Ein Jahr Maidan

Proteste auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz, lösten den Machtwechsel aus.
Vor genau einem Jahr haben in der Ukraine Massenproteste begonnen, die das Land tiefgreifend verändern sollten.

Eigentlich sollte es vor einem Jahr ein friedlicher Protest gegen die prorussische Politik der damaligen Regierung werden. Doch die proeuropäische Maidan-Revolution nahm schier unkontrollierbare Formen an, vor allem mit der aggressiven Einmischung des großen Nachbarn Russland - Landraub, Bürgerkrieg im Osten, tausende Tote.

Die Ukraine gedenkt am heutigen Freitag des Beginns der Massenproteste. Präsident Petro Poroschenko empfängt dazu US-Vizepräsident Joe Biden. Diskussionen und Ausstellungen über den Beginn der Demonstrationen auf dem Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, sind am Freitag in der Hauptstadt Kiew geplant. Zudem ist ein Marsch ehemaliger Demonstranten im Stadtzentrum angekündigt.

100 Tote

Am 21. November 2013 hatte die damalige ukrainische Führung einen proeuropäischen Kurs auf Eis gelegt und sich stärker Russland zugewandt. Dies löste die Großdemonstrationen aus, bei denen mehr als 100 Menschen getötet wurden. Letztlich kam es zu einem Machtwechsel. Russland annektierte daraufhin die Halbinsel Krim; in der Ostukraine begann ein blutiger Konflikt, der laut Vereinten Nationen bereits mehr als 4000 Menschen das Leben kostete. Trotz einer Feuerpause seit Anfang September wurden fast 1000 Menschen getötet.

Moskau "Aggressor"

Präsident Poroschenko forderte von der EU und den USA eine Fortsetzung der Sanktionspolitik gegen Russland. Moskau sei ein "Aggressor", der Soldaten auf ukrainisches Gebiet geschickt habe, sagte der prowestliche Staatschef bei einem Besuch im Nachbarland Moldau. Der Kreml weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Die Grenze zwischen der Ukraine und Russland wird von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nur an zwei Kontrollpunkten mit gut 20 Einsatzkräften überwacht. Die Grenze zwischen Russland und der Ukraine ist aber rund 2300 Kilometer lang.

Im November 2013 schlug die damalige ukrainische Regierung die Tür zur EU überraschend zu - und stürzte das Land in eine tiefe Krise. Seither wurden tausende Menschen im Laufe des Konfliktes getötet, der sich zur schwersten Ost-West-Konfrontation seit dem Ende des Kalten Kriegs ausgewachsen hat.

21. November 2013: Die ukrainische Regierung legt ein über Jahre ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis und wendet sich Russland zu. In den Folgetagen protestieren Zehntausende Menschen gegen diesen Kurswechsel.

1. Dezember: Bis zu 500.000 Menschen versammeln sich auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan). Regierungsgegner errichten Zelte und Barrikaden, Hunderte Demonstranten besetzen das Rathaus. Bei Zusammenstößen gibt es 300 Verletzte.

17. Dezember: Moskau sagt Kiew einen Milliardenkredit und billigeres Gas zu. Die Opposition wirft dem Kreml-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch vor, die Ukraine an Russland zu verkaufen.

19. bis 22. Jänner: Nachdem das Parlament das Versammlungsrecht verschärft hat, kommt es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Bis zum Monatsende gibt es vier Tote und 500 Verletzte.

25. Jänner: Janukowitsch bietet Oppositionsführer Arseni Jazenjuk den Posten des Regierungschefs an, sein Vize soll Box-Weltmeister Vitali Klitschko werden. Die Opposition lehnt ab.

28. Jänner: Ministerpräsident Mykola Asarow tritt zurück. Das Parlament nimmt die Einschränkung des Demonstrationsrechts zurück.

18. bis 20. Februar: In Kiew schießen Sicherheitskräfte auf Demonstranten, fast 90 Menschen werden bei Straßenkämpfen getötet. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens beginnen eine Vermittlungsmission.

21. Februar: Die Oppositionsführer und Janukowitsch vereinbaren vorgezogene Präsidentschaftswahlen und die Bildung einer Übergangsregierung. Das Parlament beschließt die Rückkehr zur Verfassung von 2004 mit weniger Rechten für den Präsidenten.

