Deutschland rüstet auf – mit einer Fremdenlegion

Die Bundeswehr will im Ausland um Soldaten werben – das ist auch ein erster Schritt zu einer EU-Armee.

"Krisenherde löschst du nicht mit Abwarten und Teetrinken." Noch ist es ein vager Plan, aber in absehbarer Zeit könnten die flotten Sprüche, mit denen die Bundeswehr in Deutschland um Personal wirbt, auch im Ausland zu lesen sein: Weil die "Truppe" nach der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 mit Personalnot zu kämpfen hat, plant man eine Öffnung des Heeres. Geht es nach Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), sollen künftig auch EU-Ausländer für Deutschland kämpfen.

Große Bedenken

Dass hier mit einer 61 Jahre alten Tradition gebrochen wird, gefällt natürlich nicht allen. Der Bundeswehrverband, die größte Heeres-Interessensvertretung, stößt sich an der "Fremdenlegion". Dort weist man auf das "besondere Treueverhältnis zwischen Soldaten und Staat" hin und moniert, dass der Beruf ja die Bereitschaft voraussetze, "im Zweifel für das zu sterben, was im Kopf und im Herzen ist" – und das gelte "nicht für jeden beliebigen Staat oder Arbeitgeber".

Die Kritik trifft den Kern der Sache. Denn von der Leyens Ziel ist nicht nur, das seit 1991 von 585.000 auf 177.000 Soldaten geschrumpfte Heer angesichts neuer Bedrohungslagen zu vergrößern. Ihr geht es auch um einen ersten Schritt hin zu einer "europäischen Verteidigungsunion", in der Deutschland und Frankreich führend agieren sollen. "Ich glaube, die Soldatinnen und Soldaten haben eine tiefe Überzeugung, wofür sie einstehen – es ist nicht die Scholle, sondern es sind die Werte." Und die seien nun mal europäisch.

Unterstützer der Idee des EU-Heeres gibt es zuhauf. Kommissionspräsident Juncker hat sich kürzlich wieder dafür ausgesprochen, und selbst die der Neutralität verpflichtete ÖVP hat sich dafür starkgemacht. Der Brexit gibt den Bemühungen neuen Auftrieb – die Briten haben die Idee bisher stets blockiert.

Neue "Ordnungsmacht"

Deutschland, die nach Großbritannien und Frankreich drittstärkste europäische Militärmacht, will sich damit auch stärker als "globale Ordnungsmacht" positionieren. Erste grenzüberschreitende Schritte hat man schon unternommen. Mit den Niederlanden unterhält Berlin bereits Militär-Kooperationen, und auch mit Tschechien ist eine Verschmelzung angedacht.

Bei der Bevölkerung kommt das an. Während 2009 nur 19 Prozent pro Aufrüstung waren, sind es heute 51 Prozent. Probleme mit dem deutschen "Großmachtdenken" hat jedoch die Opposition. Die Linke warnt vor abschreckenden Effekten – denn Probleme bei der Öffnung des Heeres sind vorprogrammiert: Heuert etwa ein Österreicher bei einer fremden Armee an, verliert er die Staatsbürgerschaft.

Von der Leyen sind solche Problemlagen durchaus bewusst. Sie bekräftigte am Mittwoch, dass noch lange nicht geklärt sei, wie die Integration von EU-Ausländern von statten gehen könne. Sie wolle sie nur "im Konsens mit anderen Ländern" durchsetzen – und "nicht im Konflikt".

Schon seit den 1980er-Jahren absolvieren Frauen Militärausbildungen in der Schweizer Armee – allerdings freiwillig. Jetzt debattiert die Politik über die Einführung eines verpflichtenden Wehrdienstjahres für Frauen, denn dem Heer fehlt der Nachwuchs.

Dabei geht es den Befürwortern nicht so sehr um den Dienst an der Waffe, sondern um die Aufstockung von Fachkräften. In vielen Bereichen des Militärs fehlen Spezialisten, wie Militärärzte oder Informatiker. 2014 beauftragte der Bundesrat eine Expertengruppe zur Prüfung des Dienstpflichtsystems auf Modernisierungsmöglichkeiten. Das Komitee um Arthur Loepfer stellte letzte Woche seinen Bericht vor.

Norwegisches Modell

Die Empfehlung: Das „norwegische Modell“ könnte die Sorgen der Schweizer Armee lindern. Demnach wären nicht nur Männer, sondern auch Frauen wehrdienstpflichtig. „Geschlechtergleichstellung“, jubeln die einen, „teure Bürokratie“, klagen die anderen. Dieses Modell würde der Armee nicht nur einen größeren Rekrutierungspool bieten, sondern auch die Ungleichstellung der Geschlechter verringern; bisher können Schweizerinnen sich nur freiwillig für einen Wehr- oder Zivildienst bewerben. Die Frauenquote in der Schweizer Armee belief sich im letzten Jahr auf unter ein Prozent.

Verfassungsänderung

„Staatspolitisch realisiert das Modell die Gleichberechtigung von Mann und Frau“, heißt es im Bericht der Experten. Kritiker sind der Ansicht, dass Maßnahmen für Gleichstellung jedoch in anderen Bereichen dringender seien. „Bei der Dienstpflicht für Schweizerinnen geht es nicht grundsätzlich um mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau, aber es ist ein willkommener Nebeneffekt“, sagt Dieter Wicki, Sekretär der Studiengruppe.

Letztendlich müsste das Volk entscheiden, denn eine Wehr- oder Zivildienstpflicht für Frauen würde die Änderung der Bundesverfassung erfordern.

Sarah Wagner

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