Juncker schielt auf Top-EU-Job

„Mr. Europe“ wirft sich nach der Geheimdienst-Affäre in die Neuwahlschlacht. Zudem stehen die Türen für einen EU-Spitzenjob offen: Ende 2014 könnte der heute 58-Jährige Ratspräsident werden.

Taktisch perfekt hat Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker als Folge einer Geheimdienst-Affäre seinen Rücktritt vermieden und Neuwahlen erzwungen. Mit diesem machtpolitischen Coup blamierte er die Opposition und den sozialdemokratischen Koalitionspartner, beide hatten seinen Abgang verlangt. Mit seinem Schachzug kam er der Misstrauensabstimmung im Parlament zuvor und forderte die Auflösung des Parlaments. Jetzt finden Wahlen Mitte Oktober statt, gut ein halbes Jahr vor dem regulären Urnengang im Frühjahr 2014.

Rückhalt und Solidaritätsbonus

Beim Volk genießt Juncker trotz zugegebener Fehler beim Managen des Geheimdienstskandals Rückhalt. Rund 63 Prozent der befragten Luxemburger sprechen sich in einer aktuellen Umfrage für den Verbleib Junckers an der Spitze der Regierung aus.

Gesprächspartner in Luxemburg versichern, dass viele Luxemburger sich mit Juncker nach den Anschuldigungen in der Geheimdienst-Causa solidarisieren und überzeugt sind, dass er nicht verantwortungslos gehandelt habe.

Noch in der Nacht auf Donnerstag – nach heftiger Parlamentsdebatte – kündigte er an, um die Zustimmung der Luxemburger zu ringen. Stunden später war klar, dass er als Spitzenkandidat der Christlich-Sozialen Volkspartei wieder antreten werde. Er sprach bei Großherzog Henri vor und informierte darüber auch einige seiner EU-Partner. In Österreich pflegt Juncker engen Kontakt zu Bundeskanzler Werner Faymann und zu Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

Nicht nur Amtskollegen der Europäischen Volkspartei, sondern auch Europas Sozialdemokraten sprachen sich am Donnerstag für den Verbleib Junckers in der Europa-Politik aus, er wird parteiübergreifend wegen seiner Erfahrung bei der Bewältigung von Krisen geschätzt. „Juncker entscheidet selbst, wie es mit seiner politischen Karriere weitergeht, die Türen für Spitzenjobs in den europäischen Institutionen stehen ihm jedenfalls weit offen“, sagt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas, zum KURIER.

„Mister Europe“

Der langjährige Euro-Vorsitzende ist im Gespräch, Ende 2014 EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zu beerben. Van Rompuy kandidiert nicht wieder, das hat er kürzlich angekündigt. Als „Mister Europe“ hat Juncker im nächsten Jahr alle Möglichkeiten, einen EU-Spitzenjob zu bekommen. Die Frage ist nur, ob er einen Wechsel anstrebt.

Bereits 2004 hätte er Kommissionspräsident werden können, er wurde damals von allen bekniet, den Job in Brüssel anzunehmen. Die Wahl fiel dann auf José Manuel Barroso.

Nicht ausgeschlossen, dass Juncker auch diesmal wieder auf höhere Weihen verzichtet und wie 2004 erklärt: „Ich bleibe in Luxemburg, ich bin den Wählern im Wort.“

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