„Ich stoppe Temelin, wenn ihr uns dafür Zwentendorf gebt – aber billig“

Interview mit dem tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman im Cafe Central in Wien am 23.04.2013.
Präsident Milos Zeman kritisiert Außenminister Schwarzenberg, ortet Inkompetenz in Tschechiens Politik und findet originelle Lösungen im Atomstreit.

KURIER: Herr Präsident, warum haben Sie Österreich noch vor Deutschland zum Ziel Ihrer Auslandsreise gewählt?

Milos Zeman: Weil Heinz Fischer seit mehr als 20 Jahren ein guter Freund von mir ist. Auch wenn viele sagen, in der Politik gibt es nur Feinde. Außerdem ist Österreich der größte Investor in Tschechien, mit mehr als tausend gut funktionierenden Unternehmen, und ich bin ein ökonomischer Pragmatiker. Ich betreibe wirtschaftliche Diplomatie.

Warum aber haben Sie unmittelbar vor diesem Besuch erneut die Benes-Dekrete verteidigt?

Im 30-jährigen Krieg wurden alle Schätze aus der Prager Burg nach Schweden transportiert, und ich erkläre trotzdem den Schweden nicht den Krieg. Mein Job als Politiker ist in die Zukunft zu schauen und nicht in die Vergangenheit. Ich lausche interessiert der Diskussion über die Benes-Dekrete, aber das gehört in die Vergangenheit. Jeder, der das Thema Benes-Dekrete anschneidet, beweist nur, dass er kein guter Politiker ist, aber er könnte ja ein qualifizierter Historiker sein. Also lassen wir ihn seinen Beruf ändern.

Sie sind der erste vom Volk gewählte tschechische Präsident. Was bedeutet das für Sie?

„Ich stoppe Temelin, wenn ihr uns dafür Zwentendorf gebt – aber billig“
Interview mit dem tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman im Cafe Central in Wien am 23.04.2013.
Es bedeutet nicht größere Kompetenzen, aber größere Verantwortung. Ich bin die Stimme der Menschen und nicht die Stimme des Parlaments. Eine parlamentarische Mehrheit sind gerade einmal 101 Stimmen, an den Wahlen haben mehr als fünf Millionen teilgenommen. Was also zählt mehr? Wenn also jemand behauptet, 101 Abgeordnete sind intelligenter als fünf Millionen Menschen, würde ich glatt das Gegenteil behaupten.

Sie führen einen Konflikt mit Außenminister Schwarzenberg, etwa um Botschafter-Besetzungen. Ist dieser Streit sinnvoll?

Natürlich ist das ein sinnvoller Streit. Vor allem, weil wir deshalb in der tschechischen Verfassung nachlesen. Und ich muss leider sagen, dass Herr Schwarzenberg die tschechische Verfassung nicht kennt, denn darin steht, der Staatspräsident ernennt die Botschafter.

Sie waren lange Zeit glücklicher Pensionist, warum gingen Sie in die Politik zurück?

Wegen der totalen Inkompetenz und des amateurhaften Verhaltens in der linken und der rechten tschechischen Politik. Wenn der Landwirtschaftsminister von Landwirtschaft keine Ahnung hat und der Industrieminister von Industrie nichts versteht und der Verteidigungsminister einen Panzer von einem Traktor nicht unterscheiden kann, dann muss etwas geschehen. Die wichtigste Trennlinie in der Politik ist nicht die zwischen links und rechts, sondern die zwischen Profis und Amateuren. Das sage ich, auch wenn ich ein Linker bin.

Was heißt es für Sie, ein Linker, ein Sozialdemokrat zu sein?

Der wichtigste Wert der Linken ist die Solidarität, jener der Rechten der Erfolg des Einzelnen. Beide Werte sind wichtig, aber für einen Sozialdemokraten ist die Solidarität immer noch Nummer eins. Aber gleich dahinter kommt der Erfolg des Einzelnen, denn ohne den sind alle Leute arm.

Mit Ihnen als Präsident wird Tschechiens Politik EU-freundlich, gilt das auch für die Tschechen?

