Libyen: EU erwägt Bau von "Inhaftierungseinrichtungen"

Aus Libyen kommende Flüchtlinge in Italien.
Medien berufen sich auf ein Papier des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Angesichts tausender Flüchtlinge, die in Libyen auf eine Überfahrt nach Europa hoffen, erwägt die Europäische Union den Aufbau von "Inhaftierungseinrichtungen" in dem nordafrikanischen Krisenstaat. Das geht aus einem 17-seitigen Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes hervor, das am Freitag der Nachrichtenagentur AFP vorlag.

In dem Papier werden Möglichkeiten der EU für eine Zusammenarbeit und Stärkung der Einheitsregierung in Libyen beschrieben. Dabei geht es auch um die Flüchtlingspolitik. Der Kampf gegen Schlepper und Menschenschmuggel sei für die Behörden des Landes kaum möglich. Als Möglichkeit einer Kooperation wird die "Unterhaltung zeitweiliger Unterkünfte" für Flüchtlinge genannt. Und dann heißt es in dem Dokument: "Nachgedacht werden muss auch über Inhaftierungseinrichtungen."

Würde und Rücksicht auf Menschenrechte

Die EU-Experten betonen jedoch, dass auch Alternativen zu einer Inhaftierung von Flüchtlingen erwogen werden müssten. Sie unterstreichen zudem, dass die Migranten mit Würde und voller Rücksicht auf die Menschenrechte behandelt werden müssten. Auch wird eine besondere Aufmerksamkeit für Kinder, unbegleitete Jugendliche und Frauen gefordert.

Die Überlegungen der EU-Experten in dem auf den 1. April datierten Papier, über das am Freitag zuerst "Spiegel Online" berichtet hatte, riefen in Deutschland dennoch scharfe Kritik hervor. "In Libyen gibt es noch keine anerkannte Regierung, geschweige denn funktionierende staatliche Strukturen", sagte die Grünen-Außenpolitikexpertin Franziska Brantner AFP. "Wer in Libyen soll denn über die Einhaltung von Menschenrechts- oder Rechtsstaatsstandards in jenen Auffanglagern wachen, über deren Errichtung die Brüsseler Diplomaten jetzt räsonieren?"

Nach der Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge wird erwartet, dass Migranten wieder verstärkt versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Die Fahrt in oft überfüllten Schlauchbooten ist gefährlich und hat schon unzähligen Menschen das Leben gekostet. Gerade in den Sommermonaten könnten aber tausende die Überfahrt wagen.

Die EU ist im Mittelmeer mit der Mission "Sophia" im Einsatz, um gegen Schlepper vorzugehen. Erst am Donnerstag nahm die deutsche Marine 599 Flüchtlinge auf, die vor der libyschen Küste in Seenot geraten waren. In dem EU-Papier wird eine Ausweitung des "Sophia"-Einsatzes dahin gehend erwogen, dass die EU-Mission beim "Aufbau der libyschen Küstenwache und Marine" helfen könne.

Kommentare