Putin kommt Ende Juni nach Wien

In den meisten EU-Staaten begegnet man Russlands Präsidenten eher kühl. In Wien kommt er am 24. Juni zum Staatsbesuch.

Abgesehen von Skiurlauben auf dem Arlberg hat Russlands Präsident Wladimir Putin bei seinen Österreich-Besuchen eindeutig einen Lieblingstermin: den Mai. Mehrmals hatte Putin, mal als Präsident, zuletzt im Mai 2010 als Premier, Wien einen offiziellen Besuch abgestattet. Und auch vergangenen Mai hätte der Kremlherr plangemäß wieder zu einem Staatsbesuch in der österreichischen Bundeshauptstadt eintreffen sollen – doch dann kamen die Krim- und die Ukraine-Krise dazwischen.

Putin, der im Zuge der eskalierenden Lage in der Ukraine aus internationalen Foren wie der G-8 ausgeladen und von der EU und den USA mit Sanktionsdrohungen eingedeckt wurde, musste seinen Besuch verschieben. Kommen wird er nun, wie der KURIER erfuhr, am 24. Juni – zu einem eintägigen Kurzbesuch bei Bundespräsident Heinz Fischer.

Dialog vertiefen

Österreich unterstreicht damit einmal mehr seine offizielle Position, wonach in Krisenzeiten der Dialog wichtiger sei denn je. Andere EU-Präsidenten oder EU-Regierungschefs, wie etwa der britische Premier David Cameron, drohen dem Kremlherrn dagegen offen mit Wirtschaftssanktionen, sollte Putin in der Ukraine-Krise nicht einlenken.

Ein Thema der Arbeitsgespräche mit dem russischen Präsidenten könnten die russischen Gaslieferungen nach Österreich sowie das geplante South-Stream-Pipelineprojekt sein. Läuft alles nach Plan – was angesichts der anhaltenden Spannungen um die Ukraine schwierig werden könnte – soll über die South Stream ab 2017 zusätzlich russisches Gas nach Österreich kommen. Wochenlang hatten westliche Politiker als Reaktion auf die Ukraine-Krise mit dem russischen Präsident nur telefoniert. Am Donnerstag gab es wieder die ersten Zusammentreffen – rund um die Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie (siehe auch hier).

Für Francois Hollande, dessen Anzüge sich in letzter Zeit wieder verdächtig um die Körpermitte spannen, barg der Donnerstag Abend gleich zwei gefährliche Versuchungen: der französische Staatschef musste zweimal hintereinander zum Dinner bitten. Um 19 Uhr speiste er mit US-Präsident Barack Obama in einer Pariser Feinschmecker-Stube. Zwei Stunden später tafelt er mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin im Elysée-Palast.

Sieht man einmal vom mehrgängigen Menü ab, war letzteres Treffen für Hollande ein ziemlicher Opfergang. Der gemütlich auftretende französische Sozialdemokrat und der sich athletisch gebende, gebieterische Kremlherrscher hatten nie ein Hehl aus ihrer gegenseitigen Aversion gemacht. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrem ersten Zusammentreffen 2012 hatte Putin auf die Frage, was er von Hollande halte, so lange mit seiner Antwort gezögert bis ihm der scharfzüngige Franzose das Wort aus dem Mund nahm: „Der erste Eindruck ist immer der richtige“, höhnte Hollande bar jeder diplomatischen Zurückhaltung.

Frankreichs Kreuzer für Russland

Aber am Donnerstag mussten die beiden einander gutes tun. Hollande ist zwar sowohl im syrischen Konflikt als auch in der Ukraine-Krise scharf mit Putin ins Gericht gegangen, und Frankreich ist auch, dank seiner AKWs, kaum von russischen Gaslieferungen abhängig. Aber Hollande sorgt sich um zwei ultramoderne Kriegsschiffe, die gerade von einer französischen Werft fertiggestellt und demnächst an Russland geliefert werden sollen. Russlands Marine-Generalstabschef, Wladimir Wysotsky, hatte diesen Ankauf folgendermaßen bejubelt: Mit dem „Wladiwostok“ und dem „Sewastopol“ (so die künftigen Namen der Kreuzer) hätte die russische Militär-Operation gegen Georgien 2008 „statt 26 Stunden nur 40 Minuten gedauert“.

Grund genug, dass von Polen über Kanada bis zu den USA alle möglichen Westalliierten in Paris auf den Verkaufsverzicht an Russland dringen. Für Frankreich stehen aber 1,2 Milliarden Euro (von denen die Hälfte bereits von Moskau überwiesen wurde) und der Fortbestand der Atlantikwerften auf dem Spiel – was Hollande umso weniger egal sein kann, als Industrieabbau und Jobkrise auch in der Normandie zuletzt die Rechtspartei „Front national“ auf Rekordhöhe trieb.

Putin will wiederum als Entspannungspolitiker erscheinen, um die Sanktionsfront gegen Russland aufzubrechen. Deshalb dürfte das von Hollande forcierte Treffen zwischen Putin und dem neuen Präsidenten der Ukraine, Petro Porochenko, am Freitag zustande kommen. Ein Gespräch Obama-Putin schien hingegen an Donnerstag noch ausgeschlossen. Öffentlich hält Obama am Bestrafungskurs gegenüber Putin fest, de facto kommt aber dem US-Präsidenten die Deeskalationstaktik von Hollande und Merkel zupass in Hinblick auf den von ihm betriebenen Rückzug von US-Truppen weltweit und namentlich in Europa.

Spannungen mit den USA

Hollande konnte am Donnerstag auch Obama einen Vorwurf präsentieren: im Syrien-Konflikt stand nach dem ersten, erwiesenen Großeinsatz von Chemiewaffen durch das Regime von Assad Frankreichs Luftwaffe in Absprache mit den USA für einen Angriff auf Assads Basen startklar. Obama blies aber die Aktion ab ohne Vorwarnung an seinen engagiertesten Alliierten Hollande.

Bei dem Dinner zwischen Hollande und Obama stand sogar der Austausch von Drohungen auf dem Menü: der französischen Großbank BNP droht in den USA eine Pönale von zehn Milliarden Dollar wegen Verstöße gegen das Embargo gegenüber dem Iran. Hollande verlangt eine Strafmilderung, andernfalls könnte sich Frankreich bei den Verhandlungen über ein künftiges Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU quer legen.

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