Libyen: Anti-IS-Kampf an neuer Front

Washington, Rom und Paris erwägen einen militärischen Einsatz in Nordafrika.

Die USA erwägen militärische Aktionen in Libyen, sollte die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu einer größeren Bedrohung in dem nordafrikanischen Land heranwachsen. Nach Syrien und dem Irak wäre Libyen die dritte Front, an der westliche Staaten gegen den IS kämpfen.

Die Rechnung ist einfach: Je mehr der IS durch Niederlagen in Nahost unter Druck gerät, desto gefährlicher wird er in Libyen, rechnete Italiens Verteidigungsministerin Roberta Pinotti im Corriere Della Sera vor.

Das nordafrikanische Land stürzte nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar Gaddafi 2011 ins Chaos. Zwischenzeitlich arbeiteten zwei Regierungen gegeneinander. Nur durch diplomatischen Einsatz unter italienischer Federführung schaffte man es, eine Einheitsregierung der beiden aufzustellen. Doch die muss erst bestätigt werden.

Das Chaos begünstigte die Ausbreitung von Extremisten in Libyen – vor allem des IS. Zwischen 3000 und 5000 IS-Kämpfer befinden sich in Libyen. Um die 500 wurden Ende vergangenen Jahres von Syrien oder Irak nach Libyen versetzt.

"Die Zeit drängt"

Man wolle "vorbereitet sein", sagte der Pentagon-Sprecher Peter Cook am Mittwoch. "Die Zeit drängt", warnte auch Pinotti. Medienberichten zufolge hat Italien bereits eine Strategie vorbereitet – für den Fall, dass die Einheitsregierung die internationale Gemeinschaft um Unterstützung ruft. Denn Libyens Armee ist zu schwach, um den IS nachhaltig zu bekämpfen.

Vor wenigen Tagen trafen sich die Verteidigungsminister von sieben Staaten in Paris zur Absprache des Anti-IS-Einsatzes. Dort ging es um Syrien und Irak, aber auch um Libyen. Mit im Boot bei einem Einsatz in Nordafrika wären unter anderem Frankreich, Großbritannien und Italien. Eine Zusammenarbeit mit Libyens Nachbar Ägypten wäre wünschenswert, so Sicherheitsexperte Wolfgang Pusztai, damit zumindest ein arabischer Player mit dabei wäre.

Libyen: Anti-IS-Kampf an neuer Front
Die USA wollen sich dabei – wie bereits bei der Anti-Gaddafi-Intervention 2011 – in der "hinteren Reihe" halten. Bis jetzt war die US-Strategie in Libyen, den IS einzudämmen, berichtet Pusztai dem KURIER. Doch die Terrormiliz stehe kurz bevor, die Städte Brega oder Ajdabiya einzunehmen (siehe Grafik). Das könnte von den westlichen Staaten als "rote Linie" für eine Militäraktion festgelegt worden sein. Eine derartige Ausbreitung des IS-Gebietes wäre nicht hinnehmbar, die Bekämpfung der Terrormiliz danach immens schwierig.

Hinter dem geplanten Einsatz stehen einerseits die Sicherheitsgefährdung, andererseits wirtschaftliche Interessen. Der IS schadet der Ölindustrie Libyens enorm, zuletzt etwa durch Attacken auf die Anlage in Ras Lanuf.

Nur mit Einladung"Italien wäre das am stärksten betroffene europäische Land", glaubt Ministerin Pinotti. Doch Rom will nur auf Einladung einer libyschen Einheitsregierung oder mit UN-Resolution tätig werden. Vor allem der italienische teilstaatliche Energiekonzern Eni hat dort viel zu verlieren. Eine unilaterale Aktion wolle Rom mit allen Mitteln vermeiden. "Dass das keine gute Idee ist, hat uns die Vergangenheit bewiesen." Rom wolle ein Szenario "wie im Irak nach Saddam Husseins Sturz" vermeiden, so Pinotti.

Die USA und Frankreich würden auch ohne Einladung starten. Geplant seien in erster Linie Luftangriffe. Aber auch Bodentruppen könnten zum Einsatz kommen. Amerikanische und britische Spezialeinheiten sind bereits am Boden. Sie sollen, so der Pentagon-Sprecher, potenzielle Partner und Ziele ausforschen.

Kommentare