In Tschechien gibt es zwei Arten von Menschen. Erstens die Unternehmer, die wollen den Euro. Die anderen verstehen einfach nicht, was der Euro bedeutet, weil sie keine wirtschaftliche Bildung haben. Ich war in der Slowakei, und dort sind 70 Prozent der Menschen mit dem Euro zufrieden. Das ist wie mit Sex. Sie brauchen eine erste Erfahrung, denn sonst ist ihre Kritik die Kritik eines Impotenten.

Was aber ist Ihre Hauptkritik an der EU?

Ich habe das schon Kommissionspräsident Barroso gesagt, als er in Prag war: Sprecht nicht über Glühbirnen, Frauenquoten oder sogar Zigaretten, das ist alles eine Frage der nationalen Parlamente, kümmern wir uns lieber um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Leider kümmert sich Brüssel lieber um Glühbirnen und anderen Unsinn. Das ist nicht die Aufgabe der EU.

Wie könnte man eine erfolgreiche tschechische Regierung zustande bringen?

Indem man erfolgreiche Bürgermeister, regionale Politiker oder sogar Unternehmer an die Stelle mancher – und ich sage es höflich – nicht so erfolgreicher Spitzenpolitiker treten lässt. Wenn jemand auf dieser Ebene erfolgreich ist, ist die Chance geringer, dass er in einer Regierung versagt.

Sehen Sie eine Lösung für den ewigen Streit rund um das AKW Temelin?

Ich habe einen Vorschlag. Ich stoppe den Ausbau von Temelin, aber nur unter einer Bedingung, wenn ihr uns das AKW Zwentendorf vermietet. Dann wären wir endlich Großinvestoren in Österreich. Es müsste aber billig sein. Wir sind schließlich kein so reiches Land wie Österreich.

Bei strahlendem Wetter und mit einer Viertelstunde Verspätung trat Milos Zeman am Dienstag einen zweitägigen Antrittsbesuch in Wien an. Er nannte zwei Gründe, warum er die Donaumetropole Berlin und Warschau vorgezogen hatte: Die Freundschaft zum Amtskollegen Heinz Fischer und um tschechischen Firmen bei ihrem Einstieg in Österreich zu helfen. Schließlich seien in Tschechien 1500 österreichische Firmen tätig, umgekehrt aber nur 130 tschechische Firmen in Österreich registriert.

So reiste der tschechische Präsident mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Österreich an und absolviert heute auch einen Auftritt in der Wirtschaftskammer.

Auf die seit Monaten vakante Stelle des Botschafters in Wien angesprochen, versprach Zeman eine baldige Lösung: „Laut Verfassung ernennt der Präsident die Botschafter nach Absprache mit dem Regierungschef, oder mit dem Außenminister.“ Mit dieser Aussage stellte Zeman Karel Schwarzenberg eine Rute ins Fenster. Wenn sich der Chefdiplomat Zemans Vorschlägen nicht beugt, wird der Präsident seine Kandidaten mithilfe des Ministerpräsidenten durchsetzen.

Auf der Prager Burg liegt seit Monaten eine Liste von neuen Botschaftern, die Zeman nicht unterschreiben will. Der gravierendste Grund: Zeman möchte Livia Klausova, die Gattin seines Vorgängers, als Botschafterin nach Bratislava schicken, was Schwarzenberg ablehnt.

„Sollte der Präsident seine Drohung wahrmachen und mich umgehen, werde ich sofort die Regierung verlassen“, ließ Schwarzenberg aus Brüssel verlauten, wo er am Dienstag verhandelte. Dies könnte den Fall der Prager Regierung bedeuten.

Im Mittelpunkt des Interesses der tschechischen Medien stand auch der Auftritt der First Lady. Ivana Zemanova begleitete zwar ihren Mann, außer an der Begrüßungszeremonie nahm sie jedoch an keinem weiteren offiziellen Termin mehr teil. Zemanova gilt als besonders öffentlichkeitsscheu.

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