"Dass sich das überhaupt jemand traut"

Mazedoniens Sonderstaatsanwältin für Korruption, Lence Ristoska, über ihre heikle Aufgabe.

KURIER: Haben Sie und Ihre Kolleginnen von der Sonderstaatsanwaltschaft sich mit Ihren Ermittlungen zu Feindinnen der politischen Elite des Landes gemacht?

Wir sind nicht gegen eine bestimmte Person oder eine Partei, und wir beschützen auch nicht die Opposition. Aber wir ermitteln gegen bestimmte Individuen, die Verbrechen begangen haben. Jeder, der ein Verbrechen begangen hat, soll bestraft werden. Auch wenn das letztendlich bedeutet, dass das ganze politische System durcheinandergerüttelt wird.

Wie gehen Sie mit den Anfeindungen und Verleumdungen gegen Sie drei um?

Am Anfang waren wir sehr zornig und wussten überhaupt nicht, wie wir reagieren sollten. Es gab in den Medien immer einen neuen Dreh gegen uns. Einmal wurde uns vorgeworfen, wir seien inkompetent und unfähig, dann wurde unsere Moral angezweifelt. Aber jetzt kümmern wir uns nicht mehr darum und konzentrieren uns nur auf unsere Arbeit.

Viele Menschen haben große Erwartungen an Sie. Können Sie die erfüllen?Von der Öffentlichkeit erfahren wir riesige Unterstützung. Das bedeutet uns viel, es stärkt uns und gibt uns auch Sicherheit. Jeder kennt uns drei. Und wenn wir in der Stadt auf der Straße unterwegs sind, wird niemand versuchen, uns wehzutun. Das wäre sehr töricht. Die Öffentlichkeit sieht uns als Heldinnen. Wie waren in Mazedonien die Ersten, die es gewagt haben, offen über die Korruption zu sprechen. Wir haben potenzielle kriminelle Täter der regierenden Partei vorgeladen. Viele waren überrascht, dass sich das überhaupt jemand traut. Aber wir alle hier wollen eine bessere Zukunft. Und wir wollen, dass der Rechtsstaat nicht nur auf dem Papier existiert.

Werden Sie all Ihre Fälle im vorgegebenen Zeitrahmen von 18 Monaten bearbeiten können?

Nein, wir müssen den Zeitplan unbedingt ändern. Nur das Parlament kann den Zeitraum für die Sonderstaatsanwaltschaft verlängern, aber dafür gibt es derzeit überhaupt keine Anzeichen. Selbst wenn wir die 20.000 Tonbänder, auf deren Grundlage wir ermitteln, alle nur anhören würden, bräuchte es eineinhalb Jahre. Wir arbeiten also unter extremem Zeitdruck. Gleichzeitig blockieren uns oft die lokalen Gerichte und Behörden, verzögern die Übermittlung von Unterlagen oder kooperieren gar nicht.

Hat es besondere Bedeutung, dass drei Frauen ermitteln?

Ja – für die Gesellschaft hier in Mazedonien, die überwiegend von Männern angeführt wird, ist es das erste Mal, dass Frauen auf diese Weise in der Öffentlichkeit sprechen und präsent sind. Das ist ein Moment, der viel in Bewegung bringt.

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