Kasachstan: "Geiselnahme" mit Austro-Jet?

epa03722385 Kazakh President Nursultan Nazarbayev gestures during his meeting with Russian President Vladimir Putin (not pictured) at the Akorda residence in Astana, Kazakhstan, 29 May 2013. Putin arrived in Astana to take part in the Supreme Eurasian Economic Council session. EPA/ALEXEY NIKOLSKY /RIA NOVOSTI / KREMLIN POOL **MANDATORY CREDIT: ALEXEY NIKOLSKY /RIA NOVOSTI / KREMLIN POOL**
Angehörige eines kasachischen Oligarchen wurden verschleppt.

Eine höchst fragwürdige Abschiebung aus Italien nach Kasachstan mithilfe eines österreichischen Learjets droht sich zu einem Geheimdienstskandal auf EU-Ebene auszuweiten.

Freitagabend endete in Rom eine 72 Stunden dauernde Geheimdienstoperation. 50 Mann der italienischen Sondereinheit Digos hatten sich auf die Spur des kasachischen Oligarchen Mukhtar Abljasow geheftet. Verhaftet und abgeschoben wurde aber nicht der Oligarch, sondern seine 47-jährige Ehefrau Alma Karagandinskaja und seine sechsjährige Tochter Alua Abljasowa.

Fassungslos

Kasachstan: "Geiselnahme" mit Austro-Jet?
Der italienischen Anwalt Riccardo Olivo ist fassungslos. Denn gegen beide liegt nichts vor. Sie wurden aber in einer Nacht und Nebelaktion nach Kasachstan gebracht, und stehen dort jetzt unter Hausarrest.
Kasachstan: "Geiselnahme" mit Austro-Jet?
Aufenthaltstitel
Abljasow, der sich als politischer Flüchtling in London aufhält, verlautbarte kurz darauf, dass der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew seine Familie als „Geiseln“ genommen habe. Der Hintergrund: Der frühere Bankchef und Oppositionspolitiker Abljasow wird vom kasachischen Regime beschuldigt, seine BTA-Bank ausgeplündert zu haben. Abljasow flüchtete nach London, und erhielt dort politisches Asyl. Kasachische Regierungskreise drohten sogar britischen Firmen mit Nachteilen, sollte der Gesuchte Ex-Banker nicht ausgeliefert werden.

Abljasows Ehefrau und seine Tochter flüchteten nach Lettland, wo sie eine Aufenthaltserlaubnis bis zum Jahr 2017 bekamen. Diese gilt für die gesamte EU. Daher hielten sie sich zuletzt in Italien auf.

Das Tauziehen zwischen Kasachstan und Großbritannien endete Freitag mit einem „Teilerfolg“ der Kasachen – und zwar in Italien. In einer Villa in Casal Palocco wurden Frau Alma und Tochter Alua verhaftet. Die dürre Begründung der Behörden: Bei der Frau wäre ein gefälschter afrikanischer Reisepass gefunden worden.

Am Flughafen stand bereits ein Learjet vom Typ Bombardier mit der Kennung OE-HOO bereit. Ein wahrer Edelflieger des österreichischen Charterunternehmens Avcon Jet, mit dem normalerweise nur Generaldirektoren zu internationalen Meetings fliegen.

Die italienischen Behörden verlautbarten zwar, dass es sich um eine reguläre fremdenpolizeiliche Maßnahme handle. Für die Angehörigen ist es aber schlichtweg ein Fall von Kidnapping – mit offener Unterstützung der Italiener. Denn die Frau und ihr Kind besitzen gültige Pässe und Aufenthaltsbewilligungen. Auch die Umstände der „Edel-Abschiebung“ mit dem Learjet scheinen dubios.

Hausarrest

Es stellt sich die Frage, wer den Flug bestellt und bezahlt hatte. Die italienische Regierung oder die „Borat“-Agenten? Ein Avcon-Sprecher teilt dazu nur mit, dass man keine Auskünfte über Kunden geben könne – dass der Flug aber auch beim österreichischen Innenministerium gemeldet sei. Aus dem Innenministerium wiederum wird verlautbart, dass man nicht über die Rechtmäßigkeit von italienischen Schubverfahren befinden könne. Nach der Landung in Kasachstan wurden die beiden sofort ins Haus der Großeltern gebracht, und dort von den Behörden unter Hausarrest gestellt – obwohl auch in Kasachstan gegen beide nichts vorliegt.

Die kasachische Geheimdienst-Persiflage „Borat“ hat zwar die ganze Welt zum Lachen gebracht. Wenn es aber um die Durchsetzung eigener Interessen geht, sind die Agenten vom kasachischen Geheimdienst KNB in der Wahl der Mittel nicht zimperlich. Im Jahr 2007 soll es ihnen gelungen sein, zwei Menschen aus Wien zu verschleppen.

Den Hintergrund bildet das kasachisch-österreichische Tauziehen um den Präsidenten-Schwiegersohn und ehemaligen Botschafter in Wien, Rakhat Alijew. Der ist in Ungnade gefallen, und sieht sich mit schweren Vorwürfen wegen angeblicher Unterschlagungen und zuletzt sogar wegen Mordes konfrontiert. Ein kasachisches Auslieferungsbegehren wurde von der österreichischen Justiz abgelehnt.

Verschwunden

Vom Auslieferungsbegehren waren auch der Bodyguard und der Kraftfahrer betroffen. Die beiden fühlten sich in Wien sicher – bis sie plötzlich im September 2007 unter höchst dubiosen Umständen verschwanden. Im September 2009 tauchten sie plötzlich wieder am Flughafen Wien-Schwechat auf. Sie reisten aber nicht ein, sondern gaben nur im Transitraum des Flughafens ein Interview mit belastenden Aussagen gegen den Ex-Chef Alijew. Dann entschwanden sie wieder nach Kasachstan.

Für Kenner und Beobachter der Affäre steht es außer Zweifel, dass die beiden vom kasachischen Geheimdienst verschleppt wurden, um sie im Prozess gegen Alijew zu instrumentalisieren. Auch der Flug nach Wien und die Pressekonferenz konnten sie unmöglich ohne Unterstützung von Regierungsdienststellen geschafft haben. Nach ihrer Rückkehr nach Kasachstan wurden sie nur zu geringfügigen Strafen verurteilt und befinden sich wieder auf freiem Fuß. Auf welche Wiese sie aus Österreich weggebracht wurden, konnten die Behörden trotz intensiver Ermittlungen nicht klären. Am wahrscheinlichsten erscheint – wie im Fall Italien – der Luftweg.

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