Sobotka in Rom: "Keine Mauer am Brenner"

Angelino Alfano (li.) und Wolfgang Sobotka in Rom
Innenminister Wolfgang Sobotka absolvierte ersten Auslandsbesuch in Rom. Scharfe Kritik aus Italiener an Grenzkontrollen am Brenner.

"Die EU stirbt am Brenner"– titeln italienische Medien besorgt. Österreichs Grenzbau am Brenner, die Einführung rigider Kontrollen und die Entsendung von 250 Polizisten stoßen in Italien auf Ablehnung. "Die Errichtung einer Brenner-Mauer widerspricht allen EU-Regeln. Das werde ich Sobotka sagen", betonte Innenminister Alfano vor dem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen. Dem wehte bei seiner ersten Auslandsreise ein rauer Wind entgegen.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat nach dem Treffen in Rom versichert, dass am Brenner weder eine Mauer noch eine Grenzsperre geplant sei. Österreich habe lediglich Vorbereitungen für strengere Kontrollen ergriffen", die zu einem verlangsamten Autoverkehr und auch zu Kontrollen in Zügen führen werden, wie es bereits an der österreichischen-ungarischen Grenze der Fall ist", sagte Sobotka.

Zaun nur im Ernstfall

Am Brenner sei Österreich dabei, Warteräume und Registrierungszentren einzurichten. Zwar seien Stützen für einen Zaun in Planung, dieser soll jedoch nur dann aufgestellt werden, "wenn es die Umstände erfordern", erklärte Sobotka. Der Minister betonte, dass das Grenzmanagement am Brenner für eine gesetzestreue Registrierung im europäischen Sinn der Flüchtlinge notwendig sei. Österreich wolle nicht von unkontrollierten Flüchtlingsströmen überrascht werden. "Laut unseren Informationen sind zwischen 200.000 und einer Million potenzieller Migranten bereit, sich von Libyen auf den Weg nach Europa zu machen", berichtete der Innenminister.

Sobotka in Rom: "Keine Mauer am Brenner"

Stabilisierung in Libyen

Alfano habe bei dem Treffen die Garantie erhalten, dass Österreich auf EU-Ebene den von Italien geförderten "EU-Afrika-Plan" unterstützen wird, sowie Italiens Bemühungen für eine Stabilisierung der Lage in Libyen. Auch den Vorschlag der Regierung in Rom, sogenannte "Hotspots auf See" einzurichten, um die Flüchtlinge vor ihrer Landung zu registrieren, werde Österreich unterstützen, sagte Sobotka. Sobotka lobte Italiens Anstrengungen, um bei der Registrierung der Flüchtlinge alle EU-Standards zu erfüllen.

Alfano wolle außerdem einen engeren Kontakt zwischen der italienischen und der österreichischen Polizei fördern, damit es zu keinen Missverständnissen über die Zahl der Flüchtlinge komme. "Das ist ein wesentlicher Punkt, denn von der Analyse der Zahlen wird es immer klarer werden, dass keine Brenner-Sperre notwendig ist", sagte Alfano.

In diesem Jahr seien 5.000 Aufgriffe in Tirol verzeichnet worden, berichtete Sobotka. Diese Zahl sei im April rückgängig. "Aus heutiger Sicht besteht in absehbarer Zeit kein Bedürfnis, das Grenzmanagement umzusetzen, aber sichtbare Kontrollen wird es geben", betonte der Minister, der das Gespräch mit Alfano als "freundschaftlich" bezeichnete. "Es war mein Anliegen, sofort nach meinem Amtsantritt Italien zu reisen, um die Position Österreichs zu klären, aber auch um die Emotionen wieder auf vernünftigen Boden zu bringen", erklärte der Minister.

Des weiteren sprach sich der italienische Innenminister gegen Kontrollen der österreichischen Polizei in Zügen, die auf italienischem Boden unterwegs sind, aus. Italien werde die Zahl der Sicherheitskräfte am Brenner zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung stärken.

"Historisches Tief" an Flüchtlingen

Laut dem Innenministerium in Rom liegt die Zahl der Flüchtlinge, die von Italien nach Österreich einreisen, auf einem "historischen Tief". Umgekehrt hat Österreich heuer bereits 2050 Personen nach Italien abgeschoben – um 65 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2015.

Scharfe Töne aus Rom

Premier Renzi verurteilte die Brenner-Schließung scharf: "Sie verstößt auf unverschämte Weise gegen die europäischen Regeln, die Geschichte, die Logik und die Zukunft." Italiens führende Politiker hoffen, dass Österreich die Grenzsperre am Brenner nur als Wahlkampfpropaganda vor der Präsidentenwahl dient. Am Brenner könne es keine unilateralen Beschlüsse geben, betonte Außenminister Gentiloni. "Das Schengen-Abkommen erlaubt zwar Grenzkontrollen, doch im Fall von Maßnahmen, die den Vertrag überschreiten, drohen Österreich Sanktionen", sagte Staatssekretär Manzione.

Warnung vor neuem Idomeni

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnte indes vor der Gefahr, dass der Brenner im Fall einer Grenzschließung zu einem "neuen Idomeni" werden könnte. "Wir wissen nicht, wie sich die Lage am Brenner entwickeln wird", sagte der Präsident von MSF in Italien, Loris De Filippi. "Wenn wir nicht legale und sichere Wege schaffen, dank denen die Flüchtlinge nach Europa gelangen können, könnte es zu unglaublichen Situationen kommen", warnte De Filippi. Die Gefahr, dass es wegen der Brennerschließung zu Ausweichrouten kommen werde, sei konkret", so De Filippi.

Wenig los am Brenner

Am Brenner ist bei einem Lokalaugenschein von einer Flüchtlingswelle nichts zu spüren. Im Zug waren keine Flüchtlinge, im Wartesaal am Brenner hofften nur zwei somalische Jugendliche auf die Weiterfahrt zu Verwandten nach Deutschland. Derweil gehen die Bauarbeiten weiter: Die Errichtung einer 370 Meter langen Grenzsperre, Container zur Identifizierung der Flüchtlinge und der Umbau des Outlets zur Zollstation.

Neue Urlaubsziele?

Abgesehen von symbolischem und humanitärem Schaden drohen wirtschaftliche Einbußen: 40 Prozent des italienischen Import-Export-Geschäfts laufen über den Brenner. Auch die Tourismusbranche fürchtet Rückgänge. "Millionen Touristen aus Deutschland und Österreich fahren über den Brenner. Werden sie weiter kommen und stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen? Es ist logisch, dass sie auf andere Reiseziele ausweichen werden", warnt Reinhold Messner.

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