Kreml ortet Zentralasien-Krise und will Ukrainer abschieben

Am Sonntag verlieren nach Russland geflohene Ukrainer ihren Flüchtlingsstatus.
Think Tank warnt vor Flüchtlingsstrom aus Zentralasien/Ukrainer verlieren Flüchtlingsstatus/Gerüchte über geplante Abschiebungen.

"Ungenügend", lautet das Urteil, das ein Report des "Komitees für Initiativen der Zivilgesellschaft" Russlands Föderaler Migrationsbehörde ausstellt. Kritik übte das Gremium (ein informelles Netzwerk liberaler Politiker, dem Ex-Finanzminister Alexei Kudrin vorsteht) vor allem am Umgang mit Flüchtlingen aus der Ostukraine.

Am Höhepunkt der Kämpfe zwischen pro-russischen Milizen und Kiewer Regierungstruppen im Sommer 2014 suchten über eine Million Menschen Zuflucht in Russland. Eine Herausforderung, die vor allem durch landesweites Engagement der Bevölkerung bewältigt wurde, so die Autoren des Kudrin-Papiers. Die Einwanderungsbehörde dagegen habe bis Juli 2014 nicht einmal Antragsformulare für die Registrierung Asylsuchender gehabt, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung geführt habe.

Zur Kasse gebeten

Vor allem aber sei das "Potenzial der Flüchtlinge" – gemeint sind Ausbildung und Qualifikation – unzureichend ausgeschöpft worden. Statt Migration zur Wirtschaftsentwicklung zu nutzen, habe man ein Geschäft daraus gemacht, rügt die Zeitung Wedomosti und meint damit auch Schmiergeld, das Beamte bei der Bearbeitung von Anträgen kassiert haben. Statt Geld verdienen zu können, rügt auch die Nesawissimaja Gaseta, würden Migranten in Russland zur Kasse gebeten.

Ab 1. November bietet sich dazu neue Gelegenheit. Da sich die Situation in der Ostukraine entspannt, verlieren Menschen aus der Region in Russland den Flüchtlingsstatus. Ihr Aufenthalt ist fortan illegal, Medien berichten bereits über Vorbereitungen für Massenabschiebungen.

Kudrin und dessen Experten erklären das zum einen mit schlechter Kassenlage, zum anderen mit dem Flüchtlingsdrama in Europa. Gleiches drohe Russland. Die Regime in den muslimischen Ex-Sowjetrepubliken Zentralasiens könnten kollabieren, der islamistische Untergrund, der seit der Perestroika mit Extremisten in Afghanistan und Nahost kooperiert – erst mit den Mudschaheddin, dann mit El Kaida und IS – könnte die Macht übernehmen. Millionen würden dann nach Russland fliehen – und eine Krise schwerer als die in Europa lostreten. Denn auf diese Art Flüchtlinge sei Russland nicht vorbereitet.

Migranten aus der Ostukraine, argumentieren die Autoren, teilen mit Russland Sprache, Kultur und Religion, die aus Zentralasien sind Muslime, sprechen, so sie nach Fall der Sowjetunion 1991 geboren wurden, oft nur gebrochen Russisch und sind schlecht oder gar nicht ausgebildet. Das habe bereits zu einem erheblichen Konfliktpotenzial mit zentralasiatischen Gastarbeitern in Russland geführt. Sie würden, obwohl sie fast ausschließlich Billigjobs erledigen, als Konkurrenz wahrgenommen und deswegen schief angesehen.

Flüchtlinge aber seien zudem Mitbewerber um knappe Sozialleistungen. Sollte das Worst-Case-Szenario Wirklichkeit werden, das von mehreren Millionen Zentralasien-Flüchtlingen ausgeht, könnte sich Fremdenfeindlichkeit gewaltsam entladen, warnen die Studien-Autoren.

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