John F. Kennedy: Ein Attentat verändert die Welt

Der populäre Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird ermordet. Wer hatte Interesse an seinem Tod?

22. November 1963. John F. Kennedy trifft zu einem Besuch in der texanischen Stadt Dallas ein. Mehr als 200.000 Menschen säumen die Straßen, als die Präsidentenlimousine im Schritttempo vom Dealey Plaza in die Elm Street einbiegt. Die Fahrt durch die Innenstadt dauert 40 Minuten und soll jetzt enden, weil John F. Kennedy hier eine Rede halten wird. Doch wenige Meter vor dem geplanten Stopp fallen drei Schüsse. Es ist 12.30 Uhr Ortszeit. 30 Minuten danach können die Ärzte des Parkland Memorial Hospitals nur noch den Tod des Präsidenten feststellen.

Mächtige Feinde

Wenn wir heute, nach 50 Jahren, Bilder von Kennedy sehen, könnte man meinen, dass der strahlende und charismatische Politiker in Amerika ausschließlich beliebt war. Doch er hatte auch mächtige Feinde, die darauf warteten, dass ein anderer ins Weiße Haus ziehen möge.

John F. Kennedy: Ein Attentat verändert die Welt
Bis zu den nächsten Wahlen war noch ein Jahr Zeit, aber es galt keineswegs als sicher, dass Kennedy wiedergewählt würde. Gerade hier, in den Südstaaten der USA, missbilligten viele sein Bekenntnis zu den Bürgerrechten der Schwarzen. Um den Wählern möglichst nahe zu kommen, lässt der Präsident an diesem sonnigen Freitag das Verdeck des dunkelblauen Ford Lincoln Continental, der aus Washington eingeflogen wurde, abnehmen. Damit er und seine in ein rosa Kostüm gehüllte Frau Jackie auch jenen Texanern zuwinken können, die seine Demokratische Partei bisher abgelehnt haben. Doch ohne Dach ist er seinem Mörder schutzlos ausgeliefert.

Kennedy wird infolge seines Rückenleidens durch ein Korsett gestützt. Hätte er es nicht getragen, hätte er möglicherweise überlebt.

Der Mythos JFK

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Handout photo of then U.S. President Kennedy with
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Education specialist Esther Kohn gestures towards
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USA JOHN F KENNEDY 45TH ANNIVERSARY OF ASSASSINATI
John F. Kennedy: Ein Attentat verändert die Welt

RR Auction image of Vintage glossy Dallas Police D

Drei Schüsse Denn: Der erste Schuss, der auf ihn gerichtet ist, schlägt fehl. Der zweite trifft ihn am Hals, ist aber nicht tödlich. Ohne Korsett wäre Kennedy durch diese zweite Kugel zusammengesackt, womit ihn die dritte nicht am Kopf getroffen hätte. Das Korsett hält ihn aufrecht, daher lässt ihm der letzte Schuss keine Überlebenschance. Er durchschlägt den Schädel, sodass in kürzester Zeit große Teile des Gehirns austreten.

Während der Wagen mit Kennedy sofort ins Parkland Memorial Hospital rast und dort Minuten später ankommt, geht die Polizei der Spur des Täters nach. Augenzeugen haben beobachtet, dass die Schüsse aus einem offenen Fenster im 5. Stock eines Lagerhauses am Dealey Plaza gekommen sind. Bei einer Überprüfung der Mitarbeiter des Schulbuchlagers stellt sich heraus, dass einer fehlt: der seit kurzem hier arbeitende Lee Harvey Oswald. Die Fahndung beginnt sofort.

FBI und Secret Service wussten, dass Dallas ein gefährliches Pflaster für John F. Kennedy ist und nahmen vor seiner Ankunft verdächtige Unruhestifter ins Visier:Tätlicher Angriff Nur vier Wochen vor seinem Besuch war in dieser Stadt der ihm politisch nahestehende UN-Botschafter Adlai Stevenson tätlich angegriffen worden.Bedrohung für die Welt Ein einschlägig bekannter ultrarechter Offizier hatte in einer texanischen Zeitung erklärt, Kennedy stelle „eine Bedrohung für die freie Welt“ dar.Steckbriefe In Dallas waren Flugblätter als „Steckbriefe“ mit einem Kennedy-Foto verteilt worden, unter dem stand: „Wanted for Treason“ („Gesucht wegen Landesverrats“).Mit Trauerrand Und am Tag seiner Ankunft war in den Dallas Morning News ein Inserat mit Trauerrand geschaltet, das den Präsidenten als Kommunisten bezeichnete.

