IS

Kurdische Grenzstadt Kobane steht vor dem Fall

Schwere Gefechte um die Grenzstadt: Die Truppen der IS sind in die Vororte eingedrungen und liefern den Kurden dort Straßenkämpfe.
IS-Terrormilizen hissten erste Fahnen in der Stadt. In Wien machten sich Kurden-Sympathisanten bemerkbar.

Wochenlang haben an die 3000 bis 4000 kurdischen Kämpfer in der belagerten Stadt Kobane den wütenden Ansturm der IS-Milizionäre abgewehrt. Doch Montag Nachmittag dürfte eine Frontlinie um die Stadt im äußersten Norden Syriens eingebrochen sein. Die Dschihadisten hissten im Ostteil Kobanes auf einem vierstöckigen Gebäude ihre IS-Fahne.

Trotz heftiger Gegenwehr kurdischer Kämpfer ist die Jihadistenmiliz in die Stadt eingedrungen. Die IS-Kämpfer lieferten sich „erstmals“ Straßenkämpfe mit den Kurden im Ostteil, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Kurdische Kämpfer und IS-Milizionäre kämpften „in den Straßen, zwischen den Gebäuden“, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle:„Die Straßenkämpfe haben begonnen und erstmals gibt es Kämpfe in den Viertel am Ostzugang von Kobane, in den Vierteln Maktala al-Jadida und Kani Arabane“.

Erbitterter Widerstand

Pausenlos donnerten auf das Zentrum der Stadt die Granaten nieder. Hunderte Zivilisten, die bis zuletzt ausgeharrt hatten, flohen in Panik. Unter Beschuss liefen sie zu Fuß zur türkischen Grenze – in der Hoffnung, von den türkischen Soldaten durchgelassen zu werden.

„Wir werden Widerstand leisten bis zum Ende“, sagte der Chef der kurdischen Verteidiger in einem Telefongespräch mit der Agentur Reuters. „Wenn sie einmarschieren, wird die Stadt für sie und uns zum Friedhof.“ Luftschläge der amerikanischen Luftwaffe gegen Stellungen der Dschihadisten konnten den Vormarsch des IS nicht stoppen. Von drei Seiten nähern sich deren Kämpfer der Stadt. Fällt sie, hätten der IS einen riesigen strategischen Gewinn erzielt – er hätte dann Kontrolle über ein durchgängiges Gelände von Teilen der west-syrischen Stadt Aleppo bis in den Nordosten Syriens und tief in den Irak hinein.

Über 160.000 Menschen sind in den vergangenen zwei Wochen vor den Kämpfen um Kobane in die Türkei geflohen. Wer kann, dürfte versuchen, sich in den nächsten Stunden noch zu retten.

Blockade am Wiener Ring

An einem weitaus friedlicherem Ort, dem Wiener Ring, brachten rund 300 Demonstranten Montag Abend den Verkehr zum Erliegen. Bei den Demonstranten handle es sich um Sympathisanten der Kobane kämpfenden Kurden, hieß es vonseiten der Polizei. "STOP ISIS - FREE KOBANE" sei auf Transparenten zu sehen.

Laut Polizeiangaben ist eine Umleitung eingerichtet worden. Bisher sei es zu keinen Ausschreitungen gekommen.

Der von der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" als Geisel genommene US-Bürger Peter Kassig hat in einem Brief an seine Eltern von seiner "Angst zu sterben" berichtet. "Ich habe große Angst zu sterben, doch das schwerste ist das Nichtwissen, das Fragen und Hoffen und sich zu fragen, ob ich überhaupt hoffen sollte", schrieb der 26-jährige Ex-Soldat in einem am Sonntag veröffentlichten Brief.

Das Schreiben an Kassigs Eltern Ed und Paula ist mit dem 2. Juni datiert. Kassig hatte in der Türkei eine Hilfsorganisation für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs gegründet. Vor einem Jahr, am 1. Oktober, wurde er nach Angaben seiner Eltern verschleppt. Seitdem hätten sie mehrere Botschaften von ihrem Sohn erhalten.

Kassig war am Ende eines am Freitag veröffentlichten IS-Videos zu sehen, in dem die Enthauptung des Briten Alan Henning gezeigt wurde. Die in den vorangegangenen vier Hinrichtungsvideos jeweils zum Ende gezeigten westlichen Geiseln, sind bisher allesamt von IS-Milizionären getötet worden.

Kassig schrieb, es mache ihn traurig daran zu denken, was seine Angehörigen derzeit durchmachen müssten. "Wenn ich sterbe, denke ich, können wir Zuflucht und Trost darin finden, dass mein Tod das Ergebnis meines Versuchs ist, Leid zu lindern und Bedürftigen zu helfen", schrieb Kassig weiter.

Nach Angaben seiner Eltern entwickelte Kassig mit der Zeit eine tiefe Bindung zu den Menschen in Syrien, so dass er schließlich "den Islam annahm". Nachdem er den Glauben bereits vor seiner Entführung praktiziert habe, sei er in Gefangenschaft Muslim geworden. "Ich befinde mich hier in einer komplizierten Situation, was den Glauben angeht", schrieb Kassig mit Blick auf seine Entführung durch die radikalsunnitischen Jihadisten. "Aber ich bin im Frieden mit meinem Glauben." Kassigs Eltern appellierten erneut an den IS, ihren Sohn freizulassen.

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