Österreich schummelt bei Entwicklungshilfe

An Afghan boy studies near his father's shop near the Smugglers Bazaar area outside Peshawar, on October 14, 2001. The UNHCR said it expected over one million people to head to neighbouring countries in the wake of continuing air strikes on Afghanistan. Pakistan, which already hosts more than two million displaced Afghan, has allowed the setting up of new refugee camps along its border with Afghanistan. REUTERS/Adrees Latif
Ausgaben wurden offiziell gesteigert, trotzdem bleiben Millenniums-Ziele in weiter Ferne.

Österreich hat seine Ausgaben für Entwicklungshilfe im Jahr 2012 nach neuen Zahlen der OECD um rund 6 Prozent gesteigert. Die in den Millenniums-Zielen der UNO angepeilten 0,7 Prozent des BIP werden aber bis 2015 deutlich verfehlt werden. Vom NGO-Dachverband Globale Verantwortung und der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) gab es am Mittwoch Kritik – es handle sich bei der Steigerung im Vorjahr um ein künstlich durch Schuldenerlässe aufgeblähtes Budget und „Phantomhilfe“.

Laut den Zahlen der OECD in Paris gab die Republik im Vorjahr insgesamt 920 Mio. Euro für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) aus, rund 0,28 Prozent des BIP. Ein Teil davon ist auf international vereinbarte Schuldenerlässe für Staaten in Subsahara-Afrika zurückzuführen, etwa der Elfenbeinküste. Nach Angaben des Außenministerium spielten auch Beitragszahlungen an internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank eine große Rolle bei der Steigerung. Damit erhöhen sich die österreichischen Gelder für die EZA nach einem Rückgang in vergangenen Jahren, allerdings sind sie im Vergleich zur Mitte der 2000er-Jahre beinahe halbiert. Mit seinen Ausgaben für Entwicklungshilfe bleibt Österreich ohnehin weit hinter den Millennium-Entwicklungszielen der UNO zurück, in denen die Industriestaaten aufgefordert wurden, zumindest 0,7 Prozent des BIP für die Unterstützung von ärmerer Staaten auszugeben.

Trendwende gefordert

Die AG Globale Verantwortung, in der unter anderem Ärzte ohne Grenzen Österreich, Volkshilfe und Caritas vertreten sind, lässt kaum ein gutes Haar an der Bilanz. In der Europäischen Union würden nur die krisengeschüttelten Mitgliedsstaaten Portugal, Griechenland, Spanien und Italien noch weniger zahlen als die Republik. Insgesamt sparen aber auch die anderen EU-Staaten auf Kosten der Entwicklungsländer, die Quote sinkt schon das zweite Jahr in Folge - von 0,42 % im Jahr 2011 auf 0,39 % im Jahr 2012. "Sparen - schön und gut", befindet Annelies Vilim, Geschäftsführerin der AG: "Aber Investitionen in den sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sind erstens eine Frage der globalen Solidarität und zweitens ein wichtiger Teil zur Erhaltung politischer Stabilität. Dies erfordert allerdings eine langfristige politische Strategie anstatt kurzfristiges, auf Wahlperioden abgestimmtes Handeln. Es braucht seitens der Regierung eine echte Trendwende in der heimischen Entwicklungspolitik.“

Aus Sicht der AG Globale Verantwortung werde "Phantomhilfe" geleistet: Man weise zwar höhere Gelder für die umstrittene Entschuldung aus, kürze aber die Kernbudgets, die etwa der Austrian Development Agency (ADA) zukommen. Um die Statistik zu schönen, würden möglichst viele Ausgaben eingerechnet, neben den Schuldenerlässen etwa Kosten für ausländische Studierende und Flüchtlinge. Globale Verantwortung und die Bischofskonferenz sprechen sich daher für eine gesetzliche Verankerung des Entwicklungsbudget aus.

Im Außenministerium wies man die Vorwürfe zurück. „Die Partnerländer profitieren auch von Entschuldungen. Diese führen dazu, dass es dort eine bessere wirtschaftliche Ausgangsbasis gibt“, sagte Sprecherin Ursula Heinrich. Am Minoritenplatz will man nun das Entwicklungsbudget weiter steigern, auch wenn die Millennium-Entwicklungsziele nach Ansicht der Regierung bis zu ihrem Auslaufen 2015 nicht zu erreichen sind. „Zu den 0,7 Prozent hat sich die Bundesregierung bekannt, dass sie später als vereinbart erreicht werden, ist aber nicht zu leugnen“, sagte Heinrich. „Aber sie sind und bleiben Ziel, und es wird Steigerungen geben“.

Die Koordinierungsstelle begrüßt die wiederholten Bekenntnisse der österreichischen Regierung zum 0,7-Prozent-Ziel, sieht aber ein zunehmendes Glaubwürdigkeitsproblem: „Leere Versprechen und geschönte Statistiken machen nicht satt. Die Menschen in Partnerländern brauchen konkrete Mittel, um Projekte und Programme umzusetzen, damit sie ihre Lebensbedingungen verbessern können“, mahnt Hilde Wipfel von der KOO.

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