Beziehung zwischen USA und Israel bröckelt
Der Streit um den Umgang mit der palästinensischen Einheitsregierung hat eine ernsthafte Krise zwischen Israel und den USA ausgelöst. Mehrere israelische Minister kritisierten am Dienstag im harschen Ton die Bereitschaft Washingtons, mit der neuen Regierung in Ramallah zusammenzuarbeiten. Die Regierung wird auch von der radikalislamischen Hamas unterstützt, weshalb Israel sie strikt ablehnt.
Die US-Regierung hatte wenige Stunden nach der Vereidigung der aus Fachleuten bestehenden Regierung am Montag erklärt, sie werde die Kooperation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde aufrecht erhalten und auch weiter Hilfsgelder an sie zahlen. Da der Konsensregierung für das Westjordanland und den Gazastreifen "niemand angehört, der der Hamas zuzurechnen ist, werden wir mit dieser Regierung arbeiten", sagte Jen Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums.
"US-Naivität bricht alle Rekorde"
Der israelische Minister für strategische Aufklärung, Juval Steinitz, warf der US-Regierung daraufhin am Dienstag Doppelzüngigkeit vor: "Es geht nicht, diese Regierung im vertraulichen Gespräch als Hamas-Regierung einzuschätzen und sie dann öffentlich als Regierung aus Fachleuten darzustellen", sagte Steinitz im staatlichen Rundfunk. "Die amerikanische Naivität bricht leider alle Rekorde, jegliche Kollaboration mit der Hamas, die den Tod von Frauen und Kindern verantwortet, ist unannehmbar", erklärte seinerseits Kommunikationsminister Gilad Erdan, der wie Steinitz ein Vertrauter von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist.
Wirtschaftsminister Naftali Bennett, Gründer der rechtsradikalen Siedlerpartei "Jüdisches Heim", erklärte im Radio, die neue Palästinenser-Regierung bestehe aus "Terroristen in Anzügen". Bennett wiederholte zugleich seine Forderung nach einer einseitigen Annexion großer Teile der seit dem Jahr 1967 von Israel besetzten Palästinensergebiete: "Die Zeit ist reif, dass wir von der Verteidigung zur Attacke übergehen", sagte der Minister, der prinzipiell gegen die Zweistaatenlösung ist.
Netanyahu fühlt sich verraten
Der bekannte politische Kommentator Chico Menache erläuterte im staatlichen Rundfunk, Netanyahu fühle sich von Washington "verraten und getäuscht". So habe er noch am Sonntagabend seinem Sicherheitskabinett versichert, US-Außenminister John Kerry habe ihm zugesagt, mit einer Anerkennung der neuen Regierung in Ramallah zu warten. Ironisch merkte der Kommentator an: "Sie haben damit ja auch gewartet - fünf Stunden lang."
In Israel waren sich alle Leitartikler am Dienstag einig, dass es den Palästinensern gelungen sei, einen weiteren Keil zwischen Israel und die USA zu treiben. Die Beziehungen waren schon stark abgekühlt, nachdem die jüngste Friedensinitiative Kerrys scheiterte, wofür Washington vorrangig die fortgesetzte Siedlungspolitik Israels verantwortlich macht.
Offenbar um kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen, drohte Israel nach der Vereidigung der Palästinenser-Regierung zunächst nur mit eher symbolischen Sanktionen: So würden von den umgerechnet rund 86 Millionen Euro an Steuer- und Zolleinnahmen, die Israel monatlich an Ramallah abtreten muss, nur fünf Prozent zurückbehalten, erklärte ein Sprecher des zuständigen Verteidigungsministeriums. Zudem kündigte die Militärverwaltung der besetzten Gebiete an, die Mitglieder der neuen Palästinenser-Regierung dürften anders als bisher nicht frei zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland zirkulieren. "Ihre Anfragen werden fallweise geprüft."
Erstmals seit sieben Jahren gibt es wieder eine Einheitsregierung von Fatah und Hamas. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas vereidigte am Montag in Ramallah das Expertenkabinett unter Führung des bisherigen Ministerpräsidenten Rami Hamdallah. Die Übergangsregierung mit 17 Ministern besteht aus Experten, die weder der gemäßigten Fatah von Abbas noch der radikalislamischen Hamas angehören.
