"Mein Kampf" als Gratisbuch

Empörung über Berlusconi-Zeitung "Il Giornale", die Hitlers Hetzschrift an Leser verschenkt.

"Man muss es kennen, um es abzulehnen" – mit dieser Begründung verteilt die rechte Tageszeitung Il Giornale an diesem Wochenende Hitlers "Mein Kampf" an seine Leser. Von Bozen bis Palermo liegt Hitlers Hetzschrift an den Kiosken auf. Das bisher verbotene Werk macht den Auftakt einer achtteiligen Bücherserie des Verlags über das "Dritte Reich".

"Abstoßend"

Die Verteilung stößt nicht nur bei der jüdischen Gemeinde und der israelischen Botschaft in Rom auf heftige Kritik. Auch Premier Matteo Renzi lehnt die Aktion ab. "Es ist abstoßend, dass eine italienische Tageszeitung heute das Werk von Hitler verteilt", twittert der Regierungschef und versichert der jüdischen Gemeinschaft seine Solidarität. Der Verbandspräsident der italienischen Juden, Renzo Gattegna, spricht von einer "schäbigen Tatsache, die verschiedene Faktoren ignoriert, die die Menschheit in einen endlosen Abgrund des Hasses, der Tod und Gewalt führte." Il-Giornale-Chefredakteur Alessandro Sallusti ist für seine rechten Positionen, seine ausländerfeindliche Haltung und seinen Anti-Immigrationskurs bekannt. Der 59-jährige Medienmacher betont in einem Kommentar, dass die jüdische Gemeinde in Deutschland die Veröffentlichung von "Mein Kampf" gutgeheißen hätte. Er erwähnte allerdings nicht, dass es sich dabei um eine Neuauflage handelte, die mit zahlreichen Fußnoten des Instituts für Zeitgeschichte versehen worden war.

Die Tageszeitung mit Sitz in Mailand gehört dem Bruder von Ex-Premier Silvio Berlusconi. Das Blatt erscheint täglich in einer Auflage von 200.000 Stück und rangiert bei den Verkaufszahlen auf dem achten Platz. Die Entscheidung des Verlags, nur eine Woche vor den Kommunalwahlen "Mein Kampf" beizulegen, kritisieren Vertreter der Linken als Wahlpropaganda. "Es ist eine klare Einladung an den rechten äußeren Flügel, nächste Woche bei der Stichwahlen rechts zu wählen."

Erst vor wenigen Tagen wurde in Italien ein Gesetz verabschiedet, das die Leugnung des Holocaust mit einer Gefängnisstrafe von zwei bis sechs Jahren belegt.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte das US-Militär die Urheberrechte von „Mein Kampf“ an den Freistaat Bayern übertragen, der seither Neuveröffentlichungen im In- und Ausland verhinderte. Diese Rechte liefen Ende 2015 aus. In Ländern wie Deutschland und Österreich wären unkommentierte Ausgaben aber nicht denkbar, da sie wohl unter den Straftatbestand Wiederbetätigung fallen würden.
Die englischen Übersetzungsrechte wurden in den 30er-Jahren vom Eher-Verlag verkauft – englische Ausgaben sind seit Jahren erhältlich. Auch im Internet.

Kommentare