"Leben unschuldiger Kinder in Gefahr gebracht"

Eine von 245 Schulen des Palästinenser-Hilfswerks der UNO – hier suchen Zivilisten Schutz, die ihre Häuser verlassen habenks der UNO – hier suchen Zivilisten Schutz, die ihre Häuser verlassen haben
Empörung nach Raketenfund in Schule. Feuerpause möglicherweise am Wochenende.

Die Verantwortlichen haben damit Schulen zu möglichen Angriffszielen gemacht und die Leben von unschuldigen Kindern, UN-Mitarbeitern und Schutzsuchenden in Gefahr gebracht." – UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat empört auf Berichte reagiert, dass in einer Schule der Vereinten Nationen im Gazastreifen Raketen entdeckt wurden. Die UNO will den Vorfall untersuchen. Es ist der bereits zweite Raketenfund in einer leer stehenden Schule, in denen aus ihren Häusern geflüchtete Zivilisten Schutz suchen. In einer anderen von der UNO betriebenen Schule starben bei einem israelischen Angriff gestern neun Menschen, darunter auch ein UN-Mitarbeiter.

Insgesamt wurden gestern Dutzende Palästinenser getötet, darunter auch Kinder. Die Zahl der Toten in dem Palästinensergebiet seit Beginn der israelischen Offensive am 8. Juli stieg auf über 720. Mehr als 4500 Menschen wurden verletzt. Auf israelischer Seite kamen bisher 32 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben. Mehr als 120 Soldaten wurden verletzt.

Ziel der israelischen Offensive, die seit vergangener Woche auch auf dem Boden geführt wird, ist es, die Infrastruktur der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas sowie Raketenabschussrampen, Waffenproduktionen und vor allem unterirdische Tunnel zu zerstören. Auch am Donnerstag schoss die Hamas aber wieder Raketen auf Israel, mindestens fünf wurden über dem Großraum Tel Aviv abgefangen. Die Hamas teilte mit, sie habe neuerlich den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv beschossen.

AUA meidet Tel Aviv

Dennoch hob die US-Luftfahrtbehörde FAA das erst am Mittwoch um 24 Stunden verlängerte Landeverbot für US-Fluggesellschaften gestern wieder auf. Sie warnte aber die Fluglinien vor einer "sehr wechselhaften Situation" und anhaltenden Kämpfen im Gazastreifen. Auch die europäische Luftfahrtbehörde EASA wollte ihre Empfehlung, Tel Aviv nicht anzufliegen, zurückziehen. Insgesamt 30 Fluggesellschaften, darunter die AUA, hatten ihre Flüge nach Israel in den vergangenen Tagen ausfallen lassen. Die AUA will heute nachmittags die Lage neu bewerten.

Die Bemühungen an der diplomatischen Front um eine humanitäre Feuerpause, in der auch eine dauerhafte Waffenruhe verhandelt werden soll, gingen indes weiter. US-Außenminister John Kerry, der nach Vermittlungsgesprächen zwischen Israel und Palästinensern wieder nach Kairo reiste, sprach von "gewissen Fortschritten", ein Mitglied des israelischen Sicherheitskabinetts stellte eine Vereinbarung für das Wochenende in Aussicht.

Die US-Luftfahrtbehörde hat das Landeverbot für den israelischen Flughafen Ben Gurion wieder aufgehoben. Das am Mittwoch um 24 Stunden verlängerte Landeverbot für US-Fluggesellschaften sei annulliert worden, teilte die Behörde mit, warnte aber vor einer "sehr wechselhaften Situation" und anhaltenden Kämpfen im nahegelegenen Gazastreifen.

Auch die europäische Luftfahrtbehörde EASA will eine Empfehlung an Fluggesellschaften zurückziehen, den Airport Tel Aviv nicht anzufliegen. Dies werde in Kürze passieren, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Zuvor hatte die Behörde die Empfehlung gegeben, weil in dieser Woche eine Rakete aus dem Gazastreifen in der Nähe des Flughafens in Tel Aviv einschlug.

Ebenfalls reagieren Touristiker auf den anhaltenden Konflikt in Nahost. Die Reiseveranstalter Dertour, Meier’s Weltreisen und ADAC Reisen sagen alle Israel-Rundreisen bis zur Abreise 31.08.2014 aktiv ab. Reisende, die bereits gebucht haben, sollten sich ihre Sommerreisen nochmals überlegen. Bis Ende August können die Vorhaben noch kostenlos storniert werden.

Transportminister

Der israelische Transportminister Israel Katz sprach von einer "sehr wichtigen Entscheidung". Man habe vorher "auf allen Ebenen" agiert, um die USA wieder von dem Flugverbot abzubringen. "Wir haben erklärt, wie sicher der Himmel über Israel ist, wie sicher der Flughafen ist", sagte Katz dem israelischen Rundfunk.

Andere Fluglinien haben ihre Verbindungen zum Flughafen in Tel Aviv noch ausgesetzt - darunter die Austrian Airlines (hier geht es zu aktuellen Fluginformationen), Lufthansa und Air Berlin. Die Flugstreichungen der Airlines gelten mindestens bis einschließlich Donnerstag. Es ist das erste Mal seit 1991, dass ausländische Fluggesellschaften in größerer Zahl den Betrieb nach Israel einstellen. Damals hatte der irakische Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg Scud-Raketen auf Israel abschießen lassen. Die AUA hat Donnerstagabend die Flüge für weitere 24 Stunden gestrichen.

