Schmierige Geschäfte

Ein Dorf in der Basilikata - aber die Idylle trügt.
Die italienische Regierung will mit dem Ausbau der Ölgeschäfte in der süditalienischen Basilikata die akute Wirtschaftskrise bekämpfen. Für die lokale Bevölkerung bleibt der versprochene Wohlstand jedoch weiterhin außer Reichweite.

Wilde, naturbelassene Landschaft, bewaldete Berghänge und römische Ruinen prägen das Bild der Basilikata, einer der ärmsten Regionen im Süden Italiens. Im Val d’Agri ändert sich jedoch schlagartig die bukolische Kulisse: man wähnt sich plötzlich in der Nähe von Wien Schwechat. Riesige Ölraffinerien sind unten im Tal zu sehen. Auf dem Hügel dahinter liegt die 3000-Einwohner-Gemeinde Viggiano, die auch das „italienische Texas“ genannt wird.

Krise

„In Viggiano gibt es nichts zu lachen, im restlichen Val d’Agri fließen Tränen. Die stark von Abwanderung betroffenen Ortschaften kämpfen genauso mit der Wirtschaftskrise wie die restliche Region“, beobachtet Maria Teresa La Banca vom Lokalblatt Quotidiano della Basilicata.

Von dem Ölgeschäft profitieren hauptsächlich die internationalen Ölkonzerne wie Shell oder Total. Die lokale Bevölkerung sieht von den Einnahmen nur wenig und kämpft genauso mit drohender Arbeitslosigkeit wie andere Regionen des Südens.

Denn trotz der Lizenzgebühren der Ölraffinerien, die seit 2005 über 120 Millionen Euro in die Gemeindekasse von Viggiano spülten, sind Wohlstand und Entwicklung für die meisten in der Gegend noch immer ein entfernter Traum.

Geld versandet

Gewerkschafter des Val d’Agri kritisieren, dass die Einnahmen aus dem Ölgeschäft nicht gerecht verteilt werden: „Die Bewohner können nicht einmal mehr mit den grundlegenden Dienstleistungen rechnen.“

Die Gewerkschaftsvertreter sprechen offen aus, was sich viele fragen: „Wohin fließen die kräftigen Einnahmen, wofür wird das viele Geld ausgegeben?“

Der Bürgermeister von Viggiano, Giuseppe Alberti, weist die Kritik zurück. Er kann aber mit seinen Argumenten die Vorwürfe nicht entkräften. Er beteuert, die Royalities, die Nutzungsgebühren aus dem Ölgeschäft, würden für die Schaffung von Arbeitsplätzen und in lokale Unternehmen investiert. Von einem Grundeinkommen für alle Bewohner, als Entschädigung für die negativen Seiten der Ölproduktion, will der Bürgermeister jedoch nichts wissen. „Aber nein! Sollen wir etwa das Geld unter allen Bürgern aufteilen? Ich glaube, dass das nicht unbedingt eine gute Administration wäre. Wir investieren in öffentliche Einrichtungen, Sporthalle, Fußballplatz und Tourismus“, empört sich Alberti.

„Diese Ausgaben sind vollkommen sinnlos. Diese Verschwendung muss gestoppt werden“, fordert Filippo Massaro vom Bürgerkomitee Csail.

Ökodesaster

„Das wahre Problem ist, dass die Erdölförderung dem Tourismus und der Landwirtschaft schwer geschadet haben, und deren Aktivitäten durch die Ölraffinerien klarerweise schwer eingeschränkt wurden“, sagt La Banca. Umweltschützer steigen angesichts der Zerstörung einer der naturbelassensten Landschaften Europas seit Jahren vehement auf die Barrikaden. Das ökologische Gleichgewicht ist durch die Ölraffinerien, die sich durch weite Teile bisher unberührter Natur ziehen, vollkommen zerstört. Gesundheitliche Risiken haben deutlich zugenommen. Besonders benachteiligt sind Gemeinden wie etwa das nur acht Kilometer Luftlinie entfernte Spinoso. Die Ortschaft leidet unter den negativen Auswirkungen der Ölraffinerien, erhält dafür aber keinen Cent Entschädigung.

Immer wieder kommt es zu gefährlichen Zwischenfällen. Vor zwei Wochen gab eine Explosion mit weithin sichtbaren Stichflammen in einer Anlage des italienischen Erdöl- und Energiekonzerns Eni in Viggiano Anlass zur Sorge. Die Arbeiter mussten nach dem Austritt giftiger Substanzen die Anlage verlassen.

Investitionen

Der Energiekoloss Eni lässt sich davon nicht beeindrucken und weitet seine Ölbohrungen weiter aus. Acht Milliarden Euro werden in den nächsten vier Jahren in die Erschließung neuer Ölreserven sowie in die Modernisierung der Ölraffinerien investiert. In Basilikata befinden sich die größten Ölvorkommen Europas auf dem Festland. Italien ist nach Großbritannien, Norwegen und Niederlande der drittgrößte Ölproduzent Europas.

Die Pläne sind ambitioniert: Anfang 2016 soll mit den Bohrungen am zweitgrößten Ölfeld der Basilikata, Tempa Rossa, begonnen werden. Man rechnet damit, 50.000 Barrel Öl und 230.000 Kubikmeter Gas pro Tag zu gewinnen. Damit soll Italiens Ölproduktion um weitere 40 Prozent steigen. Würde Italien seine gesamten Erdölreserven nützen, könnte sich das Land jährliche Ausgaben in Milliardenhöhe, die in Golfländer fließen, sparen.

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