Nun will die UNO vermitteln

Nun will die UNO vermitteln
Außenminister Kurz traf in Wien seinen russischen Amtskollegen Lawrow. In der Ostukraine gab es am Montag wieder Tote.

Ungeachtet aller Appelle für eine friedliche Lösung in der Ukraine gehen die militärischen Auseinandersetzungen vor allem im Osten des Landes weiter - die Eskalation veranlasste UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Montag schließlich zu einem Angebot: Er wolle zwischen den Konfliktparteien in der Ukraine vermitteln. Zugleich rief er am Montag alle Seiten auf, die schwere Krise "mit friedlichen Mitteln" beizulegen, wie es in einer Erklärung Bans an die Nachrichtenagentur AFP heißt.

Das Blutvergießen setzt sich indes fort, die Separatisten haben nach eigenen Angaben Gebäude in den wichtigen Städten der Region unter ihrer Kontrolle. "Wir haben die Verwaltungsgebäude in den entscheidenden regionalen Zentren eingenommen", sagte der Anführer der selbst ernannten Volksmiliz, Miroslaw Rudenko. Neben Donezk und Slawjansk seien auch in Kramatorsk die wichtigsten Gebäude in den Händen der Separatisten.

Am Montagmorgen berichteten prorussische Kräfte in Slawjansk auch von neuen Kämpfen mit Regierungstruppen. Etwa 20 Aktivisten seien getötet worden. "Wir konnten unter großen Anstrengungen ein Eindringen des Gegners in die Stadt verhindern. In unseren Reihen gibt es viele Tote", zitierte die Agentur Interfax am Montag einen Sprecher der selbst ernannten Volksmiliz. Auch auf Seite der Regierungstruppen gab es Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte. Er gab die Schätzung ab, dass etwa 800 bewaffnete Separatisten die Stellungen in Slawjansk hielten.

Nahe Slawjansk haben prorussische Kräfte zudem wieder einen Kampfhubschrauber abgeschossen. Die Besatzung des Mi-24 habe den Absturz in einen Fluss überlebt und sei von einem Spezialkommando in Sicherheit gebracht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Montag mit.

Ausschreitungen in Odessa

Auch in Odessa war es zuvor wieder zu Ausschreitungen gekommen. Dort stürmte eine mit Knüppeln bewaffnete Menge am Sonntag den örtlichen Sitz der Polizei, um Moskautreue zu befreien. Unter dem Druck der Demonstranten ließ die Polizei nach offiziellen Angaben 67 Personen frei. Mit Kampfhubschraubern und Panzerfahrzeugen gingen Regierungstruppen am Sonntag erneut gegen prorussische Separatisten vor, es gab Tote und Verletzte. Der "Anti-Terror-Einsatz" werde fortgesetzt, kündigte Innenminister Arsen Awakow in Kiew an.

Lawrow in Wien

Nun will die UNO vermitteln
Russia's Foreign Minister Sergei Lavrov (L) greets to his Austrian counterpart Sebastian Kurz in Vienna May 5, 2014. Lavrov arrived in Vienna to attend a meeting of the Committee of Ministers of the Council of Europe on Tuesday. REUTERS/Leonhard Foeger (AUSTRIA - Tags: POLITICS)
Am Vorabend des Treffens der Außenminister des Europarates in Wien traf Außenminister Sebastian Kurz am Montag sowohl mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow als auch mit dem ukrainischen Ressortchef Andrej Deschtschiza zusammen. Fazit eines Kurz-Sprechers gegenüber der APA: "Eine atmosphärisch angespannte Situation." Die ukrainische Übergangsregierung reist zudem in der kommenden Woche zu Beratungen mit der EU-Kommission nach Brüssel. Interimspräsident Alexander Turtschinow hat Russland am Montag Kriegstreiberei vorgeworfen. "Es ist ein Krieg gegen unser Land im Gange vonseiten der Russischen Föderation - sowohl im Osten als auch im Süden des Landes", sagte Turtschinow dem Kiewer Fernsehsender 5. Kanal. Russland versuche weiter, die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai "völlig zu destabilieren". "Wir müssen bereit sein, diese Aggression abzuwehren".

Neue Genfer Konferenz gefordert

Unterdessen forderte der russische Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel laut Kreml einen Dialog der Konfliktparteien in der Ukraine. Putin bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse. Dem deutschen Außenminister Steinmeier zufolge brauche es eine zweite Genfer Konferenz. Auch Kanzlerin Merkel unterstützt den Vorschlag.

Andere Signale werden hingegen in Moskau selbst gesendet: Putin hat einem Zeitungsbericht zufolge Hunderte Journalisten für ihre Berichterstattung über den Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim ausgezeichnet. Gelobt würden in dem Dekret Putins "hohe Professionalität und Objektivität", berichtete die Moskauer Zeitung "Wedomosti" am Montag. Kremlkritische Medien stehen demnach freilich nicht auf der Liste der Auszuzeichnenden.

Keine deutschen Beobachter

Nach dem Schock der in Geiselhaft genommenen OSZE-Beobachter will Deutschland nun bis auf weiteres an keinen Missionen der Organisation mehr teilnehmen. Zugleich nahm Ministeriumssprecher Jens Flosdorff das mehr als eine Woche festgehaltene Team in Schutz. Es gebe "keine Indizien für irgendein Fehlverhalten der internationalen Mission vor Ort".

Seit 2009 ist der norwegische sozialdemokratische Politiker, Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates. Zuletzt war er mit Außenminister Sebastian Kurz in der Ukraine. Er war maßgeblich an der Freilassung der OSZE-Geiseln beteiligt. Am Rande der Veranstaltung "Herausforderungen des Europarates" des Thinktanks der Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner sprach er über die prekäre Lage in der Ukraine.

KURIER: Herr Jagland, hat der Europarat durch die Ukraine an Bedeutung gewonnen?

Thorbjørn Jagland: Ja. Was wir in der Ukraine machen, ist sehr wichtig. Eine neue Verfassung, die konform mit unseren Werten und Minderheitenrechten ist, ist das Fundament für ein geeintes Land.

Ist die Ukraine ein gescheiterter Staat?

Das würde ich so nicht sagen, aber die Situation ist fatal. Wichtig ist die Gesetzgebung und die neue Verfassung, die von allen unterstützt wird. Wenn das nicht gelingt, dann kann es gefährlich werden, dann könnte die Ukraine zerbrechen.

Hat die EU in der Ukraine Fehler gemacht?

Das kann ich nicht beurteilen. Jetzt ist es prioritär, die Krise zu lösen. Wenn das nicht gelingt, wird es gefährlich für die Ukraine und für die ganze EU.

Wird sich der Osten der Ukraine abspalten?

Nein, das sehe ich nicht. Die große Mehrheit der Menschen will in der Ukraine leben, und sie verstehen sich als ukrainische Staatsbürger.

Wer spielt in der Ukraine, außer Russland, die Schlüsselrolle bei der Krisenbewältigung?

Es gibt viele Akteure in diesem Spiel: die Amerikaner, die EU, die Russen. Sie alle müssen zusammenarbeiten und kooperativer sein. Kiew darf sich von niemandem etwas aufdrängen lassen.

Sollte die Ukraine neutral sein?

Die Ukraine als souveräner Staat entscheidet darüber. Der Europarat kann helfen, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte eingehalten werden.

Wird die Präsidentenwahl am 25. Mai fair sein?

Ich gehe davon aus.

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