Warnung vor "Religionskrieg"

Rache für Terror: Israelische Soldaten zerstörten am Mittwoch in Ostjerusalem das Haus eines Attentäters, der im Oktober in eine Straßenbahnhaltestelle gerast war. „Eigenverantwortliche“ Anschläge einzelner Palästinenser wie jener am Dienstag auf eine Synagoge in Jerusalem (sieben Tote) haben in den vergangenen Wochen massiv zugenommen.
Berater von Palästinenser-Präsident Abbas sieht Anzeichen für Krieg Muslime – Juden.

Nach den massiven Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern, die sich in den vergangenen Wochen oft in blutigen Gewaltakten entladen haben, warnt Mahmoud Habbash vor der realen Gefahr eines umfassenden Religionskrieges. "Wir bewegen uns in diese Richtung. Und das wäre dann ein Krieg von Angesicht zu Angesicht", sagte der Vorsitzende des obersten palästinensischen Sharia-Gerichtshofes im KURIER-Gespräch am Rande der Dialog-Konferenz in Wien.

Jeder gegen jeden

Warnung vor "Religionskrieg"
Abdullah-Zentrum, Mahmoud Habbash
Konkret bedeute das, dass "jeder Palästinenser jeden Israeli als Feind betrachten würde – und umgekehrt." Mehr noch: "Jeder Muslim weltweit würde sich im Kriegszustand mit jedem Juden befinden", so Habbash, der früher Minister für religiöse Angelegenheiten war und jetzt Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas in diesen Belangen berät.

Schuld daran trage Israel in dreierlei Hinsicht: Durch die andauernde Besetzung der palästinensischen Gebiete, durch die aggressive Siedlungstätigkeit und durch die Offensive gegen islamische Stätten, allen voran gegen die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg. Allein in den vergangenen drei Jahren seien 50 Moscheen von jüdischen Siedlern in Brand gesetzt worden.

Und die Angriffe radikaler Palästinenser in Israel, wie erst am vergangenen Montag in einer Synagoge in Jerusalem? "Das sind normale Reaktionen auf diese Politik Israels. Wir haben keine Freiheiten. Viele Menschen haben daher alle Hoffnung verloren. Wir verurteilen jede Gewalt, aber wir können nicht alle Taten unserer Leute kontrollieren. Das kann Österreich auch nicht."

"Staat auf dem Mond?"

Jahrelang habe man Israel gefragt, wo denn im Rahmen der Zwei-Staaten-Lösung die Grenzen sein sollten, "aber sie setzen in unserem Stammland ihre Siedlungsaktivitäten ungebremst fort. Wo kann da unser Staat entstehen? Auf dem Mond?", fragt sich der Palästinenser.

Um eine "Explosion" in der Region zu verhindern, müssten zwei Dinge passieren. Erstens müssten beide Seiten ihre Sprache mäßigen, also keine Hass-Tiraden mehr. In diesem Zusammenhang "weisen wir unsere Imame an, nicht gegen Juden, Israelis oder den Staat Israel an sich aufzutreten". Und zweitens müsse Israel seine Besatzungs- und Siedlungspolitik schnell beenden. Dazu müssten die USA, die EU und die UNO den Druck auf die israelische Regierung massiv erhöhen.

Ja zu EU-Sanktionen

Die in Brüssel diskutierten Sanktionen gegen Israel wegen dessen Siedlungstätigkeiten in Ostjerusalem und dem Westjordanland begrüßte Habbash uneingeschränkt. Denn ein Religionskrieg, den die palästinensische Führung keinesfalls wolle, würde auch Israel hart treffen. In dieser Hinsicht müsse die Europäische Union Israel davor bewahren, sich gleichsam selbst zu schädigen. "Das ist wie bei der Erziehung: Manchmal müssen Eltern ihre Kinder bestrafen, um diese letztlich zu beschützen."

Für die Zukunft des nahöstlichen Raumes sieht Mahmoud Habbash drei Szenarien: "Die Zwei-Staaten-Lösung, wie sie seit Jahren diskutiert wird, die Ein-Staaten-Lösung, in der wir alle, Israelis und Palästinenser, mit gleichen Rechten zusammenleben können, oder den Krieg."

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