Der Müncher Amokläufer besorgte sich die Waffe illegal im Internet

Deutschlands Politik will beim Waffengesetz nachschärfen.
Innenminister Thomas de Maiziere ruft Bevölkerung nach Bluttat von München zur Wachsamkeit auf. Experte: Depression nicht Auslöser für Amoklauf.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) schließt nach der Bluttat von München eine Verschärfung des Waffenrechts nicht aus. Zunächst müsse ermittelt werden, wie sich der 18-jährige Todesschütze die Waffe beschafft habe, sagte der Minister der Zeitung Bild am Sonntag.

"Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt", fügte de Maiziere hinzu. Die deutschen Waffengesetze seien allerdings jetzt schon "sehr streng". Der 18-jährige Schüler David Ali S. hatte am Freitagabend beim Münchner Olympia Einkaufszentrum (OEZ) neun Menschen und dann sich selbst erschossen.

Nach Erkenntnissen der Polizei handelte es sich um den Amoklauf eines Einzeltäters. Er soll unter Depressionen gelitten haben.

"Vom Krankheitsbild her nicht gerechtfertigt"

Der Amoklauf sei nach Einschätzung eines Experten aber nicht durch eine mögliche Depressionserkrankung des 18 Jahre alten Täters ausgelöst worden. "Mit großer Sicherheit kommt eine Depression des Täters als Ursache für den Amoklauf in München nicht in Frage", erklärte Professor Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. "Wir sehen es mit großer Sorge, wenn Depressionen mit Gewalttaten in Verbindung gebracht werden", sagte der Experte am Sonntag. Das sei vom Krankheitsbild her nicht gerechtfertigt.

Nach seinen Angaben leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen an "behandlungsbedürftigen Depressionen". Es gebe keine Hinweise, dass diese Menschen häufiger Gewalttaten als andere begehen würden. "Eher sogar im Gegenteil: Depressiv erkrankte Menschen sind im gesunden Zustand meist besonders verantwortungsvolle, fürsorgliche Menschen", sagte Hegerl weiter. In der depressiven Krankheitsphase neigten sie zu übertriebenen Schuldgefühlen, dies sei ein zentrales Diagnosemerkmal. "Sie geben immer sich selbst die Schuld, nicht anderen und würden deshalb nie auf den Gedanken kommen, fremde Menschen in einem Amoklauf zu töten." In der Wohnung fanden die Ermittler ärztliche Behandlungsunterlagen, die auf eine Angststörung und Depressionen hindeuteten, sowie Medikamente.

Tatwaffe im Darknet besorgt

Der Deutsch-Iraner nutzte für seine Tat eine Neun-Millimeter-Glock-Pistole. Diese habe der 18-Jährige offenbar illegal besessen, da die Seriennummer der Waffe ausgefeilt war, teilten die Ermittler mit. Wo die Waffe herkam, ist noch offen. Es handelte sich laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung um eine Theaterwaffe, die zunächst unscharf und später wieder gebrauchsfähig gemacht wurde. Die Waffe trage ein Prüfzeichen aus der Slowakei, der Täter habe sie sich aus dem Darknet beschafft, wo sich Internetnutzer fast unerkannt bewegen können. Die Zeitung berief sich dabei auf Informationen aus Ermittlerkreisen.

Illegalen Waffenhandel in Europa unterbinden

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, hat einen verstärkten Kampf gegen den illegalen Waffenhandel in Europa gefordert. „Deshalb befürworte ich strengere Regularien beim Waffenhandel und die Errichtung eines europäischen Waffenregisters nach dem Vorbild des nationalen Waffenregisters in Deutschland“, sagte Mayer am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. In Deutschland selbst sei der gesetzliche Handlungsdruck aber begrenzt. „Deutschland verfügt bereits eines der schärfsten Waffengesetze in Europa.“ Es wäre falsch, sämtliche Schützen oder Jäger unter Generalverdacht zu stellen.

Auch der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Waffenkontrolle ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren.“ Der SPD-Politiker sagte zudem, Staat und Gesellschaft müssten bei psychisch instabilen Menschen „hinsehen und intervenieren - gerade bei Jugendlichen“.

Täter machte Fotos in Winnenden

Der Amoktäter hat sich nach dem Bericht der Süddeutschen Zeitung bei seiner Tat stärker am norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik und dem Amokläufer von Winnenden orientiert als bekannt. Er war nach Informationen des Blattes selbst nach Winnenden gefahren, hatte sich dort umgesehen und Fotos gemacht. Außerdem hatte er demnach das "Manifest" Breiviks auf seinem Rechner.

De Maiziere rief die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf, um Gewalttaten zu verhindern. "Wenn Menschen sich verändern, psychisch auffällig werden oder sich radikalisieren, bedeutet das eine besondere Herausforderung für ihre Familien, für Freunde und behandelnde Ärzte und Therapeuten", sagte er der BamS. "Bei Anzeichen von Veränderungen, die Anlass zur Sorge geben, kann und muss professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden", da solche Entwicklungen das Umfeld des Betroffenen sonst "schnell überfordern".

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