Trotz der Gefahren wurde die exakte Fahrtroute der Wagenkolonne in den Medien veröffentlicht. Auch Kennedy selbst war sich des Risikos bewusst, sagte er doch, ehe er in den Wagen stieg, geradezu prophetisch zu seiner Frau: „Wenn mich jemand vom Fenster aus erschießen will, dann wird das niemand verhindern können.“

Die Sicherheitsleute nahmen die Gefahr, im Cabriolet durch Dallas zu fahren, ernst, doch sie begingen den Fehler, sich bei ihren Überprüfungen nur auf radikal rechte Kreise zu konzentrieren. Und die Ultralinken außer Acht zu lassen. Sonst hätte man wohl auch Lee Harvey Oswald beobachtet.

Oswald, 1939 in New Orleans geboren, hatte als Soldat der US-Marine eine profunde Schießausbildung erhalten. Er bezeichnete sich als Marxist, Leninist und Castro-Anhänger, lebte drei Jahre in der Sowjetunion, war mit einer Russin verheiratet. Ein Jahr vor dem Kennedy-Mord kehrte er mit Frau und Tochter in die USA zurück und ließ sich schließlich in Dallas nieder.

Sechs Wochen vor dem Attentat nahm Oswald eine Anstellung bei der Texas School Book Depository an und arbeitete in jenem Lagerhaus, von dem am 22. November die tödlichen Schüsse fallen. Kurz davor hat er per Post die Tatwaffe, ein italienisches Carcano-Repetiergewehr nach einer Konstruktion des Österreichers Ferdinand Mannlicher, bestellt.

Die Fahrt in den Tod

John F. Kennedy: Ein Attentat verändert die Welt
U.S. Congressman Jack Brooks (far R) stands behind Vice President Lyndon Baines Johnson as he takes the presidential oath of office after U.S. President John F. Kennedy was shot in Dallas, November 22, 1963. Brooks, who was a rare southern supporter of civil rights legislation and rode in the motorcade when President John F. Kennedy was shot, died Tuesday night at Baptist Hospitals of Southeast Texas in his hometown of Beaumont after a short illness, hospital officials said Wednesday. REUTERS/JFK Library/Cecil Stoughton/The White House (UNITED STATES - Tags: OBITUARY POLITICS) THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS
Die Nachricht vom Tod des Präsidenten tickert in aller Welt über die Fernschreiber der Presseagenturen. Radio- und Fernsehstationen bringen Sondersendungen, die Wochenschauen zeigen unscharfe, aber gerade deshalb besonders dramatische Amateuraufnahmen von Kennedys Fahrt in den Tod. Und die Zeitungen berichten in großer Aufmachung, dass „die Welt seit gestern anders aussieht“ (siehe KURIER-Leitartikel von Hugo Portisch unten).

Kaum jemand kann sich dem Schock entziehen, dass dieser sympathische junge Politiker, den viele als Hoffnungsträger der freien Welt sahen, auf gewaltsame Art sterben musste. In den Vereinigten Staaten geht alles Schlag auf Schlag:

13.50 Uhr Lee Harvey Oswald wird eine Stunde und 20 Minuten nach dem Attentat in einem Kino in der Nähe des Tatorts verhaftet. Er wird beschuldigt, Kennedy und auf der Flucht einen Polizisten erschossen zu haben.

14.30 UhrNur eineinhalb Stunden nach Kennedys Tod wird Vizepräsident Lyndon B. Johnson an Bord der Präsidentenmaschine „Air Force One“ von einer Bundesrichterin zum 36. Präsidenten der USA vereidigt. In dem Flugzeug, das die Hauptstadt Washington ansteuert, befinden sich Jackie Kennedy und der Sarg mit ihrem toten Mann.

