Saudi-Arabien: Schlüsselspieler mit Makeln

Saudischer Außenminister Al-Jubeir mit Amtskollegen Kurz (Bild in Wien)
Ohne Riad ist in Syrien kaum Frieden möglich. Sebastian Kurz will auch Menschenrechte ansprechen.

Realpolitik heißt manchmal auch, vor Realitäten die Augen verschließen zu müssen – oder unwillig in Kauf nehmen zu müssen, was man sieht, wenn man hinschaut.

Saudi-Arabien zum Beispiel. Ohne die Regionalmacht im Nahen Osten wird, da sind sich alle einig, eine Lösung für das Bürgerkriegsland Syrien nicht zu erzielen sein. Und dass die Saudis neben der anderen großen Regionalmacht, dem Iran, mit an Bord der Syrien-Verhandlungen sind, die vor einem Monat in Wien starteten, wird schon als großer Erfolg gewertet. "Saudi-Arabien spielt eine wichtige Rolle in der gesamten Region und darüber hinaus. Wir müssen daher einen intensiven Dialog mit Saudi-Arabien suchen", sagt Außenminister Sebastian Kurz, der dem Königreich heute einen offiziellen Besuch abstattet.

Peitschenhiebe

Und dann ist da das Saudi-Arabien der nichtexistenten Menschenrechte. Bereits 150 Menschen sind heuer hingerichtet worden, meist wegen kleinerer Vergehen wie Drogendelikte. Es herrscht eine rigorose Auslegung der Scharia (das religiöse Gesetz des Islam) mit einer großen Intoleranz gegenüber Nicht-Muslimen und Schiiten (Saudiarabien ist sunnitisch). Seit Anfang des Jahres geht der Fall des wegen Gotteslästerung zu 1000 Peitschenhieben verurteilten saudischen Bloggers Raif Badawi um die Welt. Und erst vergangene Woche wurde der palästinensische Lyriker Ashraf Fayadh zum Tod durch Enthauptung verurteilt, weil er Gott verflucht und ein blasphemisches Buch geschrieben haben soll – mit dem Todesurteil wurde eine frühere Strafe von 800 Peitschenhieben und vier Jahren Haft aufgehoben.

Außer im sogenannten Kalifat des "Islamischen Staates" wird übrigens nur in Saudi-Arabien geköpft. Unter Berufung auf das Gesetz.

Menschenrechtsfragen sollen "aktiv angesprochen" werden, hieß es dazu vor Beginn der Reise aus dem Außenministerium in Wien. Sebastian Kurz stimme sich in dieser Frage noch mit der offiziellen Linie der EU und ihrer Außenbeauftragten Federica Mogherini ab. Bisher sind alle Appelle an Saudi-Arabien aber ungehört verhallt.

Anti-IS-Koalition

Hauptthemen der Gespräche Kurz’ mit dem saudischen Außenminister Adel al-Jubeir werden aber die Syrien-Gespräche, die Flüchtlingskrise und der Kampf gegen den "Islamischen Staat" sein. In allen drei Belangen wird Saudi-Arabien – das ist die Realpolitik – gebraucht.

Die Saudis kämpfen an der Seite der USA gegen die IS-Dschihadisten in Syrien und im Irak. Obwohl Saudi-Arabien zumindest mit dazu beigetragen hat, den "Islamischen Staat" groß zu machen: Saudische Großgrundbesitzer und religiöse Stiftungen, deren Ziel ein Sturz des syrischen Diktators Bashar al Assad war, haben seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges im Jahr 2011 diverse dschihadistische Gruppen in Syrien unterstützt. Und ein guter Teil von Waffen und Geld ist in den Händen der sunnitischen Terroristen gelandet.

Doch längst ist der Geist, der Assad vertreiben sollte, aus der Flasche und richtet sich auch gegen das sunnitische Saudi-Arabien, das für den IS Ziel geworden ist: Erst vergangene Woche sind im Osten des Landes zwei Mitglieder der Sicherheitskräfte von Unbekannten erschossen worden – hinter dem Anschlag wird der IS vermutet. Der greise saudische König Salman (80) hat in den vergangenen Wochen mehrfach betont, dass man den Kampf gegen den Terrorismus vorantreiben müsse. Für Sebastian Kurz ist Riad ein wichtiges Mitglied in der Anti-IS-Koalition, sowohl, was militärische Maßnahmen betreffe, "als auch im Bereich der Prävention, um dessen Ideologie zu bekämpfen".

Assad muss weg

In Sachen Syrien selbst besteht Saudi-Arabien nach wie vor auf einem Sturz Präsident Assads, während der große Kontrahent der Saudis, Iran, gemeinsam mit Russland an Assad festhält. Jetzt ist Riad dabei, ein Treffen der verschiedenen syrischen Rebellengruppen Mitte Dezember zu organisieren, um eine Einheit der Opposition vor den nächsten Runden der Syrien-Gespräche zustande zu bringen.

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