Polen: Jeder zweite Student will ins Ausland

Eltern polnischer Emigranten mit den Bildern ihrer ausgewanderten Kinder
"Brain-drain".1,25 Millionen Polen verlassen heuer das Land; heimische Wirtschaft leidet.

Mangelnde Perspektiven veranlassten schon 46 Prozent der 18- bis 31-jährigen Studierenden, Arbeit in westlichen Ländern zu suchen. Diese Erhebung der Zeitung Rzeczpospolita sorgt in Polen für Aufsehen. Neben den altbekannten Begründungen – schlechte Bezahlung, befristete Verträge – nennen die jungen Polen die geringen Möglichkeiten, sich innerhalb polnischer Firmen fortzubilden sowie die entsprechenden Perspektiven im Westen als Gründe.

Das Emigrationsproblem beschäftigt Polen schon länger. Seit der EU-Mitgliedschaft im Jahr 2004 wird das Land mit Auswanderungswellen konfrontiert. An genauen Zahlen wie an Lösungen des Problems waren die bisherigen Regierungen nicht interessiert. Denn die Migranten schicken Geld nach Hause, die Arbeitslosenstatistik wird geschönt, und es gibt auch Impulse von Rückkehrern für die polnische Wirtschaft.

Fachkräfte fehlen

Auf der anderen Seite werden Familien auseinandergerissen, und der Brain-drain schadet der polnischen Wirtschaft. Aber auch im Gesundheitswesen fehlen die Fachkräfte, die polnischen Krankenschwestern und Ärzte haben eine gute Ausbildung und können bei entsprechenden Sprachkenntnissen das Vielfache im westlichen Ausland verdienen. So beginnt ein Teufelskreis – in einer Umfrage im April gaben 35 Prozent der Ausreisewilligen das schlechte polnische Gesundheitswesen als Grund für den kommenden Abschied von der Heimat an.

Aber auch weniger gut Ausgebildete zieht es in den Westen, als Pfleger, Bauarbeiter oder Saisonarbeiter – vor allem die Dörfer Ostpolens sind leer im Sommer.

Besonders beliebt als Zielland ist Großbritannien, wo 700.000 Polen leben. Auch in Irland gilt Polnisch bereits als zweite Sprache nach Englisch. Nach einer Schätzung von Radio Zet werden 1,25 Millionen Polen dieses Jahr das Land verlassen.

Die Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat mit diesem Thema schon die Präsidentenwahl im Mai gewonnen und will auch die Parlamentswahlen im Herbst gewinnen. Beata Szydlo, die vielleicht künftige Premierministerin, polemisiert gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und verlangt, man solle doch zuerst die vielen Polen im Ausland zurück ins Land holen. Ein schlüssiges Konzept konnte auch sie bisher nicht vorstellen.

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