Merkel sieht Ungarns Volksbefragung gelassen

Merkel: "Wird eine Antwort auf schon herrschende Regierungspolitik geben."
Premierminister Viktor Orban will am 2. Oktober abstimmen lassen, ob sein Land Flüchtlinge nach EU-Verteilungsquote aufnehmen soll. Die Opposition will das Referendum boykottieren.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat gelassen auf die Terminierung des ungarischen Referendums über die EU-Flüchtlingspolitik reagiert. "Die Fragestellung ist ja dort so (...) gemacht, dass es eine Antwort auf die jetzt schon herrschende Regierungspolitik geben wird", sagte sie am Dienstag nach einem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri in Berlin.

"Erwarte mir keine Veränderung"

"Insofern erwarte ich mir von dem Referendum keine Veränderung der augenblicklichen Situation." Die Volksabstimmung soll am 2. Oktober stattfinden. Ungarns rechtspopulistische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban lehnt die geplante Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU ab. Im September 2015 hatte die EU beschlossen, etwa 160.000 Flüchtlinge, die über das Mittelmeer in Italien und Griechenland angekommen waren, innerhalb der EU zu verteilen. Ungarn soll davon gut 2.300 aufnehmen. Dagegen hat das Land - ebenso wie das Nachbarland Slowakei - im vergangenen Dezember auch Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht.

Derweil haben ungarische Oppositionspartein angekündigt, das Referendum über verpflichtende EU-Flüchtlingsquoten boykottieren zu wollen. Sowohl die Sozialisten (MSZP) als auch die sozialliberale Oppositionspartei Együtt (Gemeinsam) kritisierten die Volksabstimmung, deren Termin am Dienstag für 2. Oktober festgelegt wurde. Mit dem Quotenreferendum werde der Austritt Ungarns aus der Europäischen Union vorbereitet, so die MSZP, die ihren Wählern empfahl, nicht zu den Wahlurnen zu gehen. "Damit wir in Europa bleiben können", zitierte die Ungarische Nachrichtenagentur MTI die Worte des stellvertretenden MSZP-Chefs Zoltan Gögös.

Regierende Fidesz: "Brüssel muss gestoppt werden"

Gänzlich anders sieht das freilich die Regierungspartei Fidesz-MPSZ. Mit dem Quotenreferendum am 2. Oktober "muss Brüssel gestoppt werden, dessen einwanderungsfreundliche Politik Ungarn und die Einheit Europas gefährdet", wie es in einer Aussendung der Parlamentsfraktion hieß. "Brüssel kann nicht an unserer Stelle darüber entscheiden, mit wem wir zusammenleben".

Die Referendumsfrage - "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die zwingende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?" - bezeichnet die liberale Partei "Dialog für Ungarn" (PM) als "unsinnig". Mit dieser Frage und ihrer "Hetzkampagne" wolle die Regierungspartei Fidesz-MPSZ nur von den wahren Problemen, wie Armut, niedrige Löhne, verdienstlose Wirtschaft, heruntergekommenes Gesundheits- und Bildungswesen ablenken. Fidesz-MPSZ hätte bis zum Votum noch drei Monate Zeit, um die Menschen mit der Hetze gegen Flüchtlinge und die EU zu beschäftigen.

Vorzimmer für Austritt aus der EU

Auch Együtt rief zum Boykott des Referendums auf und begann mit einer Unterschriftensammlung zur Unterstützung der EU-Mitgliedschaft Ungarns. Mit dem Referendum wolle Premier Viktor Orban nur seine Macht ausbauen, wobei er die Flüchtlingsfrage nur für seine eigenen politischen Ziele verwenden würde. Laut der Demokratischen Koalition (DK) bedeute ein gültiges Referendum über die Flüchtlingsquoten bereits "das Vorzimmer zum Austritt aus der EU", heißt es in einer Aussendung.

Die rechtsradikale Jobbik-Partei appellierte an ihre Mitglieder und Sympathisanten indes, gegen die Quoten und das "unsinnige Brüsseler Diktat" zu stimmen. Es bestünde Hoffnung, dass nun auch Fidesz-MPSZ mit jener Praxis bricht, nach der "wir das, was "Brüssel von uns verlangt, erfüllen, obwohl es unnötig, unwürdig und ungerecht ist", betonte Jobbik-Sprecher Adam Mirkoczi laut MTI.

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