Kinder in den Fängen der Krieger

Ein Bub als Krieger: Fast alle syrischen Kriegsgruppen rekrutieren – meist mit Gewalt – Kinder und Jugendliche für die Kämpfe, auch für Selbstmordattentate
Palästinenserbub musste für drei ermordete Israelis sterben. In Syrien werden Burschen zwangsrekrutiert.

Die drei israelischen Jugendlichen Naftali Fränkel (16), Gilad Shaer (16) und Eyal Yifrah (19) und der 16- jährige Palästinenser Muhammed Abu Khdeir – sie sind einander vermutlich nie begegnet. Sie teilten nichts miteinander – außer einem grausamen Tod, der sie zu einem Spielball politischer Interessen machte: Weil die drei israelischen Schüler sterben mussten, durfte auch der junge Palästinenser nicht mehr leben.

Unter Teilnahme Tausender Trauernder waren Montagabend die drei israelischen Jugendlichen, die von Extremisten der radikalen palästinensischen Hamas entführt und ermordet worden waren, zu Grabe getragen worden. Etwa zur gleichen Zeit, Dutzende Kilometer vom Ort der Trauer entfernt, hatten drei Männer Muhammed von der Straße in ein Auto gezerrt. Gestern Früh wurde seine verstümmelte Leiche westlich von Jerusalem gefunden.

Israelische Medien mutmaßten sofort einen Racheakt rechtsgerichteter radikaler jüdischer Siedler, denn diese hatten offen zur Vergeltung für den Tod der drei Israelis aufgerufen. Nach dem Begräbnis waren mehrere Hundert wütende Jugendliche auf palästinensische Arbeiter losgegangen. Nur mit Gewalt konnten Polizisten sie stoppen.

Spirale der Gewalt

Und auch in Jerusalem dreht sich die Spirale der Gewalt wieder: Nach dem Fund der Leiche Muhammeds gingen Palästinenser auf die israelische Polizei los. Stundenlang tobten in Teilen Ostjerusalems Straßenschlachten, so erbittert wie schon seit Jahren nicht mehr.

Noch sind die genauen Umstände der Ermordung der vier Burschen nicht geklärt, ihre Mörder nicht gefunden. Doch im nahöstlichen Kreislauf aus Hass, Gewalt und Rache zählt für Extremisten aller Seiten nur eines: Das erlittene Unrecht muss gesühnt werden – auch wenn Kinder dafür zahlen.

Die kriegsführenden Gruppen in Syrien brauchen erst gar keine Rechtfertigung, um sich an Kindern und Jugendlichen zu vergreifen. Nahezu alle Rebellenmilizen rekrutieren Buben, teilweise keine zwölf Jahre alt, berichtete jüngst die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Oft werden sie mit dem Angebot angelockt, von den Rebellen auch Schulunterricht zu erhalten. Meist aber werden sie einfach entführt. 25 überlebende Buben berichteten HRW, was die Kämpfer der radikal-sunnitischen Rebellen-Miliz ISIS den Kindern zumuteten: Sie mussten schießen lernen, Bomben basteln, sich sogar für Selbstmordattentate vorbereiten.

Selbstmordkommando

"Manchmal gab es Freiwillige", schilderte ein 16-Jähriger, der den Fängen der radikal-islamischen al-Nusra-Miliz entkommen konnte, "aber manchmal hat einfach ein Kommandant zu einem von uns gesagt: ,Allah hat dich auserwählt‘." Von mindestens 200 den Rebellen zugeordneten getöteten Buben weiß man. Ihre Dunkelziffer dürfte viel höher sein.

133 kurdische Buben befinden sich seit mehr als einem Monat in der Gewalt der radikalen ISIS. Von den Schulabschlussprüfungen in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo kommend, war ihr Autokonvoi von den ISIS-Kämpfern gestoppt worden. Nur die mitfahrenden Mädchen durften gehen. Die Buben sind seither vermisst. Zwei von ihnen, die nach Tagen fliehen konnten, berichteten: Die ISIS zwingt die Kinder, die Regeln der Scharia zu lernen und grausamste Videos von Exekutionen und Selbstmordattentaten anzusehen. Schläge gibt es täglich.

Die UNO appellierte am Mittwoch erneut an die ISIS, ihre jungen Geiseln freizulassen. Deren Eltern klammern sich an eine vage Hoffnung: Dass ihre Kinder gegen die von kurdischen Milizen gefangene ISIS-Kämpfer ausgetauscht werden könnten.

Israel hat am frühen Donnerstagmorgen Luftangriffe gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen geflogen. Wie die israelischen Streitkräfte mitteilten, wurden nach dem Beschuss Israels mit mehr als 20 Raketen, 15 Hamas-Ziele angegriffen. Darunter seien versteckte Raketenabschusseinrichtungen und Waffenlager gewesen.

Palästinensische Augenzeugen berichteten von heftigen Explosionen und sprachen von mehr als zehn Luftangriffen. Etwa zehn Verletzte seien in Krankenhäuser gebracht worden. Es seien Gebäude beschädigt worden.

Den Luftangriffen war der Beschuss von Südisrael mit Raketen aus dem Gazastreifen vorausgegangen. Dabei wurden nach israelischen Medienangaben in Sderot ein Haus und mehrere Autos getroffen. Der Strom sei teilweise ausgefallen.

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