22. Februar: Janukowitsch setzt sich überraschend in den Osten der Ukraine ab. Das Parlament enthebt ihn seines Amtes und kündigt vorgezogene Präsidentschaftswahlen an. Oppositionsführerin Julia Timoschenko wird aus der Haft entlassen.

23. Februar: Das Parlament wählt Timoschenkos Vertrauten Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten.

26. Februar: Russland startet eine gewaltige Militärübung mit 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Auf der Krim kommt es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der neuen Führung in Kiew.

27. Februar: Prorussische Milizionäre besetzen den Regierungssitz und das Parlament in der Krim-Hauptstadt Simferopol. Bewaffnete in Uniformen übernehmen die Kontrolle über Flughäfen und blockieren ukrainische Militärstützpunkte auf der Halbinsel.

28. Februar: Kiew wirft Moskau eine "bewaffnete Invasion" vor.

6. März: Das Krim-Parlament stimmt für den Beitritt zur Russischen Föderation und setzt ein Referendum über die Abspaltung von der Ukraine an.

16. März: Bei dem Referendum stimmt nach Angaben der Organisatoren eine Mehrheit von mehr als 95 Prozent für die Angliederung an Russland.

21. März 2014: Der russische Föderationsrat ratifiziert den Beitritt der Krim.

6. April: Prorussische Separatisten besetzen Verwaltungsgebäude in mehreren Städten der Ostukraine und rufen in Donezk eine "unabhängige Volksrepublik" aus.

13. April: Kiew entsendet reguläre Truppen sowie Freiwilligenverbände für eine als "Anti-Terror-Einsatz" deklarierte Militäroffensive in die Ostukraine.

2. Mai: Der blutigste Tag seit dem Machtwechsel in Kiew: Bei einer Militäroffensive in Slawjansk gibt es zehn Tote, in der Hafenstadt Odessa sterben mindestens 42 Menschen bei Straßenschlachten und einem offenbar gezielt gelegten Brand in einem Gewerkschaftshaus.

11. Mai: Bei vom Westen und Kiew nicht anerkannten Referenden in Donezk und Luhansk (Lugansk) stimmen die meisten Teilnehmer für die Unabhängigkeit von der Ukraine.

25. Mai: Der proeuropäische Politiker Petro Poroschenko gewinnt die ukrainische Präsidentschaftswahl im ersten Durchgang. Viele Wahllokale in der Ostukraine bleiben geschlossen.

5. Juli: Die Aufständischen geben nach wochenlanger Belagerung durch die ukrainische Armee ihre Hochburg Slawjansk auf.

17. Juli: Ein Passagierflugzeug von Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord stürzt über der Ostukraine ab, alle Insassen sterben. Regierung und Rebellen geben sich gegenseitig die Schuld.

22. August: Nach dem Eintreffen eines russischen Hilfskonvois in Luhansk ohne Genehmigung Kiews wirft die ukrainische Regierung Moskau eine "direkte Invasion" vor.

25. August: Die Regierungstruppen erleiden in der Ortschaft Ilowaisk eine schwere Niederlage, mehr als hundert Soldaten werden getötet.

5. September: Bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk vereinbaren Regierung und Separatisten eine Waffenruhe.

16. September: Das ukrainische Parlament verabschiedet ein Gesetz, das den abtrünnigen Regionen im Osten mehr Selbstständigkeit zugesteht.

20. September: Das Minsker Abkommen wird durch eine Vereinbarung ergänzt, die insbesondere eine demilitarisierte Pufferzone entlang der Frontlinie vorsieht.

26. Oktober: Sieg des proeuropäischen Lagers bei der vorgezogenen Parlamentswahl in der Ukraine, die von den Separatisten boykottiert wird.

30. Oktober: Die Ukraine und Russland erzielen unter Vermittlung der EU eine Einigung im monatelangen Streit um russische Gaslieferungen.

2. November: In den international nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk lassen die Separatisten ein Parlament und einen Präsidenten wählen, den Sieg holen sie erwartungsgemäß selbst. Kiew spricht von illegaler "Machtübernahme", Russland verteidigt die Abstimmung als legitim.

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