Zwei Tage später Am 24. November wird Lee Harvey Oswald vom Nachtclub-Besitzer Jack Ruby erschossen, der bei der Überführung des Tatverdächtigen ungehindert in das Staatsgefängnis von Dallas eindringen konnte. Ruby, dem Mafia-Kontakte nachgewiesen werden, gibt im Lauf der drei Jahre, die er noch leben wird, einander widersprüchliche Motive für den Mord an: Einmal sagt er, er habe Oswald Jacqueline Kennedy zuliebe getötet, ein andermal erklärt er, zu der Tat erpresst worden zu sein, danach sind seine Aussagen nur noch verworren. Ruby stirbt im Jänner 1967 im Gefängnis an Krebs.

Durch Lee Harvey Oswalds Tod kam es zu keiner eingehenden Einvernahme des Verdächtigen. Für die Polizei war klar, dass er Kennedys Mörder ist – schließlich wurde die Tatwaffe mit seinen Fingerabdrücken in dem Lagerhaus gefunden. Jedoch entstanden im Lauf der Jahrzehnte zahlreiche Verschwörungstheorien, denen zufolge Oswald kein Einzeltäter war, sondern im Auftrag einer Organisation gehandelt hätte. Oswald selbst bestritt den Mord an Kennedy und an dem Polizisten.

Bei der Fahrt durch Dallas im offenen Wagen ist der in der vorderen Reihe sitzende Gouverneur von Texas, John Connally, durch eine Kugel schwer verletzt worden. Jackie Kennedy schildert ihn später als einen eitlen, selbstgefälligen Menschen, der kurz bevor die Schüsse fielen, zu ihrem Mann sagte, dass er „einer neuen Umfrage zufolge in Texas beliebter sei als der Präsident. John F. Kennedy erwiderte: ,Das wundert mich nicht.’“

Es waren die letzten Worte des 35. US-Präsidenten.

Soeben erschienenen: Das neue Buch von Georg Markus „Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte“,in dem der Autor nachweist, dass viele Geschichten, die wir aus der Geschichte kennen, durch jüngere und jüngste Erkenntnisse neu geschrieben werden müssen.303 Seiten, zahlreiche Abbildungen,€ 24,95.

Amalthea Verlag,Wien.

Bereits am Tag, an dem Kennedy starb, erkannte Chefredakteur Hugo Portisch die historische Dimension des Attentats. Hier ein Auszug aus seinem Leitartikel im KURIER vom 23. November 1963:

Die Welt sieht seit gestern anders aus. Der Lauf der Geschichte hat sich geändert.

Fassungslos steht die Welt der Tatsache gegenüber, dass John F. Kennedy nicht mehr lebt. Eine Mörderkugel hat ihn niedergestreckt...

Politisches Ziel

Das Attentat wurde in Dallas, Texas, verübt. Ein Staat des Südens der USA. Die Vermutung liegt nahe, dass der Mann oder die Leute, die Kennedy nach dem Leben getrachtet haben, damit ein politisches Ziel verfolgten: Jenen Präsidenten aus dem Weg zu räumen, der sich energisch für die völlige Gleichstellung der Rassen auch im Süden der USA eingesetzt hat. Doch, was immer die Motive gewesen sein mögen, die Tat hat nicht nur Rückwirkungen auf die USA und ihre Innenpolitik. In einem Moment, in dem die freie Welt eine starke und zielbewusste Führung so notwendig hat, hat der stärkste und der zielbewussteste ihrer Staatsmänner sein Leben lassen müssen. Wir befinden uns heute in einer Zeit relativen Friedens, der sogenannten Koexistenz zwischen den Weltblöcken. Aber dieser Frieden, diese Koexistenz sind nicht von allein eingetreten. Sie wurden herbeigeführt. Herbeigeführt von einem Mann, der John F. Kennedy hieß. Es war seine Politik, die es verstand, den agressiven Kräften dieser Welt ein Halt entgegenzusetzen...

Instinktiv gefühlt

In dieser Nacht von gestern auf heute haben viele Menschen in dieser Welt geweint. Viele haben begriffen, was der Tod John Kennedys für jeden einzelnen von uns bedeutet, viele haben es instinktiv gefühlt.

Die Welt sieht seit gestern anders aus. Wie, wir wissen es noch nicht. Aber es ist nicht mehr die gleiche Welt, der Lauf der Geschichte hat sich geändert.

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