Pegida-Anhänger: Gebildet, gut situiert und kaum islamophob

Verballhornte Pegida-Parolen bei einer Demo in Berlin: Die Angst vor Islamisierung sei nicht der treibende Faktor der Pegida-Anhänger, meint eine Studie.
Wer marschiert bei Pegida mit? Forscher haben die Sympathisanten unter die Lupe genommen - mit diskutablem Ergebnis.

Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendslands“ nennen sie sich. Doch dieser Selbstbeschreibung werden die Anhänger der deutschen Bewegung offenbar nur zu einem kleinen Teil gerecht: Die meisten Anhänger der offen islamkritischen Bewegung sollen nämlich nicht von einer Angst vor einer möglichen Islamisierung motiviert sein, besagt eine empirische Untersuchung der Pegida-Anhängerschaft.

Der Politikwissenschaftlers Hans Vorländer von der TU Dresden hat die Studie durchgeführt - interviewt wurden dazu 400 Teilnehmer von insgesamt drei Demos. Nicht einmal ein Viertel der Befragten gab dabei an, dass es der Islam, der Islamismus oder die Islamisierung seien, die sie auf die Straße getrieben hätten - vielmehr sei die generelle Unzufriedenheit mit der Politik das Hauptmotiv.

Überraschendes Ergebnis

Auch andere Kennzahlen haben die Forscher ermittelt: Der typische Anhänger der Bewegung "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" ist demnach mittleren Alters, männlich und stammt aus dem ostdeutschen Bundesland Sachsen – nur 15 Prozent der Anhänger kommen aus anderen Bundesländern. Zudem gehört der typische Demonstrant keiner Religion und keiner Partei an, ist gut ausgebildet und verfügt über ein vergleichsweise gutes Einkommen. Nur zwei Prozent seien ohne Beschäftigung oder auf der Suche nach Arbeit; auch der Anteil der Pensionisten ist entgegen den meisten Erwartungen gering - er liegt bei nur 18 Prozent.

Die Ergebnisse sind für die Beteiligten selbst offenbar eine Überraschung. Die Wissenschaftler betonen nämlich, dass ihre Ergebnisse "zum Teil bisherigen öffentlichen Annahmen über Anliegen und sozialen Hintergrund von Pegida-Anhängern entgegenstehen.“ Öffentlich war der Vorwurf der Islam- und Ausländerfeindlichkeit der Pegida-Anhänger nämlich stets wiederholt worden – auch von hochrangigen Politikern.

Für den Studienleiter sind die Demos Symptome "einer schon länger beobachteten Krise der repräsentativen Demokratie", wie er der dpa sagte. "Die Bürger haben ein sehr unmittelbares Partizipationsbegehren. Sie sind manchmal auch der Auffassung, dass das, was sie für richtig halten, auch eins zu eins umgesetzt werden muss.“ Sie hätten auch den Wunsch, dass jemand mit starker Hand agiere - die auf Transparenten lesbare Forderung „Putin hilf“ sei der beste Beleg dafür.

Radikaler Teil

Daneben muss auch erwähnt werden, dass das Sample der Studie möglicherweise weniger repräsentativ ist als angenommen: Zwei von drei befragten Pegida-Anhängern wollten den Wissenschaftlern nämlich keine Auskunft geben – der Vorwurf, die Presse würde alle Tatsachen verdrehen ("Lügenpresse"), schwingt hier mit. Der Studienleiter hält die Zahl der Antwortverweigerer gegenüber dem Spiegel aber nicht für problematisch: Ein "Effekt der Verzerrung" lasse sich bei der Untersuchung nämlich nicht feststellen.

Nichtdestotrotz ist ein gewisser Prozentsatz der Anhänger radikal in seinen Ansichten. Dies zeigt auch ein Vorfall am vergangenen Montag: Linke Gegendemonstranten gerieten da mit rechten Hooligans in der Dresdener Innenstadt aneinander. Und auch Transparente, die sich gegen "Überfremdung" wehren, machen ebenso deutlich, dass nicht nur politverdrossene Bildungsbürger auf der Straße stehen.

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