Erdogan lässt 1000 Schulen schließen

Der türkische Staatspräsident unterzeichnete sein erstes Dekret seit der Verhängung des Ausnahmezustands.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat das erste Dekret seit Einführung des Ausnahmezustands unterzeichnet. Er ordnete die Schließung von 1000 Privatschulen an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag berichtete. Nach dem gescheiterten Militärputsch vor gut einer Woche war der Ausnahmezustand am Mittwochabend für mindestens drei Monate verhängt worden. Somit kann Erdogan nun per Dekret regieren. Zudem können Grundrechte eingeschränkt oder aufgehoben werden.

Tausende Institutionen aufgelöst

Das Dekret ordnet zudem die Auflösung von tausenden Institutionen an, die zur Hizmet-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören. Erdogan macht Gülen für den versuchten Umsturz verantwortlich, was dieser bestreitet. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das Dekret meldete, werden 1043 Privatschulen, 1229 Vereine oder Stiftungen, 19 Gewerkschaften und Verbände und 35 Gesundheitseinrichtungen geschlossen.

Des weiteren weist das Dekret die Entlassung sämtlicher Staatsbediensteter an, bei denen festgestellt wurde, dass sie zu "Terrororganisationen oder Organisationen, Strukturen oder Gruppen" gehören, "bei denen festgestellt wurde, dass sie gegen die nationale Sicherheit handeln". Die Betroffenen könnten nicht länger im Staatsdienst beschäftigt werden oder direkt oder indirekt für diesen arbeiten. Die Regierung betrachtet die Hizmet-Bewegung als Terrororganisation.

Der am Mittwochabend ausgerufene dreimonatige Ausnahmezustand erlaubt der Regierung, per Dekret zu regieren. Seit dem gescheiterten Militärputsch vor einer Woche ordnete die Regierung die Entlassung, Suspendierung oder Versetzung von rund 55.000 Staatsbediensteten an, darunter angeblich am Putsch beteiligte Soldaten, Polizisten, Justizbeamte und Regierungsmitarbeiter, aber auch zehntausende Universitätsdozenten, Dekane und Lehrer.

Kritik aus der EU

Italiens Regierungschef Matteo Renzi kritisierte die Festnahmewelle seit dem Putschversuch. Die Ereignisse der vergangenen Woche "beunruhigen uns ebenso sehr wie die Panzer auf den Straßen Istanbuls", sagte Renzi am Samstag bei einem Treffen seiner Partei PD. Ein Land, das "seine eigenen Professoren und seinen eigenen Journalisten inhaftiert, sperrt seine Zukunft ins Gefängnis".

Die EU-Kommission hatte das massive Vorgehen gegen Staatsbedienstete am Freitag als "inakzeptabel" bezeichnet. Angesichts der Kritik aus der EU warf Erdogan dieser eine parteiische Haltung vor. "Sie machen Erklärungen, die widersprüchlich sind. Sie sind parteiisch, sie sind voreingenommen und werden sich weiter voreingenommen gegenüber der Türkei verhalten", sagte Erdogan dem Sender France 24.

Am Freitag wurden die Pässe von knapp 11.000 türkischen Beamten und anderen Bürgern für ungültig erklärt, um sie an der Ausreise zu hindern. Zuvor hatte die Regierung bereits ein allgemeines Verbot für Wissenschaftler erlassen, zu Dienstreisen ins Ausland zu reisen. Zudem wurden am Freitag 283 Mitglieder der Präsidentengarde und damit jeder zehnte Angehörige der Elitetruppe entlassen.

Die EU hat gewarnt, dass es das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten würde, sollte die Türkei die Todesstrafe wieder einführen. "Wenn mein Volk, mein Land ständig die Todesstrafe fordert, wenn die Vertreter meines Volkes im Parlament ja sagen, tut mir leid, dann muss ich diese Forderung respektieren", sagte Erdogan nun. "In der Demokratie liegt die Souveränität beim Volk."

"Europa lässt uns seit 53 Jahren an der Tür warten"

Der Präsident beklagte in dem Interview zudem, dass die EU die Türkei seit Jahrzehnten hinhalte. "Europa lässt uns seit 53 Jahren an der Tür warten", sagte Erdogan. "Kein anderes Land hat während der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union so gelitten." In der Flüchtlingskrise habe die Türkei als "Schild für Europa" gedient, doch habe die EU ihre gemachten Versprechen nicht gehalten.

Am Samstag teilte Staatsanwalt Harun Kodalak mit, 1200 nach dem Putschversuch zunächst festgenommene einfache Soldaten seien wieder freigelassen worden. Die Behörden bemühten sich, rasch zu klären, wer auf Zivilisten gefeuert habe und wer nicht, sagte Kodalak. "Kein Unschuldiger soll bestraft werden. Und die Gerichte werden diese Entscheidung treffen." Bei einem Großteil der mehr als 7400 festgenommenen Soldaten handelte es sich möglicherweise um junge Wehrpflichtige, die an dem Putschversuch beteiligt waren ohne zu wissen, worum es ging.

Kommentare