Mazedonien: Verletzte bei Tränengas-Einsatz

Ärzte ohne Grenzen leistet Hilfe, UNHCR kritisierte Grenzschließung durch Mazedonien.

Ein Team von Ärzte ohne Grenzen behandelte im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland am Freitag zehn Flüchtlinge, die durch Blendgranaten verletzt worden seien. Schon nach der Abriegelung der Grenze am Vortag habe das Team mehr als 100 Flüchtlinge wegen Erkrankungen und Erschöpfung medizinisch versorgt, teilte die Gruppe mit, die auch Hilfsgüter an die Menschen verteilte.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kritisierte die Grenzschließung. "Diese Flüchtlinge sind auf der Suche nach Schutz und dürfen davon nicht abgehalten werden", sagte Sprecherin Melissa Fleming. Europa müsse eine Lösung finden und dürfe die überlasteten Länder Mazedonien und Serbien nicht allein lassen.

Nach Grenzsperre beschränkte Einreise

Die mazedonischen Behörden haben indes laut Medienberichten in Skopje beschlossen, nur noch einer begrenzten Zahl von illegalen Migranten die Einreise zu erlauben. Vorrang sollen dabei laut Regierungsbeschluss die bedürftigsten Gruppen, darunter Kinder, haben.

Kurz nach der Erklärung durften einige hundert Menschen, meist Familien und Schwangere, die Grenze passieren. In den vergangenen 24 Stunden seien 181 Einwanderern Reisepapiere ausgehändigt worden, teilte das Innenministerium weiter mit. Die meisten kamen aus Syrien.

Mazedonien: Verletzte bei Tränengas-Einsatz
epa04891412 An aerial view taken from a drone of a makeshift refugee camp at the buffer zone of the Greek-FYROM border, near the border village of Idomeni, northern Greece, 21 August 2015. Macedonian police clashed with thousands of migrants attempting to break into the country after being stranded in no-man's land overnight, marking an escalation of the European refugee crisis for the Balkan country. Macedonia had closed the border to refugees and declared a crisis situation in the border zone, calling upon the military to curb the inflow of migrants and deploy border patrols. EPA/NIKOS ARVANITIDIS

Fünf Flüchtlinge bei Zusammenstoß verletzt

Die mazedonische Polizei ist am Freitag an der Grenze zu Griechenland mit Tränengas gegen Flüchtlinge vorgegangen. Hinter Stacheldraht verschanzte Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengaspatronen in eine aufgebrachte Menge, die Einlass in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik forderte, berichtete ein Reuters-Reporter. Dabei wurden mindestens fünf Flüchtlinge leicht verletzt.

Auch ein AFP-Fotograf berichtete, dass die Polizei an einem in der Nacht errichteten Grenzzaun nahe der griechischen Ortschaft Idomeni Blendgranaten einsetzte, um die Flüchtlinge zurückzudrängen. Die mazedonischen Behörden wiesen die Berichte zurück. Es habe auf der mazedonischen Seite der Grenze keinen derartigen Vorfall gegeben, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Viele andere Flüchtlinge legten sich aus Protest gegen die Blockade auf die Bahngleise in der Nähe des Grenzübergangs Gevgelije.

Zuvor Ausnahmezustand ausgerufen

Mehr als 3.000 Flüchtlinge verbrachten die kühle Nacht unter freiem Himmel im Niemandsland, nachdem Mazedonien am Donnerstag an seinen Grenzen im Süden und Norden wegen der hohen Anzahl von Flüchtlingen den Ausnahmezustand ausgerufen und damit die Grenzen faktisch geschlossen hatte. Die meisten von ihnen kommen aus dem Bürgerkriegsland Syrien.

Mazedonien hat sich zu einem Haupt-Transitland für Flüchtlinge entwickelt, die über Griechenland weiter in die nördlichen Staaten der Europäische Union wollen. Seit Juni gilt ein neues Gesetz, das Flüchtlingen 72 Stunden Zeit gibt, durch Mazedonien zu reisen und dabei auch öffentliche Verkehrsmittel kostenlos zu nutzen. Seitdem schwoll die Zahl der Flüchtlinge im mazedonischen Grenzort Gevgelija täglich an. In Griechenland waren allein im Juli 50.000 Menschen aus unterschiedlichen Staaten angekommen, weit mehr als im gesamten vergangenen Jahr.

