NATO prüft Operation gegen Flüchtlinge in Ägäis

Marinesoldaten gegen Flüchtlinge? Die NATO-Pläne sind umstritten
Regierung in Ankara will Hilfe bei Kampf gegen Schlepper.

Den NATO-Generälen blieb kurz die Luft weg, als sie den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Ankara hörten, die NATO solle sich an der Seeüberwachung in der Türkei beteiligen. "Das war nicht abgesprochen, Merkel ist vorgeprescht", sagt ein hoher NATO-Offizier dem KURIER.

Heute, Mittwoch, wird die Bitte der Türkei um stärkere Unterstützung in der Flüchtlingskrise von den Verteidigungsministern der NATO beraten. "Die Flüchtlingskrise bereitet uns allen große Sorgen", erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag bei einer Pressekonferenz. "Deshalb denke ich, dass wir die Anfrage der Türkei sehr ernst nehmen und schauen, was die NATO tun kann." Entscheidungen würden aber nicht getroffen. Stoltenberg sagte, er sei vom türkischen Verteidigungsminister und seiner deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen nach dem Merkel-Besuch in Ankara informiert worden. Der norwegische Sozialdemokrat wies darauf hin, dass die NATO bereits Ende 2015 beschlossen habe, die Türkei auch auf See stärker zu unterstützen.

Über die Türkei und Griechenland, zwischen denen es trotz NATO-Mitgliedschaft immer wieder zu Spannungen kommt (Grenzstreitigkeiten im Ionischen Meer, Zypern-Frage), gelangen die meisten Flüchtlinge in die EU.

Was könnte eine NATO-Operation, würde sie zustande kommen, in der Ägäis bringen? "Wenn NATO-Schiffe die türkischen oder internationalen Gewässer kontrollieren, hat das eine abschreckende Wirkung auf Schlepper. Außerdem können Boote mit Flüchtlingen gezwungen werden, zum türkischen Festland zurückzukehren", erklärt Brigadier Walter Feichtinger von der Landesverteidigungsakademie. Eine NATO-Aktion hätte darüber hinaus den Vorteil, dass die Allianz über die erforderlichen Kommandostrukturen verfügt.

Athen blockt

Griechenland hat mit der NATO-Aktion keine Freude, teilte Regierungschef Alexis Tsipras der deutschen Bundeskanzlerin mit. Athen ist dagegen, weil es nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen will. Würden nämlich Schiffe der griechischen Marine oder auch andere Boote von NATO-Ländern in internationalen Gewässern oder vor der griechischen Küste auffahren, müsste Griechenland die Flüchtlinge aufnehmen und an Land bringen. Der Einsatz der griechischen Marine wäre "keine Abwehrreaktion", sagt ein EU-Diplomat. Auch Italien hat schon vor längerer Zeit die Kontrolle seiner Küstengewässer eben aus diesem Grund aufgegeben.

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