"Logischer Schritt": NATO-Beitritt

Schwedens Verteidigungsministerin Enström tritt für einen NATO-Beitritt ihres Landes ein.
Verteidigungsministerin Karin Enström über Lehren und Folgen der Krim-Krise.

Russlands Vorpreschen auf der Krim hat auch im bündnisfreien Schweden das Thema NATO-Beitritt wieder aufs Tapet gebracht. Eine der Befürworterinnen, Schwedens Verteidigungsministerin Karin Enström (48), im KURIER-Interview.KURIER: Inwieweit betrifft das Vorgehen Russlands auf der Krim auch Schweden?

Karin Enström: Es verändert offensichtlich die ganze Sicherheitslage und Verteidigungspolitik der EU und damit auch Schwedens. Deshalb habe ich unsere Verteidigungskommission beauftragt, die gerade für die Regierung eine Gesetzesvorlage für unsere Militärdoktrin vorbereitet, diese neuen Entwicklungen in der Ukraine zu berücksichtigen. Wir haben von russischer Seite etwas Inakzeptables gesehen. Russland war offenbar auch darauf vorbereitet, die Grenzen Europas mit Gewalt zu ändern. Das ist sehr ernst, und es betrifft auch uns in Schweden. Wir müssen unsere militärischen Kapazitäten weiter stärken, dafür werden wir mehr finanzielle Mittel aufwenden.

Heißt das, dass Schweden in naher Zukunft der NATO beitreten könnte?

Das wäre für Schweden ein Schritt von sehr großer Tragweite. Traditionell muss bei uns für solch schwerwiegende Veränderungen eine große Mehrheit damit einverstanden sein. Meine Partei und noch eine andere im Parlament sind für einen NATO-Beitritt. Aber derzeit gibt es weder auf der politischen Seite noch in der Öffentlichkeit eine breite Mehrheit dafür. Die jüngsten Meinungsumfragen zeigen, dass die Unterstützung in der Bevölkerung für einen NATO-Beitritt sogar gesunken ist.

Haben Sie eine Erklärung dafür? Haben die Schweden kein Vertrauen in die NATO?

Schwer zu sagen. Aber die Menschen sehen einen NATO-Beitritt als eine fundamentale Entscheidung. Vielleicht dauert es noch einige Zeit, bis die Ereignisse in der Ukraine und der Krim wirklich "gesickert" sind.

Wie argumentiert Ihre Partei für einen NATO-Beitritt Schwedens?

Es wäre der natürliche nächste Schritt in der Entwicklung unserer Sicherheitspolitik. Schweden hat die Politik der Neutralität und Isolation verlassen. Wir müssen Sicherheit zusammen mit anderen Ländern und Organisationen aufbauen. Zumal wir viel mit anderen NATO-Ländern kooperieren, wäre es nur logisch, auch Teil der Entscheidungsprozesse zu sein. Außerdem hätte man die Garantien des Artikels 5 ("Bündnisfall", Anmerkung). Aber wie gesagt, dafür braucht es breite politische Unterstützung in Schweden. Das ist nichts, was man einfach so durchdrückt.

NATO-Chef Rasmussen warnte, dass Russlands Vorgehen auf der Krim erst der Anfang einer größeren Militärkampagne sein könnte. Teilen die Schweden diese Sorgen?

Was wir jetzt in Russland sehen, sind eine klare Sprache und eine Entschlossenheit, die wir zuvor nicht gesehen haben. Die Menschen sind besorgt und fragen sich, wo das hinführen wird. Wie wird das unsere Beziehungen zu Russland verändern? Und wie wird es die Beziehungen der drei baltischen Länder zu Russland verändern?

Wer würde Schweden im Ernstfall verteidigen?

Zunächst einmal müssen wir uns selbst verteidigen. Aber natürlich kann ein Land in Europa nicht allein da stehen. Die Sicherheit all unserer Länder ist eng miteinander verwoben. Im Sinne des EU-Vertrages von Lissabon sind wir darauf vorbereitet, andere Nationen zu unterstützen, und hoffen, dass auch andere Nationen uns unterstützen würden, weil es in ihrem eigenen Interesse liegen würde.

Ihr Generalstabschef sagte vor Kurzem, dass Schwedens Armee nur eine Woche lang in der Lage wäre, das Land zu verteidigen. Stimmt das?

Dieses Zitat wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Er hatte gerade ein bestimmtes Szenario beschrieben. Aber wir bauen derzeit unsere militärischen Fähigkeiten aus, und wir sind jetzt besser vorbereitet als 2006, als diese Regierung an die Macht kam.

Die Verteidigungsministerin Schwedens, seit rund zwei Jahren im Amt, kennt das Militär auch bestens von innen. Sie ist Berufsoffizier und mit einem Offizier verheiratet, ihr Vater war General. Seit 15 Jahren ist Enström Abgeordnete für die rechts-liberale Moderate Partei. Die Ministerin ist dreifache Mutter.


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