Weihnachtslieder und Wut-Reden in Dresden

Wie jeden Montag versammelten sich auch zwei Tage vor dem Heiligen Abend Tausende Bürger in Dresden zur ausländerfeindlichen Demo.
Tausende "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes" demonstrierten erneut in Deutschland.

Es weht ein scharfer Wind auf dem Platz vor der Semperoper. Die vielen mitgebrachten Fahnen, vor allem deutsche, aber auch eine israelische und zwei mit dem Wappen des Hitler-Attentäters Stauffenberg, stehen horizontal im Wind. Noch vor der Begrüßung durch den Organisator Lutz Baumann skandieren die Demonstranten: "Wir sind das Volk." Dann beginnt er mit einer Beschimpfung der Presse, macht eine Siegerehrung für Journalisten, die nach seiner Meinung die Tatsachen über Pegida am meisten verdreht haben. "Sieger" ist ein NDR-Team, das einen RTL-Reporter als Demonstranten mit ausländerfeindlichen Parolen ausgab. Und immer wieder skandiert die Menge "Lügenpresse, Lügenpresse".

Die Menge: An den Rändern stehen viele sehr junge Leute, nicht nur Männer, auch überraschend viele Frauen. Im Zentrum des Platzes dann auch viele mittelalte Demonstranten, auch Ältere. Erkennbar rechtsradikal im Habitus und Aussehen ist kaum einer.

Dann nimmt sich Baumann die Politiker vor, die der CDU vor allem, die in Sachsen dominiert. Aber auch Merkel, die ironisch kommentiert wird. Als Kronzeuge, wie seriös man hier sei, dient CSU-Chef Seehofer: Eine Parteitagsrede wird zitiert, und sie könnte von Pegida sein.

Es folgt eine Schweigeminute für die Opfer des islamistischen Terrors dieser Woche, von Pakistan über USA bis Frankreich.

Dann endlich erstmals eines der angekündigten Weihnachtslieder: Ohne die Führung aus dem Lautsprecher klingt es eher kläglich. "Alle Jahre wieder ..."

"Lügenpresse"

Der Versuch, als Reporter mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, ist ebenso kläglich: "Ich bin Schlosser", sagt der Nachbar, etwa 50 Jahre alt. "Ich habe noch Arbeit, anders als viele andere hier. Aber mehr will ich nicht sagen, weil es wird einem sowieso das Wort im Mund umgedreht." "Lügenpresse" skandiert die Menge gerade wieder zu einer Rede, die nun ein "holländischer Freund" hält.

30 Minuten lang schildert er, wie es in den Niederlanden schon zugehe, wie da die Islamisten Straßen und Schulen beherrschten. "Wir sind nicht gegen Flüchtlinge, sondern nur gegen Wirtschaftsflüchtlinge", ist eine der beklatschten Aussagen, Frau Merkel solle endlich die Hetze gegen uns verurteilen, fordert er. "Lügenpresse" antwortet die Menge.

Ein netter Herr mit Ehefrau daneben gibt sich als Rentner zu erkennen, Berührung mit dem Islam habe er nicht direkt, aber große allgemeine Sorge davor. "Sag nix", drängt ihn die Frau. Aber "Stille Nacht, Heilige Nacht" singen sie doch mit Kraft und Inbrust und gratulieren dem Österreicher zum schönsten Weihnachtslied der Welt.

Immer wenn es stiller wird, hört man in der Ferne die Trillerpreifen der Gegendemonstranten, aber anders, als bei solchen Gelegenheiten in Berlin, nicht so, dass sie die Veranstaltung stören könnten, die massive Polizeipräsenz hält sie hier auf gebührendem Abstand. (In mehreren deutschen Städten demonstrierten Montagabend auch die Gegner von "Pediga", mehr dazu hier.)

Dann wird es wieder hochpolitisch. Baumann verkündet: "Neuer Rekord, wir haben eine 2 vor den 10.000." Er meint die Zahl der Demo-Teilnehmer. Zuletzt waren es 15.000 gewesen. Und er liest das Vorwort des letzten Buches von Berlin-Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky vor. Es klingt wie eine einzige Zusammenfassung und Beweisführung für Pegida: Wer sich hier bisher noch nicht vor der Islamisierung Deutschlands gefürchtet haben sollte, der tut es jetzt. Auch wenn Dresden an dem Tag so deutsch wirkt wie sonst nirgends.

Dann der eindeutige Tiefpunkt der Veranstaltung: Ein in Deutschland naturalisierter Franzose polemisiert so radikal, konfus und beleidigend, dass es sogar den Nachbarn in der Menge zu viel wird. Mit "Wir sind das Volk" versucht die Menge den Mann zu stoppen, und ist sichtlich erleichtert, als es zum letzten Lied geht: "O du fröhliche".

Und dann der Abschluss: "Wir sind das Volk! Lügenpresse, Lügenpresse!" wird skandiert. Der wollen die meisten Angesprochenen nun erst recht nicht mehr antworten. Eine 18-Jährige tut es gegen den Rat ihres Freundes doch und sagt: "Wir haben in Bautzen ein Asylantenheim direkt neben uns, da kommt jeden Tag die Polizei, man muss sich überlegen, ob man da überhaupt noch Kinder will." Dann zieht sie der Freund weg.

"Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Das Bündnis, das seit Wochen regelmäßig zu Kundgebungen aufruft, wendet sich unter anderem gegen eine angebliche Überfremdung Deutschlands und will ein schärferes Asylgesetz. Schon am vergangenen Montag hatten sich trotz bundesweiter Kritik rund 15.000 Menschen an einer Demonstration in Dresden beteiligt.

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