Abbas würdigte den Schritt als "Ende der Spaltung" seines Volkes: "Wir erklären die Spaltung, die unserer nationalen Sache so katastrophalen Schaden zugefügt hat, heute für beendet", sagte der Fatah-Politiker am Montag in einer Fernsehansprache. Das Kabinett regiert im Westjordanland und im Gazastreifen. Vier Minister aus dem Gazastreifen waren nicht bei der Vereidigungszeremonie zugegen, weil Israel ihnen nach palästinensischen Angaben die Ausreise verweigert hatte.
Rücktritt der Hamas-Regierung im Gazastreifen
Auch die Hamas begrüßte die Einigung als "Wendepunkt in der Geschichte der palästinensischen Einheit". Der Hamas-Führer Ismail Haniya kündigte nach der Vereidigung der Einheitsregierung den Rücktritt seiner Hamas-Regierung im Gazastreifen an. Haniya sagte am Montag in einer Fernsehansprache, die neue Regierung mit der gemäßigten Fatah sei "die Regierung des palästinensischen Volkes". Man werde mit ihr kooperieren und die Macht übergeben.
Israel hatte im April die Friedensgespräche aus Protest gegen die Annäherung ausgesetzt. Die Hamas, die Israels Existenzrecht bestreitet, wird auch von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft.
Israel fordert weltweiten Boykott
Die neu gebildete Regierung werde die unterzeichneten Friedensverträge mit Israel anerkennen, versprach Abbas. Schritte Israels gegen die neue Regierung werde man allerdings angemessen beantworten, betonte Abbas. "Wir wollen keine Eskalation, aber wir werden auch nicht tatenlos dastehen." Man werde notfalls alle möglichen "politischen, diplomatischen und juristischen Mittel" ausschöpfen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rief zu einem weltweiten Boykott der Regierung mit Hamas-Beteiligung auf. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die europäische Politik. "Es ist in meinen Augen merkwürdig, dass europäische Regierungen, die den Anschlag in Brüssel scharf verurteilen, gleichzeitig vage oder sogar freundlich über die palästinensische Regierung mit Hamas sprechen", sagte Netanyahu am Montag nach Angaben der Nachrichtenseite "ynet".
Auch zwischen den Unterhändlern von Fatah und Hamas gab es bis zuletzt Unstimmigkeiten über die Details der Regierungsbildung. Der Abbas-Vertraute Riad Malki bleibt trotz Widerstands der Hamas Außenminister. Ein weiterer Streitpunkt war die von der Fatah angestrebte Auflösung des Häftlingsministeriums, die die Hamas ablehnte. Bei der Zeremonie in Ramallah wurde letztlich kein Häftlingsminister vereidigt. Abbas will das Ministerium in eine Abteilung der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO verwandeln.
Regierung als Neuanfang
Die radikalislamische Palästinenserorganisation
Hamas hatte 2007 gewaltsam die Herrschaft im Gazastreifen übernommen. Seitdem herrschte die gemäßigtere Fatah nur noch im Westjordanland. Mit dem Putsch war auch eine im Jahr 2006 gebildete erste Einheitsregierung von
Hamas und Fatah auseinandergebrochen. Im April hatte die Fatah des gemäßigten Präsidenten Abbas die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung mit der
Hamas vereinbart. Zur Jahreswende sollen auch lange überfällige
Wahlen nachgeholt werden.
Der Wirtschaftsexperte Hamdallah, der auch das Innenministerium übernimmt, war schon vor der Aussöhnung von Fatah und
Hamas palästinensischer Regierungschef. Er gab sich nach Angaben aus Delegationskreisen sehr entschlossen, dass die neue Regierung zu einem Neuanfang in den Verhandlungen mit Israel beitragen könne. "Wenn man den Willen hat, Frieden zu schaffen, dann kann es auch gelingen", sagte Hamdallah nach Angaben eines Delegationsteilnehmers.
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