Einsatz kostet 800.000 Euro pro Monat

In den vergangenen zwei Monaten wurden in Mazedonien laut Medienberichten 41.000 Asylwerber registriert. Nach Angaben eines Polizeisprechers stiegen die Kosten des Einsatzes der mazedonischen Polizei infolge des Flüchtlingsstroms alleine an der Grenze zu Griechenland auf 800.000 Euro monatlich. Der am gestrigen Donnerstag verhängte Ausnahmezustand beinhaltet auch den Einsatz von Militär an der Grenze zu Griechenland und in der Gemeinde Kumanovo im Norden Mazedoniens.

Mazedonien: Verletzte bei Tränengas-Einsatz
A migrant girl walks on the train tracks near the village of Idomeni at the Greek-Macedonian border, August 20, 2015. Macedonia moved to cut off the flow of migrants pouring over its southern border with Greece on Thursday, deploying riot police in armored vehicles and calling out the army under a state of emergency. REUTERS/Alexandros Avramidis

In der Nacht auf Freitag wurde bereits die Polizeipräsenz an der Grenze verstärkt, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Soldaten waren demnach am Freitagvormittag zunächst nicht zu sehen. Das Nachrichtenportal "Plus Info" berichtete dagegen, dass auch das Militär den Grenzraum nahe Gevgelije kontrolliert habe. Trotz der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen gelang es in der Nacht einer Gruppe von rund 250 Flüchtlingen, in einem Wald die Grenze zu überqueren. Sie warteten am Freitag am Bahnhof von Gevgelija auf einen Zug zur Weiterfahrt nach Norden, wie einige von ihnen AFP sagten. Auch am Bahnhof waren demnach zusätzliche Polizisten im Einsatz, die den wartenden Flüchtlingen zunächst keine Papiere zur Weiterreise ausstellten.

Ausnahmezustand fördert Schlepper

Der Ausnahmezustand hat laut dem serbischen TV-Sender RTS bereits zu einem geringeren Flüchtlingsandrang in der südserbischen Grenzstadt Presevo geführt. Demnach wurde der Zugverkehr Richtung Norden eingestellt.

Nichtregierungsorganisationen kritisierten unterdessen den Ausnahmezustand: Dieser werde das Schlepperunwesen florieren lassen, warnte Mersiha Smailovic, eine Mitarbeiterin der mazedonischen NGO Legis. Die Schlepperkriminalität war seit Mitte Juni zurückgegangen, nachdem durch die Novelle des Flüchtlingsgesetzes den Migranten ermöglicht worden war, innerhalb von drei Tagen einen Asylantrag zu stellen und dadurch auch das Recht auf die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu erhalten. Das wurde zur Weiterreise durch Mazedonien nach Serbien und in die EU genutzt.

Mazedonien: Verletzte bei Tränengas-Einsatz
A group of immigrants who have made through police blockades arrive at the Gevgelija railway station August 21, 2015. Macedonian police drove back crowds of migrants and refugees trying to enter from Greece on Friday after a night spent stranded in no-man's land by an emergency decree effectively sealing the Macedonian frontier. REUTERS/Ognen Teofilovski

Polizist von Migrant erstochen

In Gevgelija wurde in der Nacht ein Sonderpolizist von einem Migranten erstochen. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.

Das serbische Außenministerium forderte Mazedonien-Reisende zu größeren Vorsichtsmaßnahmen auf. Von einer Benutzung der Eisenbahnstrecke zwischen Idomeni und Gevgelija wird abgeraten. Unannehmlichkeiten könnten auch entstehen, wenn man Flüchtlinge als Autostopper mitnimmt, warnte das Ministerium. Entsprechend dem mazedonischen Strafgesetz dürfte dies nämlich von der mazedonischen Justiz als Schlepperdienst qualifiziert werden. Dafür seien mehrjährige Haftstrafen vorgesehen, berichtete die amtliche serbische Nachrichtenagentur Tanjug.

Weiterführende Artikel

Kommentare