine gelegen. Die beiden autoritär regierenden Männer fürchten nichts mehr als Umstürzler innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen. Erst kürzlich telefonierten sie miteinander. Dabei legten sie laut Präsidenten-Pressestelle in Minsk "besondere Aufmerksamkeit auf die Bemühungen der Normalisierung der Lage in der Ukraine". Die Konsultation ohne Putin dürfte diesen beunruhigen oder zumindest ärgern.

Lukaschenko hat Angst

Doch mehr Nerven scheint derzeit Lukaschenko zu zeigen. In öffentlichen Reden schreit er, dass sein Land gegen jede "Horde", ob von West oder Ost, militärisch gewappnet sei. Das Land sei einzig durch einen Wirtschaftskonflikt gefährdet – eine Anspielung auf Russland. Er habe Angst, meinen viele Beobachter. Der Politologe Aleksander Guschin, Experte für ehemalige Sowjetrepubliken, gab sich gegenüber der russischen Wirtschaftszeitung Kommersant davon überzeugt, dass das Minsker Doppelspiel mit einer Reaktion aus Moskau bedacht wird.

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