Krim-Regierung lehnt Autonomie für Tataren ab

Krim-Regierung lehnt Autonomie für Tataren ab
Die EU-Außenminister beraten Freitag und Samstag über die Ukraine und Kurz' Vier-Punkte-Plan.

Nach der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation lehnt die Regierung der Schwarzmeer-Halbinsel ein autonomes Gebiet für die Minderheit der Krimtataren ab. Die muslimische Volksgruppe könne lediglich "kulturelle Autonomie" beanspruchen, sagte Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgaljew am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Referendum geplant

Vertreter der Krimtataren streben dagegen ein Referendum über ihre weitgehende Autonomie an. Am Volksentscheid auf der Krim vom 16. März, bei dem sich eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für die Loslösung von der Ukraine und die Eingliederung in die Russische Föderation aussprach, beteiligten sich die meisten Krimtataren nicht. Der geistliche Führer der Krimtataren, Mustafa Dschemilew, sagte bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats Anfang der Woche, 5.000 Tataren hätten die Halbinsel bereits verlassen. Dschemilew ist Abgeordneter im ukrainischen Parlament, und viele Krimtataren wollen Teil der Ukraine bleiben.

Von den rund zwei Millionen Bewohnern der Krim sind schätzungsweise 300.000 Angehörige der tatarischen Minderheit, die in den Jahren des Stalinismus diskriminiert wurde. Eine Tataren-Versammlung ist für den 15. April einberufen.

Putin: Tataren als "Opfer Stalins"

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach sich am Dienstag für die vollständige Rehabilitierung der Tataren als "Opfer Stalins" aus. Er werde dafür sorgen, dass alle offenen Fragen angegangen würden, sagte Putin in einem vom Fernsehen übertragenen Gespräch mit dem Präsidenten der autonomen russischen Republik Tatarstan, Rustam Minnichanow. Gleichzeitig versprach er Investitionen in die "soziale Infrastruktur" für die Krimtataren, etwa in Schulen und Kindergärten.

Die Mitglieder des Turkvolks wurden unter dem Diktator Josef Stalin als "Nazi-Kollaborateure" verfolgt und nach Zentralasien zwangsumgesiedelt. Erst zum Ende der Sowjetunion durften die Krimtataren in ihre Heimat zurückkehren, doch warten sie bis heute auf ihre Rehabilitierung und damit auch auf Entschädigungen.

EU-Außenminister beraten Ukraine-Politik

Die EU will derzeit noch keine einschneidenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen, diese aber vorbereiten. Das zeichnete sich zu Beginn eines Treffen des Außenminister am Freitag in Athen ab. "Dies ist noch nicht der Moment für Wirtschaftssanktionen. Aber wir müssen darauf vorbereitet sein, denn die Lage bleibt sehr gefährlich", sagte der britische Außenminister William Hague.

Die EU hat nach Moskaus Annexion der Krim bisher Einreiseverbote und Kontensperren gegen 33 Russen und Ukrainer beschlossen und Wirtschaftssanktionen angedroht, von denen die wohl weit reichendste Russlands umfangreiche Öl- und Gaslieferungen an Europa beträfe. Auch der niederländische Außenminister Frans Timmermans sagte, die bisherigen Sanktionen könnten noch verschärft werden. Wirtschaftssanktionen seien noch nicht nötig. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte, die EU müsse jetzt "sehr sorgfältig über unsere künftigen Beziehungen zu Russland nachdenken".

Laut darüber nachgedacht hat Sebastian Kurz schon länger: In einem Interview mit dem KURIER vor knapp zwei Wochen sprach Kurz von einem vierstufigen Plan für die Ukraine. Als eine der Ideen nannte er einen "Wirtschaftsraum mit dem Osten", den die EU aufbauen solle. Auch die Neutralität des Landes stand im Zentrum von Kurz’ Überlegungen. Jetzt sind die Gedanken des Außenministers auch in einem Papier festgehalten, wie Die Presse berichtet.

"Wirtschaftsraum Ost"

Der Vier-Punkte-Plan sieht die erwähnte Neutralität bzw. Bündnisfreiheit und ebendiesen von Kurz angesprochenen "Europäischen Wirtschaftsraum Ost" vor, an dem sich auch andere Ex-Sowjetrepubliken beteiligen könnten. Außerdem solle die Krim wieder zu jenem Status zurückkehren, den sie vor der Eingliederung durch Russland hatte.

Die EU soll die Ukraine einerseits finanziell unterstützen, andererseits durch Experten bei der Stärkung des Rechtsstaates, dem Kampf gegen die Korruption sowie dem verfassungsrechtlichen Schutz von Minderheiten.

Entscheidend für das Verhältnis sowohl Europas als auch der Ukraine zu Russland ist der vierte Punkt: Kiew soll sich nicht zwischen West oder Ost entscheiden müssen – sondern zu beiden Seiten gute Beziehungen unterhalten können. Das heißt in der Praxis, dass die Ukraine sowohl das EU-Assoziierungsabkommen unterzeichnen wie auch der Eurasischen Wirtschaftsunion beitreten kann, die Russland aufbaut. Kurz bemühe sich "um ein Ende des Blockdenkens", heißt es aus dem Außenministerium in Wien gegenüber dem KURIER. Er werde den Vier-Punkte-Plan auch aktiv in die Gespräche der EU-Außenminister am Freitag und Samstag in Athen einbringen.

Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Neuausrichtung der gemeinsamen Politik gegenüber der Ukraine und anderen Ex-Sowjetrepubliken. Die neue Linie dürfte im Grundsatz dem entsprechen, was Kurz will: Die EU solle ihre Partnerländer nicht vor "starre Entscheidungen" stellen, forderten die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs zu Wochenbeginn in einer Erklärung. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, man könne "entweder sich der EU annähern oder mit Russland zusammenarbeiten".

Polizisten verhaftet

In der Ukraine sind unterdessen zwölf Mitglieder der inzwischen aufgelösten Berkut-Bereitschaftspolizei wegen des Verdachts auf Massenmord während der Proteste gegen die Regierung verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen, friedliche Demonstranten erschossen zu haben.

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