Damaskus hält Frist ein: C-Waffen versiegelt

Ein OPCW-Inspektor in einer C-Waffenanlage in Syrien: Alle Kampfstoffe sind seit gestern unter Verschluss
Die Produktionsstätten für Chemiewaffen sind funktionsuntüchtig, meldet die OPCW.

Drei Monate ist es her, dass ein Giftgaseinsatz nahe Damaskus, mutmaßlich durch die syrische Armee, Hunderte Menschenleben gefordert und die Welt aufgeschreckt hat. Die USA drohten mit einem Militärschlag, Syrien lenkte auch unter russischem Druck ein: Es stimmte der Vernichtung seines Chemiewaffenarsenals zu. Am Donnerstag meldete die Organisation für das Verbot für Chemiewaffen (OPCW) den Vollzug: Das gesamte syrische C-Waffenarsenal ist unter Verschluss. Rund Tausend Tonnen chemischer Waffen und Kampfstoffe, alle Chemikalien und Lager, sind sicher versiegelt. Und die Produktionsstätten für die Waffen seien funktionsuntüchtig gemacht worden, sagte OPCW-Sprecher Christian Chartier.

Die mit der UNO zusammenarbeitende Organisation hatte erst kürzlich für ihre Tätigkeit gerade in Hinblick auf Syrien den Friedensnobelpreis erhalten.

Damit hat die Führung in Damaskus eine wichtige Frist eingehalten. Der von den USA und Russland ausgehandelte Plan sieht vor, dass Syrien alle seine Geräte zur Giftgas-Herstellung bis zum 1. November unter Aufsicht der OPCW zerstört. Bis zum 30. Juni 2014 sollen dann auch alle Chemiewaffenbestände vernichtet sein. Österreich hat der OPCW die Arbeit von bis zu 20 Experten sowie eine C-130 Hercules-Maschine zur Unterstützung angeboten.

Die für Ende November geplante internationale Friedenskonferenz zu Syrien ist indes weiter fraglich. „Weder die Syrer noch die Opposition haben Neues auf den Tisch gelegt“, sagte ein westlicher Diplomat in Beirut.

Massaker an Christen

In der syrischen Stadt Sadad haben islamistische Milizen nach Informationen des vatikanischen Pressedienstes Fides ein Massaker an Christen begangen. Insgesamt 45 Christen, darunter Frauen und Kinder, seien in der von Milizen eroberten und später wieder befreiten Stadt ermordet worden, zitierte Fides den syrisch-orthodoxen Erzbischof von Homs und Hama, Selwanos Boutros Alnemeh. Die Leichen seien in Massengräbern verscharrt worden.

Generell soll die OPCW die von den Vertragsstaaten angegebenen C-Waffenbestände und Produktionsanlagen überprüfen und die Vernichtung der Bestände kontrollieren. Sie ist eine unabhängige internationale Organisation, arbeitet aber eng mit den Vereinten Nationen zusammen. Die Inspektoren können bei einem Verdacht auf den Einsatz von Chemiewaffen eingesetzt werden und kontrollieren auch in chemischen Fabriken, ob Chemikalien tatsächlich nur für zivile Zwecke verwendet werden. Die OPCW leistet Staaten bei der Vernichtung der Waffen auch technische Hilfe.

Seit 1997 wurden mehr als 5000 Inspektionen in 86 Ländern abgeschlossen und nach Angaben der OPCW rund 58.000 Tonnen der von den Staaten deklarierten Waffenarsenale vernichtet, das sind etwa 80 Prozent der bekannten Bestände.

Das Sekretariat in Den Haag mit rund 490 Mitarbeitern, darunter etwa 200 Inspektoren, wird seit 2010 von dem türkischen Diplomaten Ahmet Üzümcü geleitet. Höchstes Organ der OPCW ist die jährlich stattfindende Vollversammlung der Vertragsstaaten. Leitungsorgan ist der Exekutivausschuss mit 41 Mitgliedern, die mindestens vier Mal im Jahr zusammenkommen. Der Haushalt beträgt in diesem Jahr rund 70 Millionen Euro.

Das Bürgerkriegsland Syrien soll mit rund 1.000 Tonnen unterschiedlicher Kampfstoffe das größte Chemiewaffenarsenal im Nahen Osten besitzen. Das syrische Chemiewaffenprogramm begann nach Informationen westlicher Geheimdienste in den 1970er Jahren mit dem Import chemischer Munition. In den folgenden Jahren erwarb das Land das Material und die Fähigkeit zur eigenständigen Produktion chemischer Kampfstoffe.

Nach Informationen der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hat Syrien an über das Land verteilten 23 Standorten insgesamt 41 Produktionsstätten für C-Waffen errichtet. Das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) geht davon aus, dass das Regime von Präsident Baschar al-Assad bisher die Kapazität hatte, jährlich mehrere hundert Tonnen der Kampfstoffe zu produzieren.

Syrien verfügt laut OPCW über etwa 300 Tonnen Senfgas und rund 700 Tonnen der chemischen Kampfstoffe Sarin beziehungsweise VX. Das hochgefährliche Nervengift VX führt bereits in geringen Mengen innerhalb kurzer Zeit zum Tod.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums hat Syrien Flugzeuge des Typs MiG-23 so ausgestattet, dass sie mit chemischen Kampfstoffen bestückte Bomben abwerfen können. Artilleriegeschosse können Chemiegifte wie Sarin oder VX bis zu 50 Kilometer weit schießen.

Auch Syriens Raketen des Typs Scud-B mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern und Scud-C, die 500 Kilometer weit fliegen können, sind zum Teil für den Transport chemischer Kampfstoffe ausgerüstet.

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