Warum erfolgte die Streichung der Flüge erst zwei Wochen nach Beginn des Raketenbeschusses durch die Hamas? "Die Fluglinien stehen im engen Kontakt mit Luftfahrtbehörden, Regierungsstellen und Geheimdiensten, um die Gefahr abzuschätzen", sagt der Luftfahrt-Sachverständige Thomas Friesacher. Die Fluglinien versuchen, den Betrieb so lange wie möglich aufrecht zu halten, denn "es geht sehr viel Geld verloren, wenn Buchungen vorliegen, die dann storniert werden müssen."

Kritik

Die Sperre war am Dienstag aus Sicherheitsgründen verhängt worden, nachdem eine Rakete aus dem Gazastreifen nahe dem Flughafen zwischen Jerusalem und Tel Aviv eingeschlagen war. Für Israel ein Desaster: Der Flughafen Ben Gurion ist Israels "Tor zur Welt". Dementsprechend heftig reagierte Transportminister Katz: Er rief dazu auf, die Entscheidung der Flugstreichungen rückgängig zu machen, Abflüge und Landungen seien völlig sicher. Die Streichung sei eine "Belohnung für den Terror der Hamas".

Der einflussreiche US-Republikaner Ted Cruz warf Präsident Barack Obama vor, mit dem Flugverbot einen "Wirtschaftsboykott Israels" zu starten. Das US-Außenministerium bezeichnete dies als "lächerlich und beleidigend".

Eklat bei Fußballspiel

In der französischen Hauptstadt Paris demonstrierten am Mittwochabend viele Tausend Menschen gegen die Gaza-Gewalt. Nach Übergriffen auf jüdische Einrichtungen am Wochenende sicherten mehr als tausend Polizisten den Protestzug. Im österreichischen Bischofshofen wurde ein Testspiel des israelischen Fußballclubs Maccabi Haifa am Mittwochabend nach pro-palästinensischen Demonstrationen abgebrochen (mehr dazu hier). Israels Militäroffensive im Gazastreifen geht in die dritte Woche. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.

Sirenen heulen am Wiener Stephansplatz, Menschen werfen sich panisch auf den Boden – das sind die Szenen einer öffentlichen Aktion ("Flashmob‘‘), welche jüdische Jugendliche am Donnerstag in der Wiener Innenstadt veranstalteten. Sobald das Geheule abklingt und die Teilnehmer langsam aus ihren Verstecken hervorkommen, ertönt aus einem Lautsprecher: "In Israel hast du 15 Sekunden, um dein Leben zu retten". Tatsächlich heulen in Israel mittlerweile täglich die Sirenen.

Seit Beginn des jüngsten Gaza-Konflikts zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas sind über 2500 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden. Dank des Raketenabwehrsystems "Iron Dome‘‘ ("Eiserne Kuppel") kommt es glücklicherweise zu wenig Schaden. Allerdings haben Israelis zwischen dem ersten Ertönen der Sirene und einem möglichen Raketeneinschlag im Süden des Landes nur 15 Sekunden Zeit, sich in Schutz zu bringen.

"Leute müssen aufwachen"

Mithilfe dieses kleinen Schauspiels wollten rund 100 jüdische Jugendliche auf die ständige Raketenbedrohung in Israel aufmerksam machen. "Die Leute in Wien müssen aufwachen. Sie sitzen nur in den Kaffeehäusern und reden über den Konflikt, aber sie müssen sehen, wie es ist, wenn mitten am Tag die Sirene heult und Menschen um ihr Leben rennen", meint Benjamin, einer der Organisatoren. Es müsse den Menschen bewusst gemacht werden, dass nicht Israel, sondern die Hamas in diesem Konflikt der Aggressor sei, meint er.

Der Flashmob solle Passanten dazu bewegen, sich über die Lage in Israel mehr Gedanken zu machen. "Wir wollen den Durchschnittsösterreicher ansprechen, der vielleicht durch die Medien ein verzerrtes Bild im Kopf hat, und auch die andere Seite sehen soll", sagt der Student Itamar. Sowohl er als auch Benjamin sind der Meinung, dass internationale und österreichische Medien durch einseitige Berichte anti-israelische Propaganda verbreiteten.

Breiter Konsens

Die verschiedenen Jugendgruppen, die an der Organisation des Flashmobs beteiligt waren, unterscheiden sich oft in ihrer politischen Ausrichtung, da manche für und manche gegen die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik sind. Trotzdem herrsche unter ihnen der breite Konsens, dass man den Gazastreifen von der Hamas befreien müsse, so Itamar.

Sorge vor antisemitischen Ausschreitungen hatten die Organisatoren kaum, auch wenn es dazu bei den jüngsten pro-palästinensischen Protesten in vielen europäischen Städten gekommen ist. "Natürlich besteht die Gefahr‘‘, meint Itamar, "aber nicht jeder, der Israel kritisiert, ist ein Antisemit‘‘.

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat unter dem Titel "Mein traurigstes Foto" eine Aufnahme von dem Gaza-Konflikt aus dem Weltall veröffentlicht. Von der Internationalen Raumstation ISS aus "sehen wir Explosionen und Raketen über Gaza und Israel", schrieb Gerst am Mittwochabend bei Twitter.

Die ISS arbeitet in rund 400 Kilometern Höhe. Das Foto ist offenbar entstanden, während in der Region Nacht war. Es sind darauf mehrere hell erleuchtete Stadtgebiete und mögliche Raketenschweife zu sehen. Diese könnten auch von dem Abwehrsystem "Eisenkuppel" stammen. Dieses schießt die aus Gaza abgefeuerten Raketen ab.

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