Griechen geben Tsipras noch eine Chance

Die Koalition dürfte dieselbe bleiben. Am Sparkurs aber lässt sich nicht rütteln.

Die Linke unter Alexis Tsipras hat die Parlamentswahl in Griechenland überraschend klar gewonnen. Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmen lag das Linksbündnis Syriza bei 35,5 Prozent der Stimmen. Der größte Herausforderer, die Nea Dimokratia (ND) unter Evangelos Meimarakis, kam auf 28,1 Prozent. Drittstärkste Kraft wäre demnach die rechtsradikale Goldene Morgenröte mit knapp 7,2 Prozent der Stimmen.

Umfragen hatten ein deutlich knapperes Rennen zwischen Linken und Konservativen vorausgesagt, auch in der ersten Prognose am Wahlabend war nur von einem hauchdünnen Vorsprung für Syriza die Rede.

Der Chef der konservativen ND, Evangelos Meimarakis gestand seine Niederlage ein. "Ich gratuliere Herrn Tsipras und fordere ihn auf seine Regierung zu bilden."

Griechen geben Tsipras noch eine Chance
Conservative New Democracy leader Vangelis Meimarakis prepares to cast his vote for the general election at a polling station in Athens, Greece, September 20, 2015. Alexis Tsipras, the firebrand Greek leftist who lost his bitter fight with Europe's establishment to end its harsh economic austerity against his country, seeks re-election on Sunday a month after he resigned as prime minister. His Syriza party is in a tight election race with the conservative New Democracy party of Meimarakis, who accuses Tsipras of incompetence in dealing with international creditors who have been bailing out the debt-strapped country. REUTERS/Dimitris Michalakis

Oppositionsführer Evangelos Meimarakis

Alexis Tsipras bedankte sich bei den Wählern. „Griechenlands Volk hat uns ein klares Mandat gegeben, im In- und Ausland für den Stolz unseres Volkes zu kämpfen“, sagte er am Sonntagabend bei einer Rede im Zentrum Athens. Griechenland habe wegen des Sparprogrammes schwierige Zeiten vor sich, erklärte Tsipras. Um aus der Krise zu kommen, gebe es keine „magischen“ Lösungen. „Wir werden aber die sozial Schwachen schützen.“

Neuauflage der Koalition

Er bestätigte zugleich, dass es zur Wiederauflage der Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) kommen soll. Deren Parteichef, Panos Kammenos, trat am Ende der kurzen Rede zu Tsipras auf die Bühne. Die Links-Rechts-Koalition hatte das Land bereits nach der Wahl im Jänner für sieben Monate regiert. Die Syriza will bereits innerhalb der nächsten drei Tage eine Regierung bilden.

Die panhellenische sozialistische Bewegung (Pasok) und die kleine demokratische Linke (Dimar), die für die Wahl ein Bündnis gebildet hatten, lagen in Hochrechnungen bei 6,5 Prozent, die Kommunisten bei 5,5 Prozent. Die Partei der politischen Mitte To Potami kommt auf rund 3,8 Prozent, der linke Ableger der Syriza, die Volkseinheit (Lae), wäre dem Zwischenergebnis zufolge nicht im Parlament.

Griechen geben Tsipras noch eine Chance
Former Greek prime minister and leader of leftist Syriza party Alexis Tsipras (L) raises his arms with coalition partner and leader of the Independent Greeks party, Panos Kammenos after winning the general election in Athens, Greece, September 20, 2015. Greek voters returned Tsipras to power with a strong election victory on Sunday, ensuring the charismatic leftist remains Greece's dominant political figure despite caving in to European demands for a bailout he once opposed. REUTERS/Alkis Konstantinidis

Alte, neue Koalitionspartner: Tspiras, Kammenos

Unter Zugzwang

Die Neuwahl wurde notwendig, weil Tsipras am 20. August seinen Rücktritt erklärte hatte - um den rebellischen linken Flügel seiner Partei loszuwerden und sich ein stabiles Mandat der Wähler zu sichern.

Der Hintergrund: Sowohl die Syriza als auch die Konservativen billigten ein mit den Gläubigern ausgehandeltes Reform- und Sparprogramm und stimmten unter anderem auch der Privatisierung von Staatseigentum zu. Sie erfüllten damit eine Vorbedingung für neue Kredithilfen in Höhe von 86 Milliarden Euro. Tsipras' Linksbündnis geriet darüber in einen Richtungsstreit und spaltete sich.

Die neue Regierung muss nun schon im Oktober diese Sparmaßnahmen durchsetzen, anderenfalls wird bald wieder kein Geld nach Athen fließen.

Für die Griechen war es die zweite Parlamentswahl in diesem Jahr. Bei der vorherigen Abstimmung am 25. Januar hatte die Syriza erstmals alle etablierten Großparteien hinter sich gelassen.

Griechen geben Tsipras noch eine Chance
epa04939914 A woman leaves a voting booth after casting her vote during the Parliamentary elections in Athens, Greece, 20 September 2015. Greek voters take to the polls throughout Greece in general elections, after prime minister Tsipras resigned on 20 August 2015. EPA/ALEXANDROS VLACHOS

Die Griechen zeigten an der Wahl verhaltenes Interesse: Die Beteiligung nur bei knapp 55 Prozent.

Fünf Regierungen in sechs Jahren

Seit dem Beginn der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise vor sechs Jahren waren in Griechenland schon fünf Regierungen am Ruder. Die griechische Wirtschaft ist seither um ein Fünftel geschrumpft, jeder Vierte ist arbeitslos.

Griechenland muss auf Sparkurs bleiben

Finanzsystem Die Banken sollen mehr Kapital bekommen. Eine Insolvenzordnung für Unternehmen und Privatleute soll mehr Sicherheit geben. Zudem soll die Regierung gegen faule Kredite vorgehen.

Privatisierungen Bis Ende Oktober müssen Ausschreibungen für die Häfen von Piräus und Thessaloniki stehen. Auch Regionalflughäfen sollen in private Hände gehen.

Verwaltung Die Öffentliche Verwaltung soll modernisiert und effizienter werden. Vergünstigungen für Staatsangestellte sollen zusammengestrichen werden.

Pensionen Das Rentensystem gilt als zu teuer. Schon geplante Reformen sollen jetzt umgesetzt werden. Anreize für die Frühpensionierung sollen wegfallen, Regelpensions- alter soll auf 67 Jahre klettern.

Steuern Steuerbehörden sollen gestärkt werden. Grundstückskataster soll genauer kontrolliert werden. Bereits von 13 auf 23 Prozent ist die Mehrwertsteuer für viele Bereiche gestiegen.

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